Mordmerkmale Gruppe 1 – Verärgerung über verweigerten Sex
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der 19-jährige T lernt am Faschingsdienstag 1951 die M kennen und verbringt mit ihr den Abend. M verspricht ihm Geschlechtsverkehr, verweigert diesen später aber. Es sei ihr für diese Nacht zu spät. Aus Ärger und Enttäuschung darüber erschlägt T sie mit einem Trümmerklumpen.
Einordnung des Falls
Mordmerkmale Gruppe 1 – Verärgerung über verweigerten Sex
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. "Niedrige Beweggründe" (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB) sind eine Generalklausel für nicht näher spezifizierte höchststrafwürdige Tötungsantriebe.
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Ja!
2. T hat M aus "niedrigen Beweggründen" (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB) getötet.
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Genau, so ist das!
Fundstellen
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ri
8.8.2021, 19:52:23
Was heißt „erfolgt anhand rechtlicher und nicht moralischer Maßstäbe“? Kann mir jemand ein Beispiel geben?

Vincent
11.11.2021, 15:46:15
Würde mich auch interessieren!

Lukas_Mengestu
1.12.2021, 11:02:34
Hallo ihr beiden, letztlich handelt es sich auch hierbei mehr um eine Phrase, als ein trennscharfes Abgrenzungskriterium. Zum Ausdruck kommen soll dadurch, dass das Strafrecht eben nicht - wie in Zeiten des Nationalsozialismus - auf diffuse sittlich-moralische Maßstäbe abstellen darf, sondern letztlich nur auf rechtliche Gründe. Aus diesem Grund wurde in der Vergangenheit zB auch § 175 StGB abgeschafft, der Geschlechtsverkehr zwischen Männern unter Strafe stellte. Bei dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe verschwimmen allerdings die Grenzen zwischen Moral und Recht. Denn der BGH prüft das Vorliegen solcher Beweggründe letztlich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren Faktoren, die für den Tatantrieb von Bedeutung sind (vgl. BGH NStZ 2018, 527; NStZ 2021, 226), vornimmt. Dabei spielen letztlich die rechtlichen Vorstellungen unserer Gesellschaft durchaus eine Rolle. So wurde zB der Ehrenmord vom BGH als "niedriger Beweggrund" qualifiziert (BGH NStZ 2006, 284), während die Vorinstanz diesen im Hinblick auf den kulturellen Hintergrund des Täters noch als "nachvollziehbar" eingestuft hat. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Vorschrift nur sehr restriktiv in der Klausur angewendet werden sollte und nur, wenn der Sachverhalt entsprechend eindeutige Hinweise enthält. Mehr zu dem Thema findet ihr auch in dem Aufsatz von Kühl, Der Umgang des Strafrechts mit Moral und Sitten, JA 2009, 833 Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team