Zivilrecht

Examensrelevante Rechtsprechung ZR

Entscheidungen von 2022

Gutgläubigen Erwerb eines Autos bei gefälschtem Fahrzeugbrief

Gutgläubigen Erwerb eines Autos bei gefälschtem Fahrzeugbrief

9. Mai 2023

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration zum Fall zum gutgläubigen Erwerb bei gefälschtem Fahrzeugbrief (BGH, Urt. v. 23.09.2022 - V ZR 148/21): Ein Mann und eine Frau streiten sich. Der Mann sagt "Meine Bescheinigung", worauf die Frau erwiderte "Mein Auto".

K erwirbt von V einen Volvo. V hatte diesen von Eigentümerin E geliehen. K und V vereinbaren, dass V dem K die Zulassungsbescheinigung Teil II später zuschickt. Ob sich K eine (gefälschte) Bescheinigung bei Erwerb hat vorlegen lassen, ist unaufklärbar. K verlangt von E die Herausgabe der echten Bescheinigung.

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Einordnung des Falls

Der BGH hatte zu entscheiden, ob ein gutgläubiger Erwerb bei gefälschtem Fahrzeugbrief möglich sei. Durch seinen Vortrag ist der Käufer seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen. Die vorherige Eigentümerin kann nicht die Bösgläubigkeit (§ 932 II BGB) des Käufers beweisen, sodass er gutgläubig Eigentum am Volvo (§§ 929 S. 1, 932 BGB) und analog § 952 BGB auch an der Zulassungsbescheinigung erlangt hat. Deren Besitzerin ist die vorherige Eigentümerin, die gegenüber dem Käufer kein Besitzrecht hat, sodass die Voraussetzungen von § 985 BGB erfüllt sind und ein Anspruch demnach besteht.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist Anspruchsgrundlage für den Herausgabeanspruch des K gegen E § 952 BGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eigentumserwerb an beweglichen Sachen erfolgt grundsätzlich durch Einigung und Übergabe der jeweiligen Sache (§§ 929 ff. BGB). Nach § 952 BGB erwirbt der Erwerber einer Forderung automatisch auch das Recht an dem über diese Forderung ausgestellten Schuldschein („Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier“). Die Zulassungsbescheinigung ist zwar kein Schuldtitel. Analog § 952 BGB folgt aber das Eigentum an dem Fahrzeugpapier dem Eigentum am Fahrzeug. § 952 BGB regelt nur, wer Eigentümer des Papiers ist. Derjenige, dem § 952 BGB das Eigentum zuweist, kann über § 985 BGB seine Sache – das Papier – vom nichtberechtigten Besitzer herausverlangen.
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2. Könnte K gegen E einen Anspruch auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung II aus § 985 BGB haben?

Ja, in der Tat!

§ 985 BGB setzt voraus, dass der Anspruchsteller Eigentümer der herausverlangten Sache und der Anspruchsgegner ihr Besitzer ohne Recht zum Besitz ist. Der Anspruch besteht, wenn K Eigentümer der Zulassungsbescheinigung Teil II und E deren Besitzerin ohne Besitzrecht ist. Geregelt ist die Zulassungsbescheinigung Teil II in § 12 Abs. 6 FZV; früher nannte man sie den Kraftfahrzeugbrief.

3. Ist K Eigentümer der Zulassungsbescheinigung Teil II, wenn er Eigentum am Volvo erworben hat?

Ja!

Analog § 952 BGB folgt das Eigentum am Fahrzeugpapier – der Zulassungsbescheinigung – dem Eigentum am Fahrzeug. Wenn K wirksam Eigentum an dem Volvo von V erlangt hat, ist er analog § 952 BGB automatisch auch Eigentümer der Zulassungsbescheinigung geworden. Es ist unerheblich, dass ihm diese nicht übergeben wurde und V die Bescheinigung nie besessen hat. Hierdurch eignen sich derartige Fälle gut für Klausuren: Indem der Klausurersteller die Zulassungsbescheinigung und nicht das Auto zur herausverlangten Sache macht, wird die Prüfung um eine Ebene komplexer. Inhaltlich ist dann aber trotzdem – inzident – die Eigentumslage am Auto entscheidend.

4. Hat K nach § 929 S. 1 BGB Eigentum an dem Volvo erlangt?

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) eine Einigung über den Eigentumsübergang, (2) die Übergabe der Sache und (3) die Verfügungsbefugnis (Berechtigung) des Veräußerers. Verfügungsbefugt ist grundsätzlich der Eigentümer der Sache und der Nichteigentümer, der mit Zustimmung des Berechtigten (Ermächtigung) im eigenen Namen über die Sache verfügt (§ 185 BGB). K und V haben sich geeinigt und V hat den Volvo an K übergeben. V war jedoch weder Eigentümerin des Volvos noch von E zur Verfügung über den Volvo ermächtigt (§ 185 BGB). Somit war sie nicht verfügungsbefugt.

5. Könnte K nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB Eigentum am Volvo erlangt haben?

Ja, in der Tat!

Der Erwerber einer Sache kann auch dann ihr Eigentümer werden, „wenn die Sache dem Veräußerer nicht gehört“ (§ 932 Abs. 1 S. 1 BGB). Durch diesen sogenannten gutgläubigen Erwerb kann die fehlende Verfügungsbefugnis des Veräußerers überwunden werden. Ein solcher gutgläubiger Erwerb nach § 932 BGB setzt grundsätzlich voraus, dass (1) der Erwerber nicht bösgläubig ist (§ 932 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, Abs. 2 BGB) und (2) die Sache nicht abhandengekommen ist (§ 935 BGB).

6. Muss K beweisen, dass er bei Erwerb des Autos gutgläubig hinsichtlich der Berechtigung der V war?

Nein!

Der Erwerber wird auch beim Erwerb vom Nichtberechtigten Eigentümer, „es sei denn“ er war nicht gutgläubig (§ 932 Abs. 1 S. 1 BGB). BGH: Angesichts dieser Formulierung trage derjenige die Darlegungs- und Beweislast für die fehlenden Gutgläubigkeit, der den Eigentumserwerb bestreitet (Ausschließungsgrund). Umgekehrt müsse derjenige, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft, die Erwerbsvoraussetzungen des § 929 BGB beweisen, nicht aber seine Gutgläubigkeit. E als ursprüngliche Eigentümerin muss beweisen, dass K bösgläubig hinsichtlich der Berechtigung des V war (§ 932 Abs. 2 BGB). „es sei denn“-Formulierungen findest Du an verschiedenen Stellen im Gesetz, etwa in § 287 S. 2 Hs. 2 BGB oder § 1 Abs. 2 HGB.

7. Handelt, wer sich bei Erwerb eines Kfz die Zulassungsbescheinigung Teil II nicht vorlegen lässt, in der Regel grob fahrlässig im Sinne des § 932 Abs. 2 BGB?

Genau, so ist das!

BGH: Zu den Mindesterfordernissen für einen gutgläubigen Erwerb eines gebrauchten Kfz gehöre, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt. Aus der Nichtvorlage ergäben sich Verdachtsmomente, die den guten Glauben des Erwerbers ausschließen. Komme der Erwerber aber dieser Obliegenheit nach und werde ihm eine gefälschte Bescheinigung vorgelegt, treffen ihn keine weiteren Nachforschungspflichten, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch keine anderen Verdachtsmomente vorlagen.

8. Muss K deshalb zumindest beweisen, dass er sich bei Erwerb des Volvos die Zulassungsbescheinigung Teil II hat vorlegen lassen?

Nein, das trifft nicht zu!

Der Erwerber muss das Vorliegen der Erwerbsvoraussetzungen beweisen (§ 929 S. 1 BGB), der aus dem Eigentum Vertriebene die Bösgläubigkeit (§ 932 Abs. 1 S. 1 Hs. 2). Für den Eigentumserwerb durch Einigung und Übergabe gemäß § 929 S. 1 BGB kommt es auf die Zulassungsbescheinigung nicht an, weil das Eigentum an ihr analog § 952 BGB mit Erwerb des Fahrzeugs mitübergeht. Die Zulassungsbescheinigung ist deshalb nur für die Gutgläubigkeit (§ 932 Abs. 2 BGB) relevant. Die Beweislast für die Bösgläubigkeit wegen der behaupteten Nichtvorlage der Bescheinigung trägt aber derjenige, der den Eigentumserwerb bestreitet, also E.

9. Muss, obwohl der Prozessgegner darlegungs- und beweisbelastet ist, die nichtbeweisbelastete Partei im Zivilprozess unter bestimmten Voraussetzungen dennoch zur streitigen Tatsache vortragen?

Ja!

Im Zivilprozess trifft den Prozessgegner in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind. Dann muss der Prozessgegner zu der streitigen Tatsache substantiiert vortragen. Unterlässt er dies, gilt die streitige Tatsache als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Mehr als substantiiert vortragen muss er aber nicht – die sekundäre Darlegungslast ist keine Beweislastumkehr!

10. Muss, weil die E beweisbelastet ist, sich K zur streitigen Tatsache der (Nicht-)Vorlage der Bescheinigung bei Erwerb des Volvos gar nicht äußern?

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Die Voraussetzungen der sekundären Darlegungslast seien im Verhältnis zwischen dem primär Darlegungsbelasteten, der die Gutgläubigkeit des Erwerbers bestreitet (E), und demjenigen, der sich auf den gutgläubigen Erwerb beruft (K), regelmäßig erfüllt. Die behauptete Nichtvorlage der Zulassungsbescheinigung sei eine negative Tatsache. Der den Eigentumserwerb Bestreitende habe regelmäßig keine Kenntnisse von dem Geschehensablauf des Erwerbsvorgangs, während dem Erwerber Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar seien. Dieser muss daher substantiiert zur Vorlage der Zulassungsbescheinigung vortragen.

11. Hat K gegen E einen Anspruch auf Herausgabe der originalen Zulassungsbescheinigung Teil II, wenn K im Prozess vorträgt, ihm sei eine (täuschend echte) Zulassungsbescheinigung vorgelegt worden und E nicht das Gegenteil beweisen kann?

Ja, in der Tat!

Durch seinen Vortrag ist K seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen. E kann nicht die Bösgläubigkeit (§ 932 II BGB) des K beweisen, sodass K gutgläubig Eigentum am Volvo (§§ 929 S. 1, 932 BGB) und analog § 952 BGB auch an der Zulassungsbescheinigung erlangt hat. Deren Besitzerin ist E, die gegenüber K kein Besitzrecht hat, sodass die Voraussetzungen von § 985 BGB erfüllt sind. Im Original trug die Klägerin vor, der Verkäufer habe eine hochwertige Fälschung der Bescheinigung vorgelegt, die ihr Mitarbeiter eingesehen habe. Damit kam sie ihrer sekundären Darlegungslast nach, sodass die Beklagte dies widerlegen müssen, was ihr nicht gelang.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Edward Hopper

Edward Hopper

6.3.2023, 20:35:12

Ergebnis ist doch klar, wie will man auch was beweisen was nicht stattgefunden hat. Negative Umstände lassen sich schwer nachweisen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.3.2023, 13:09:42

Hallo Edward, in der Tat hat die ursprüngliche Eigentümerin hier einen schweren Stand. Umso wichtiger ist hier, die Frage der Beweislastverteilung sauber zu klären, denn wie häufig in Zivilverfahren hängt daran der Ausgang des Prozesses. Geht man unbedarft mit dem Grundsatz an die Tatsache heran, dass jeder die für ihn günstigen Tatsachen darlegen und beweisen muss, könnte man hier leicht auf den Gedanken kommen, dass K die Vorlage der Zulassungsbescheinigung zu beweisen hätte. Deswegen eignet sich die Entscheidung schön, um noch einmal klarzustellen, dass nicht der Erwerber seine Gutgläubigkeit beweisen muss, sondern, aufgrund der negativen Formulierung in §

932

Abs. 2 BGB, derjenige, der den Eigentumserwerb bestreitet (idR der Eigentümer) die Bösgläubigkeit darlegen und ggfs. beweisen muss. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CH

Christopher

12.4.2023, 08:27:31

Hallo Jurafuchsrudel, in der Vertiefung am Anfang gibt ihr an dass die Formulierung „es sei denn“ zur

Beweislastumkehr

auch bei § 1 II HGB und § 287 BGB vorkommt. Aber muss nicht der „Kaufmann“ da beweisen, dass kein eingerichteter Gewerbebetrieb erforderlich ist ?? Gleiche beim Verzugsschuldner. Also ist doch da

Beweislastumkehr

andersrum oder? Vielen Dank im Voraus

SE.

se.si.sc

12.4.2023, 09:40:44

Zunächst mal: Ich nehme an, dass der Vertiefungshinweis in der Aufgabe allgemein dazu dient, ein Gespür für Beweislastverschiebungen und die recht häufigen "[...], es sei denn [...]"-Formulierungen im Zivilrecht zu vermitteln. Hin zu welcher der Parteien sich die Darlegungs- und Beweislast jetzt gerade verschiebt, spielt deshalb meines Erachtens keine Rolle. Inhaltlich hast du am Beispiel von § 1 II HGB richtig erkannt, dass die Norm das Vorliegen eines Handelsgewerbes vermutet, wenn ein Gewerbebetrieb vorliegt. Wer diese Vermutung widerlegen möchte (in aller Regel der "angebliche" Kaufmann, der sonst den strengeren Regeln des HGB unterworfen wird), kann dies tun, indem er darlegt und beweist, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Vergleichbare gilt für § 287 S 2 BGB. Hier wird es in aller Regel der Schuldner sein, der nicht für zufällige Schäden haften möchte. Er muss dann darlegen und beweisen, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten sein würde.

CH

Christopher

12.4.2023, 09:45:47

Danke für die Antwort. Dass Vertiefungshinweis allgemein gedacht war, war mir auch bewusst. Allerdings kann verbunden mit dem Fall, wo es ja gerade andersherum ist, der Eindruck entstehen, dass die Beispiele in der Vertiefung genauso gehandhabt werden. Das wollte ich nur nochmal zur Sicherheit wissen.

SE.

se.si.sc

12.4.2023, 14:39:44

Dann verstehe ich ehrlich gesagt nicht, was du mit "andersherum" meinst. Vielleicht kannst du das noch mal näher ausführen, also was soll zB konkret bei § 1 II HGB anders als bei §

932 BGB

sein?

CH

Christopher

12.4.2023, 15:00:58

Na hier muss der K bei §

932

I 1 nicht selber seine Gutgläubigkeit beweisen. Bzw dass er nicht bösgläubig war. Bei § 1 II HGB muss derjenige aber doch selber beweisen bzw die Vermutung selber aktiv widerlegen, dass ein eingerichteter Gewerbebetrieb nicht erforderlich ist oder hab ich n Knoten in meinen Gedanken? :)

SE.

se.si.sc

12.4.2023, 15:36:47

OK, ich glaube ich ahne, wo du den Unterschied siehst. Ich verstehe allerdings nach wie vor nicht, was dir diese Differenzierung bringt bzw in welche verschiedenen "Gruppen" du jetzt diese verschiedenen Vermutungen einteilen willst. Die "es sei denn-"Vermutungen können eben in beide Richtungen gehen, mal verlagern sie die Last auf den Anspruchsteller, mal auf den

Anspruchsgegner

. Und sogar bei derselben Regelung kann es mal der Anspruchsteller und mal der

Anspruchsgegner

sein, je nachdem, wie wir die Fälle stricken (Autofall/§

932

II BGB: E will Bescheinigung heraus --> Last beim

Anspruchsgegner

; E will Auto heraus --> Last beim Anspruchsteller). Viel wichtiger ist mE, dass die Darlegungs- und Beweislast abstrakt derjenige trägt, der sich auf die entsprechende Rechtsfolge beruft, plastischer: Jeder muss die für ihn günstigen Tatsachen darlegen und beweisen. Ob das jetzt gerade der Kaufmann, der Schuldner im Verzug, der (schützenswerte!) Erwerber oder sonstwer ist, spielt doch eigentlich nicht wirklich eine Rolle?

CH

Christopher

12.4.2023, 16:26:36

Es ging mir nur um den Nebensatz „es sei denn“ und dass dieser Ausdruck einer Vermutungsregel nicht immer in die gleiche Richtung geht. Man KÖNNTE ja denken, dass der Erwerber/Schuldner/Kaufmann/etc bei dieser Formulierung immer selber die Vermutung aktiv widerlegen muss. Das ist aber bei

932

II eben nicht der Fall; im Gegensatz zu § 1 II HGB und 287 BGB. Dass Vermutungsregeln mal so mal so sein können, darüber müssen wir nicht diskutieren. Es ging mir um die Formulierung. Und manch einer könnte dann denken, dass dann auch der Gläubiger bei 287 BGB beweisen muss, dass der Schaden nicht auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre oder dass derjenige der sich auf die Kaufmannseigenschaft seines Vertragspartners bzw. Gegner beruft selber beweisen muss dass er einen eingerichteten Gewerbebetrieb braucht. Macht aber da kein Sinn oder. Also wie du siehst: Gleiche Formulierung „es sei denn“ aber unterschiedliche Folgen.

RAP

Raphaeljura

15.4.2023, 10:59:37

Würde das auch zutreffen, wenn jemand ein Auto vom Autohändler zur Probe fährt und dann verschwindet und mittels einer Zulassungsbescheinigung Fälschung das Auto verkauft? Das Auto ist ja nicht abhanden gekommen, oder ?

AY

aylin.

17.12.2023, 23:29:45

Hätte auf den ersten Blick auch 935 abgelehnt, aber

Abhandenkommen

setzt einen unfreiwilligen Besitzverlust voraus. Nach Beendigung der vereinbarten Probezeit, stellt die unbefugte weitere Nutzung die Vorenthaltung des Besitzes dar, oder?

Kind als Schaden

Kind als Schaden

5.4.2024, 18:37:22

Tatsächlich liegt in den Fällen der Probefahrt ein freiwilliger Besitzverlust vor, da es ja (in 99% der Fällen) möglich gewesen wäre als Beifahrer mitzufahren.

SabrinaAusBerlin

SabrinaAusBerlin

22.5.2024, 10:08:55

Auch zur Problematik des Besitzverlustes bei Probefahrten: BGH, Urteil vom 18.9.2020 – V ZR 8/19 1.Ein Kaufinteressent, der eine Probefahrt mit einem Kraftfahrzeug unternimmt, ist nicht

Besitzdiener

des Verkäufers. 2.Die Überlassung eines Kraftfahrzeugs durch den Verkäufer zu einer unbegleiteten und auch nicht anderweitig überwachten Probefahrt eines Kaufinteressenten auf öffentlichen Straßen für eine gewisse Dauer (hier eine Stunde) ist keine Besitzlockerung, sondern führt zu einem freiwilligen Besitzverlust. 3.Wird das Fahrzeug in einem solchen Fall nicht zurückgegeben, liegt daher kein

Abhandenkommen

im Sinne des § 935 BGB vor. Lektüre der Entscheidung lohnt sich mE.

MARCE

Marcel13

18.10.2024, 14:44:11

Mir wird aus der Aufgabe nicht ganz klar, welche Funktion der §952, bzw.

952 BGB

analog genau hat. Er ist ja anscheinend kein

Herausgabeanspruch

, denn es wird einmal der

Herausgabeanspruch

an der KfZ Bescheinigung nach §985 geprüft und inzident der §985 hinsichtlich des Fahrzeugs. Wo genau ist der §952 analog unterzubringen, wenn nicht als Anspruchsgrundlage für die KfZ Bescheinigung?

TI

Tim

23.10.2024, 09:16:47

Die analoge Anwendung des

§ 952 BGB

dient hier dazu, die Prüfung eines etwaigen

Herausgabeanspruch

s nach § 985 BGB auf das KFZ überzuleiten und nicht bei der Prüfung der Zulassungsbescheinigung „stehen zu bleiben“. Ansonsten würde man in diesem Fall schon mangels Übergabe der Zulassungsbescheinigung zu dem Ergebnis kommen, dass kein Eigentum nach §§ 929,

932

erworben wurde und somit kein

Herausgabeanspruch

nach § 985 besteht. Dieses Ergebnis kann durch die analoge Anwendung des § 952 dahingehend korrigiert werden, dass auf den Vorgang der Eigentumsübertragung des Autos abgestellt werden kann (Das Recht an dem Papier, folgt dem Recht aus dem Papier). Hier erfolgte die Übergabe des Autos, die fehlende Verfügungsberichtigung des Veräußerers kann dann durch die Regelungen zum gutgläubigen Erwerb überwunden werden. Die Anspruchsgrundlage bleibt jedoch dieselbe (§ 985).

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

24.10.2024, 09:23:25

Hallo @[Marcel13](8452), @Tim hat Deine Frage schon gut beantwortet. Mangels Übergabe konnte K an der Zulassungsbescheinigung II noch kein Eigentum erwerben, ein dahingehender

Herausgabeanspruch

aus § 985 BGB würde also scheitern.

§ 952 BGB

(analog) verknüpft nun das eigentumsrechtliche Schicksal der Bescheinigung mit dem Schicksal des Autos:

Das Recht am Papier folgt dem Recht aus dem Papier

. Hier also: Das Eigentum an der Bescheinigung folgt dem Eigentum am Fahrzeug. Demzufolge prüfen wir anschließend, ob K Eigentümer des Pkw geworden ist - woraus sich dann letztlich eben auch das Eigentum an der Bescheinigung ergibt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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