Zivilrecht
Sachenrecht
Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen
Gutgläubiger, lastenfreier Erwerb (§ 936 BGB) – Vermieterpfandrecht
Gutgläubiger, lastenfreier Erwerb (§ 936 BGB) – Vermieterpfandrecht
12. Juli 2025
25 Kommentare
4,9 ★ (22.795 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V vermietet M eine Wohnung. M ist mit der Miete im Rückstand. M hat zwei Couches in seiner Wohnung: eine Luxuscouch und eine gewöhnliche Couch. Die Luxuscouch veräußert M an Kaufmann K. K, der weiß, dass M zur Miete wohnt, holt die Couch am selben Tag ab.
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Einordnung des Falls
Gutgläubiger, lastenfreier Erwerb (§ 936 BGB) – Vermieterpfandrecht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Couch war mit einem Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) des V belastet.
Ja!
2. K hat Eigentum an der Designercouch erlangt.
Genau, so ist das!
3. Als K Eigentum erworben hat, ist das Vermieterpfandrecht an der Couch erloschen (§ 936 BGB, gutgläubiger lastenfreier Erwerb).
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
bibu knows best
22.8.2022, 11:59:57
Also hat der Käufer Eigentum erworben jedoch belastetes?

Lukas_Mengestu
26.8.2022, 17:34:33
So ist es :-)

Fiona
15.6.2023, 14:17:02
Was für Folgen bringt belastetes Eigentum mit sich?
Dominic
10.8.2023, 08:33:44
Das würde ich auch gerne wissen.

Lukas_Mengestu
10.8.2023, 09:19:22
Hallo Fiona u. Dominic, das besitzlose
Vermieterpfandrechthat letztlich den gleichen Zweck wie das Faustpfandrecht (§§ 1204 ff. BGB). Es dient der Sicherung einer Forderung, genauer gesagt der Mietforderung. Kommt der Mieter seiner Verpflichtung zur Zahlung der Miete nicht nach, kann der Vermieter sein Pfandrecht verwerten. Dies erfolgt durch den Verkauf des Pfandes (§§ 1257, 1228 Abs. 1 BGB). Dieser erfolgt durch Versteigerung (§ 1235 Abs. 1 BGB). Der Eigentümer ist verpflichtet, das Pfand hierfür herauszugeben (§§ 1257, 12
31 BGB). Das belastete Eigentum birgt insofern die
Gefahr, das Eigentum daran zu verlieren (vgl. § 1242 Abs. 1 BGB). Dem Eigentümer steht zwar ein
Ablösungsrechtzu, d.h. er kann den Vermieter befriedigen (§ 1249 BGB). Dann steht er allerdings vor dem Problem, dass er selbst versuchen muss, sich das Geld vom säumigen Mieter zurückzuholen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CR7
17.1.2024, 17:20:01
Das wäre optimal, sowas als Vertiefungshinweis zu bringen oder als Folgefrage (Stichwort: Vernetztes Lernen!)
evanici
14.9.2023, 19:16:26
Ich verstehe das Schema leider nicht ganz :-(... Ich würde also zunächst ohne Rücksicht auf die Belastung schauen, ob der Erwerber Eigentum an der beweglichen Sache erworben hat. Das ist entweder wie hier "pur" (wäre (1)) oder gutgläubig (wäre (3)) möglich. Weiterhin müsste die Sache mit einem dinglichen Recht eines Dritten belastet sein (2), sprich: (3) ist grundsätzlich "aufgeteilt" in den gutgläubigen Erwerb (§§ 932 ff.) an der Sache einerseits und den "Modifikationen" in § 936 I S. 2, 3 für das Erlöschen des Rechts des Dritten andererseits. Weiterhin müsste sich der gute Glauben auch auf die Lastenfreiheit beziehen (4) und keine Ausnahme i.S.d. § 936 vorliegen.
§ 935analog deswegen, weil hier ein
Abhandenkommenin Bezug auf die Belastung hinsichtlich des Dritten geprüft wird und nicht das Eigentum selbst (6). Ist das so richtig? Das Schema deckt also einerseits Konstellationen ab, in denen der Eigentumserwerb einer belasteten Sache "normal" nach § 929 S. 1 vom grundsätzlich Berechtigten erfolgt, allerdings die Belastung vom Veräußerer nicht erwähnt wird. Gleichzeitig könnte es aber auch sein, dass die Sache selbst schon gutgläubig erworben wurde und dann noch zusätzlich aber die Frage im Raum steht, ob auch die Belastung wegerworben wurde, dann gäbe es aber für den guten Glauben des Erwerbers zwei Unterschiedliche Bezugspunkte (an Eigentümerstellung des Veräußerers bzw. korrespondierenden Rechtsscheinstatbestand einerseits sowie guter Glaube an Nichtbestehen der Belastung andererseits). Insoweit kommt es hier nur auf § 936 I 1 an (in (3)). An der Gutgläubigkeit hinsichtlich des
Vermieterpfandrechts scheitert es ja hier. Wäre dies nicht der Fall, wäre die Ausnahme in § 936 II ebensowenig einschlägig. Würde man bei einem gesetzlichen besitzlosen Pfandrecht dann denn ein
Abhandenkommenbeim Vermieter grundsätzlich bejahen oder verneinen, wenn der Mieter sein Eigentum veräußert? Kann es sein, dass § 936 also einfach nur unglaublich viele Fälle abdeckt (gutgläubig/nicht gutgläubig kombiniert mit Erlöschen/Nichterlöschen der
Rechte Dritter), die in §§ 929 ff. jeweils in einer einzigen Norm bzw. einem (Ab)Satz verarbeitet sind?
evanici
14.9.2023, 19:25:31
Also kürzer: Ich verstehe nicht, warum §§ 932 ff. im Schema nochmal eine Rolle spielt in (3)...
Leo Lee
16.9.2023, 16:51:02
Hallo evanici, die §§ 932 ff. spielen deshalb eine Rolle, weil § 936 im Grunde denjenigen, der gutgläubig Eigentum erwirbt, auch umfassend vor Drittrechten schützen will. Dafür muss er aber allen voran gutgläubig bzgl. des vermeintlichen Eigentums des Veräußerers gewesen sein. Nur wenn diese „Grundvoraussetzung“ gegeben ist, kann man dann über das Erlöschen von Drittrechten aufgrund Gutgläubigkeit auch bezogen hierauf reden. Sprich, wenn er bösgläubig ist bzgl. des Eigentums, kann er erst recht nicht bzgl. des Drittrechts geschützt werden über § 936. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB, 9. Auflage Oechsler § 936 Rn. 2 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Paul Hendewerk
4.6.2025, 20:01:41
Ist das fehlende Abhandekommen nach
§ 935I BGB analog für den gutgläubigen lastenfreien Eigentumserwerb an einer beweglichen Sache wirklich erforderlich? Das
Vermieterpfandrechtnach § 562 I BGB ist ja im Gegensatz zum
Werkunternehmerpfandrechtnach § 647 BGB ein besitzloses Pfandrecht. Bei einem besitzlosen Pfandrecht leuchtet es jetzt nicht unbedingt ein, darauf abzustellen, ob der Besitzverlust des Mieters an der Sache dem Willen des Vermieters entsprach. Im Schema wird das aber Prüfungspunkt angeführt.
Paul Hendewerk
4.6.2025, 20:41:56
Also nachdem ich mich mit dem Problem jetzt ein bisschen beschäftigt habe, würde ich sagen, dass es in § 562a S. 1 BGB eine spezielle Regelung zum Erlöschen des
Vermieterpfandrechts gibt, die der analogen Anwendung des
§ 935BGB vorgeht, zumal
§ 935BGB beim besitzlosen
Vermieterpfandrechtnicht wirklich Sinn ergibt. Im Übrigen würde ich mich freuen, wenn die Problematik des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs beweglicher Sachen auf Jurafuchs weiter ausgebaut würde.

Sebastian Schmitt
12.6.2025, 15:32:17
Hallo @[Paul Hendewerk](274540), die wirklich ganz hM wendet
§ 935I BGB analog auf den gutgläubigen lastenfreien Erwerb an. Beim "normalen" gutgläubigen Erwerb soll der Rechtsinhaber nach der Wertung des
§ 935I 1 BGB sein Recht bei
Abhandenkommenja nicht verlieren, weil es dann ihm ggü an einem "Zurechnungselement" fehlt und er schutzwürdiger ist. Das ist im Kern auch die Begründung für die analoge Anwendung auf Fälle des
§ 936 BGB, ergänzt um rechtshistorische Argumente (ausführlich zum Ganzen BeckOGK-BGB/Klinck, Stand 1.3.2025, § 936 Rn 22). Das pauschal abzulehnen, halte ich dementsprechend für kaum vertretbar, jedenfalls ohne sehr gute und detaillierte Begründung, die zumindest in einer Klausur und unter dem gegebenen Zeitdruck kaum zu leisten wäre. Deinen Vergleich zu § 562a S 1 BGB, insbesondere das von Dir angenommene "Vorrangverhältnis", kann ich offen gesagt nicht wirklich nachvollziehen, zumal Du dafür keine wirkliche Begründung lieferst. Was spricht dagegen, dass die Erlöschensfälle in § 562a S 1 BGB und
§ 936 BGBeinfach nebeneinander anwendbar sind? § 562a BGB bildet nach diesem Verständnis eben einen besonderen, zusätzlichen (im
SchuldR geregelten) Erlöschensgrund, der neben die allgemeinen Erlöschengründe tritt, darunter auch den (sachenrechtlichen)
§ 936 BGB. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team