Zivilrecht

Sachenrecht

Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen

Gutgläubiger, lastenfreier Erwerb (§ 936 BGB) – Vermieterpfandrecht

Gutgläubiger, lastenfreier Erwerb (§ 936 BGB) – Vermieterpfandrecht

11. November 2025

27 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V vermietet M eine Wohnung. M ist mit der Miete im Rückstand. M hat zwei Couches in seiner Wohnung: eine Luxuscouch und eine gewöhnliche Couch. Die Luxuscouch veräußert M an Kaufmann K. K, der weiß, dass M zur Miete wohnt, holt die Couch am selben Tag ab.

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Einordnung des Falls

Gutgläubiger, lastenfreier Erwerb (§ 936 BGB) – Vermieterpfandrecht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Couch war mit einem Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) des V belastet.

Ja!

Die Entstehung eines Vermieterpfandrechts (§ 562 BGB) hat folgende Voraussetzungen: (1) Mietvertrag über Grundstücke oder Räume, (2) Forderung des Vermieters aus dem Mietverhältnis, (3) Einbringung einer Sache in den Mietbereich, (4) Eigentum des Mieters an der Sache, (5) Keine Unpfändbarkeit der Sache, (6) Kein Erlöschen des Vermieterpfandrechts (§ 562a BGB). Ein Mietvertrag über Wohnraum liegt vor. Aus diesem hat V offene Forderungen. M hat die Designercouch als Eigentümer in die Wohnung eingebracht. Die Luxuscouch ist auch nicht unpfändbar (§ 811 ZPO). Das Pfandrecht ist auch nicht nach § 562a S. 1 BGB erloschen: V wusste nichts von der Entfernung.
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2. K hat Eigentum an der Designercouch erlangt.

Genau, so ist das!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. M und K haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. M hat K die Couch übergeben. M und K waren zum Zeitpunkt der Übergabe einig, dass das Eigentum an K übergehen solle. M war verfügungsbefugt. Die Belastung der Sache mit dem Vermieterpfandrecht des V steht dem Eigentumserwerb nicht entgegen.

3. Als K Eigentum erworben hat, ist das Vermieterpfandrecht an der Couch erloschen (§ 936 BGB, gutgläubiger lastenfreier Erwerb).

Nein, das trifft nicht zu!

Der gutgläubige lastenfreie Erwerb (§ 936 BGB) setzt voraus: (1) Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglicher Sache, (2) Belastung der Sache mit einem dinglichen Recht eines Dritten, (3) Besitzerwerb des Erwerbers entsprechend den Voraussetzungen der §§ 932ff., 936 Abs. 1 S. 2, 3 BGB, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers hinsichtlich der Lastenfreiheit, § 936 Abs. 2 BGB, (5) Kein Ausnahmefall gem. § 936 Abs. 3, (6) Kein Abhandenkommen der Sache vom Rechtsinhaber, § 935 analog. K hat nach § 929 S. 1 BGB Eigentum erworben. Dieses war mit dem Vermieterpfandrecht des V belastet. K hat Besitz an der Couch erlangt. K wusste nicht positiv, dass die Couch mit dem Vermieterpfandrecht belastet war. Wer in Mieträumen befindliche Sachen erwirbt, muss nach der Rspr. (BGH, 03.02.2011 - IX ZR 132/10) aber in der Regel mit einem Vermieterpfandrecht rechnen. Da das Vermieterpfandrecht aber ein besitzloses Pfandrecht ist, können nach a.A. von einem Laien keine Kenntnisse über das Vermieterpfandrecht verlangt werden, sodass nur bei unternehmerisch tätigen Käufern grobe Fahrlässigkeit vorliegen soll (MüKoBGB/Oechsler, 8. A. 2020, § 936 RdNr. 12). Da er hier jedoch Kaufmann ist, war K nach beiden Ansichten in grob fahrlässiger Unkenntnis und damit bösgläubig (§§ 936 Abs. 2, 932 Abs. 2 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BBE

bibu knows best

22.8.2022, 11:59:57

Also hat der Käufer Eigentum erworben jedoch belastetes?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.8.2022, 17:34:33

So ist es :-)

Fiona

Fiona

15.6.2023, 14:17:02

Was für Folgen bringt belastetes Eigentum mit sich?

DO

Dominic

10.8.2023, 08:33:44

Das würde ich auch gerne wissen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.8.2023, 09:19:22

Hallo Fiona u. Dominic, das besitzlose Vermieterpfandrecht hat letztlich den gleichen Zweck wie das Faustpfandrecht (§§ 1204 ff. BGB). Es dient der Sicherung einer Forderung, genauer gesagt der Mietforderung. Kommt der Mieter seiner Verpflichtung zur Zahlung der Miete nicht nach, kann der Vermieter sein Pfandrecht verwerten. Dies erfolgt durch den Verkauf des Pfandes (§§ 1257, 1228 Abs. 1 BGB). Dieser erfolgt durch Versteigerung (§ 1235 Abs. 1 BGB). Der Eigentümer ist verpflichtet, das Pfand hierfür herauszugeben (§§ 1257, 12

31 BGB

). Das belastete Eigentum birgt insofern die Gefahr, das Eigentum daran zu verlieren (vgl. § 1242 Abs. 1 BGB). Dem Eigentümer steht zwar ein Ablösungsrecht zu, d.h. er kann den Vermieter befriedigen (§ 1

249 BGB

). Dann steht er allerdings vor dem Problem, dass er selbst versuchen muss, sich das Geld vom säumigen Mieter zurückzuholen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CR7

CR7

17.1.2024, 17:20:01

Das wäre optimal, sowas als Vertiefungshinweis zu bringen oder als Folgefrage (Stichwort: Vernetztes Lernen!)

EVA

evanici

14.9.2023, 19:16:26

Ich verstehe das Schema leider nicht ganz :-(... Ich würde also zunächst ohne Rücksicht auf die Belastung schauen, ob der Erwerber Eigentum an der beweglichen Sache erworben hat. Das ist entweder wie hier "pur" (wäre (1)) oder gutgläubig (wäre (3)) möglich. Weiterhin müsste die Sache mit einem dinglichen Recht eines Dritten belastet sein (2), sprich: (3) ist grundsätzlich "aufgeteilt" in den gutgläubigen Erwerb (§

§ 932

ff.) an der Sache einerseits und den "Modifikationen" in § 936 I S. 2, 3 für das Erlöschen des Rechts des Dritten andererseits. Weiterhin müsste sich der gute Glauben auch auf die Lastenfreiheit beziehen (4) und keine Ausnahme i.S.d. § 936 vorliegen. § 935 analog deswegen, weil hier ein

Abhandenkommen

in Bezug auf die Belastung hinsichtlich des Dritten geprüft wird und nicht das Eigentum selbst (6). Ist das so richtig? Das Schema deckt also einerseits Konstellationen ab, in denen der Eigentumserwerb einer belasteten Sache "normal" nach § 929 S. 1 vom grundsätzlich Berechtigten erfolgt, allerdings die Belastung vom Veräußerer nicht erwähnt wird. Gleichzeitig könnte es aber auch sein, dass die Sache selbst schon gutgläubig erworben wurde und dann noch zusätzlich aber die Frage im Raum steht, ob auch die Belastung wegerworben wurde, dann gäbe es aber für den guten Glauben des Erwerbers zwei Unterschiedliche Bezugspunkte (an Eigentümerstellung des Veräußerers bzw. korrespondierenden Rechtsscheinstatbestand einerseits sowie guter Glaube an Nichtbestehen der Belastung andererseits). Insoweit kommt es hier nur auf § 936 I 1 an (in (3)). An der Gutgläubigkeit hinsichtlich des Vermieterpfandrechts scheitert es ja hier. Wäre dies nicht der Fall, wäre die Ausnahme in § 936 II ebensowenig einschlägig. Würde man bei einem gesetzlichen besitzlosen Pfandrecht dann denn ein

Abhandenkommen

beim Vermieter grundsätzlich bejahen oder verneinen, wenn der Mieter sein Eigentum veräußert? Kann es sein, dass § 936 also einfach nur unglaublich viele Fälle abdeckt (gutgläubig/nicht gutgläubig kombiniert mit Erlöschen/Nichterlöschen der Rechte Dritter), die in §§ 929 ff. jeweils in einer einzigen Norm bzw. einem (Ab)Satz verarbeitet sind?

EVA

evanici

14.9.2023, 19:25:31

Also kürzer: Ich verstehe nicht, warum §

§ 932

ff. im Schema nochmal eine Rolle spielt in (3)...

LELEE

Leo Lee

16.9.2023, 16:51:02

Hallo evanici, die §

§ 932

ff. spielen deshalb eine Rolle, weil § 936 im Grunde denjenigen, der gutgläubig Eigentum erwirbt, auch umfassend vor Drittrechten schützen will. Dafür muss er aber allen voran gutgläubig bzgl. des vermeintlichen Eigentums des Veräußerers gewesen sein. Nur wenn diese „Grundvoraussetzung“ gegeben ist, kann man dann über das Erlöschen von Drittrechten aufgrund Gutgläubigkeit auch bezogen hierauf reden. Sprich, wenn er

bösgläubig

ist bzgl. des Eigentums, kann er erst recht nicht bzgl. des Drittrechts geschützt werden über § 936. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB, 9. Auflage Oechsler § 936 Rn. 2 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

PAUHE

Paul Hendewerk

4.6.2025, 20:01:41

Ist das fehlende Abhandekommen nach § 935 I BGB analog für den gutgläubigen lastenfreien Eigentumserwerb an einer beweglichen Sache wirklich erforderlich? Das Vermieterpfandrecht nach § 562 I BGB ist ja im Gegensatz zum

Werkunternehmerpfandrecht

nach § 647 BGB ein

besitzloses Pfandrecht

. Bei einem besitzlosen Pfandrecht leuchtet es jetzt nicht unbedingt ein, darauf abzustellen, ob der Besitzverlust des Mieters an der Sache dem Willen des Vermieters entsprach. Im Schema wird das aber Prüfungspunkt angeführt.

PAUHE

Paul Hendewerk

4.6.2025, 20:41:56

Also nachdem ich mich mit dem Problem jetzt ein bisschen beschäftigt habe, würde ich sagen, dass es in § 562a S. 1 BGB eine spezielle Regelung zum Erlöschen des Vermieterpfandrechts gibt, die der analogen Anwendung des

§ 935 BGB

vorgeht, zumal

§ 935 BGB

beim besitzlosen Vermieterpfandrecht nicht wirklich Sinn ergibt. Im Übrigen würde ich mich freuen, wenn die Problematik des gutgläubigen lastenfreien Erwerbs beweglicher Sachen auf Jurafuchs weiter ausgebaut würde.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

12.6.2025, 15:32:17

Hallo @[Paul Hendewerk](274540), die wirklich ganz hM wendet § 935 I BGB analog auf den gutgläubigen lastenfreien Erwerb an. Beim "normalen" gutgläubigen Erwerb soll der Rechtsinhaber nach der Wertung des § 935 I 1 BGB sein Recht bei

Abhandenkommen

ja nicht verlieren, weil es dann ihm ggü an einem "Zurechnungselement" fehlt und er schutzwürdiger ist. Das ist im Kern auch die Begründung für die

analoge Anwendung

auf Fälle des

§ 936 BGB

, ergänzt um rechtshistorische Argumente (ausführlich zum Ganzen BeckOGK-BGB/Klinck, Stand 1.3.2025, § 936 Rn 22). Das pauschal abzulehnen, halte ich dementsprechend für kaum vertretbar, jedenfalls ohne sehr gute und detaillierte Begründung, die zumindest in einer Klausur und unter dem gegebenen Zeitdruck kaum zu leisten wäre. Deinen Vergleich zu § 562a S 1 BGB, insbesondere das von Dir angenommene "Vorrangverhältnis", kann ich offen gesagt nicht wirklich nachvollziehen, zumal Du dafür keine wirkliche Begründung lieferst. Was spricht dagegen, dass die Erlöschensfälle in § 562a S 1 BGB und

§ 936 BGB

einfach nebeneinander anwendbar sind? § 562a BGB bildet nach diesem Verständnis eben einen besonderen, zusätzlichen (im SchuldR geregelten) Erlöschensgrund, der neben die allgemeinen Erlöschengründe tritt, darunter auch den (

sachenrecht

lichen)

§ 936 BGB

. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

SEL

Selina

14.10.2025, 08:07:14

Prüfe ich das alles inzident unter den Voraussetzungen des §§ 929,

936 BGB

, als Frage "Hat M lastenfrei Eigentum erwerben", oder muss ich das auch so differenziert darstellen (Eigentumserwerb nach

§ 929 BGB

und dann

§ 936 BGB

) unter der Frage "Hat M Eigentum erworben **und** ist die Forderung des V nach

§ 936 BGB

erloschen"?

Foxxy

Foxxy

14.10.2025, 08:07:19

Du solltest die Prüfung differenziert vornehmen: Zuerst prüfst du den Eigentumserwerb nach

§ 929 BGB

, also ob die Voraussetzungen wie Einigung, Übergabe etc. vorliegen. Danach prüfst du unter dem Punkt „Erlöschen des Vermieterpfandrechts“ gesondert, ob das Pfandrecht nach

§ 936 BGB

erloschen ist. Nur so kannst du klar darstellen, dass das Eigentum zwar übergeht, aber das Vermieterpfandrecht grundsätzlich bestehen bleibt, sofern kein

gutgläubiger lastenfreier Erwerb

vorliegt. Beide Fragen – Eigentumserwerb und Erlöschen der Belastung – sind also getrennt zu prüfen.


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