Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Entscheidungen von 2021
Beschränkung der Aufstellung eines Lautsprecherwagens im Rahmen einer Versammlung
Beschränkung der Aufstellung eines Lautsprecherwagens im Rahmen einer Versammlung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V veranstaltete eine Versammlung vor dem Bundeskanzleramt. Bei der Anmeldung gab er an, einen PKW mit einer Lautsprecheranlage auf einem Anhänger verwenden zu wollen. Ein Abstellort sollte V vor Ort zugewiesen werden. Am Tag der Versammlung wurde ihm das Abstellen aber untersagt.
Diesen Fall lösen 79,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Beschränkung der Aufstellung eines Lautsprecherwagens im Rahmen einer Versammlung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V möchte nach Ende der Versammlung die Rechtswidrigkeit der Untersagung feststellen lassen. Statthaft ist die Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. V hat das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse, da eine entsprechende Untersagung auch bei anderen zukünftig von ihm veranstalteten Versammlungen mit dem Lautsprecherwagen ergehen könnte.
Genau, so ist das!
3. Ermächtigungsgrundlage für die Untersagungsverfügung ist § 14 Abs. 1 Versammlungsfreiheitsgesetz (VersFG Bln) .
Ja, in der Tat!
4. Der Tatbestand des § 14 Abs. 1 VersFG Bln ist erfüllt, wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliegt.
Nein!
5. Ob eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit nach § 14 Abs. 1 VersFG Bln vorliegt, ermittelt die Behörde anhand konkreter Tatsachen.
Genau, so ist das!
6. Der PKW mit dem Anhänger kann ein Hindernis für den Verkehr darstellen und auch zu Unfällen führen. Insoweit sind Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit betroffen.
Ja, in der Tat!
7. An Straßen ist regelmäßig hohes Verkehrsaufkommen zu erwarten. Das Abstellen des Lautsprecherwagens hätte daher eine unmittelbare Gefahr für Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs verursacht.
Nein!
8. Laut Polizei waren Radfahrer wegen des abgestellten Lautsprecherwagens zu Überholmanövern gezwungen. Dies allein begründet eine unmittelbare Gefahr für ihre körperliche Unversehrtheit.
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Die Untersagungsverfügung könnte auch an Ermessensfehlern (§ 114 S. 1 VwGO) leiden. Im Rahmen der Ermessensausübung ist insbesondere die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu prüfen.
Ja, in der Tat!
10. Bei versammlungsrechtlichen Maßnahmen muss die besondere Bedeutung der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) für die freiheitliche Demokratie berücksichtigt werden.
Ja!
11. Die Versammlungsfreiheit umfasst auch die Freiheit, im Rahmen von Versammlungen zu deren Unterstützung Lautsprecherwagen aufzustellen.
Genau, so ist das!
12. Die Polizei bezweckte den Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Verkehrsteilnehmern und die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Um dies zu erreichen, war die Untersagung erforderlich.
Nein, das trifft nicht zu!
13. Mangels verfügbarer Polizeikräfte konnten entsprechende Maßnahmen nicht getroffen werden. Unter diesen Umständen war die Untersagung erforderlich.
Nein!
14. Die Klage ist begründet.
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Isabell
4.5.2021, 19:32:49
Evtl. habe ich einfach ein falsches Bild vom Ablauf der Versammlung im Kopf. Ist es Versammlungen nicht immanent, dass an deren Veranstaltungsort der dort üblicherweise vorkommende Verkehr in seinem Fluss gestört wird? Ich wäre jetzt auch nicht auf die Idee gekommen, mit meinem Rad durch eine Versammlung zu fahren. Seltsame Begründungsversuche.
Lukas_Mengestu
5.5.2021, 13:51:23
Hallo Isabell, in dem entsprechenden Fall würde ich Dir absolut zustimmen. Diese behördliche Auffassung wurde vom VG ja auch entsprechend korrigiert :D. Der Belang der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs sollte in dem Kontext von Versammlungen bei behördlichen Entscheidungen aber im Grundsatz immer mit bedacht werden. Denn im
Einzelfall, kann die Versammlungsfreiheit durchaus dahinter zurücktreten (damit wurde zB ein Fahrradaufzug auf der A555 untersagt, OVG MÜnster, Beschl. v. 3.11.2017 - 15 B 1370/17). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lukas_Mengestu
5.5.2021, 13:51:24
Hallo Isabell, in dem entsprechenden Fall würde ich Dir absolut zustimmen. Diese behördliche Auffassung wurde vom VG ja auch entsprechend korrigiert :D. Der Belang der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs sollte in dem Kontext von Versammlungen bei behördlichen Entscheidungen aber im Grundsatz immer mit bedacht werden. Denn im
Einzelfall, kann die Versammlungsfreiheit durchaus dahinter zurücktreten (damit wurde zB ein Fahrradaufzug auf der A555 untersagt, OVG MÜnster, Beschl. v. 3.11.2017 - 15 B 1370/17). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Sambadi
9.4.2022, 19:33:36
Wäre das hier eigentlich auch eine Versammlung in einem befriedeten Bezirk? Und wenn ja - ändert das irgendwas an der Lösung?
Lukas_Mengestu
11.4.2022, 18:28:24
Hallo Sambadi, in befriedeten Bezirken gilt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, d.h. das Abhalten einer Versammlung ist dort grundsätzlich verboten, sofern diese nicht im
Einzelfallerlaubt ist. Dabei ist maßgeblich der Schutzzweck zu beachten, nämlich in der Regel die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des entsprechenden Organs aufrechtzuerhalten. Kann dies gewährleistet werden, so ist auch eine Versammlung zulässig (vgl. zum Beispiel § 3 Abs. 1 S. 1 Befriedungs-Bezirksgesetz). Für das Kanzleramt ist kein befriedeter Bezirk ausgewiesen (vgl. Anlage). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Doli
15.6.2023, 22:45:41
Würde man eine unverhältnismäßige Maßnahme als Ermessensüberschreitung oder
Ermessensfehlgebraucheinordnen?
Rick-energie🦦
25.7.2023, 21:39:38
Eher technisches Problem: Mir wird neuerdings angezeigt, dass ein Fehler im Java-Skript vorliegt, wenn ich die Links zu den Landesgesetzen anklicke. Irgendwer eine Idee? Wie funzt das eig; greift JuraFuchs auf den Handybrowser zu, dass ich da was umstellen müsste? Bin bissl lost das Problem zu fixen....
Dodo
28.2.2024, 17:42:17
welchen sinn und zweck soll die abstimmungsfunktion ermöglichen?
Lukas_Mengestu
4.3.2024, 15:17:04
Hallo Dodo, häufig gibt es nicht nur eine offensichtlich richtige Lösung. Die Abstimmungsfunktion bei der aktuellen Rechtsprechung soll euch dazu anregen, euch selbst noch einmal mit der Entscheidung auseinanderzusetzen und ggfs. im Forum darüber auszutauschen, ob - und falls ja mit welchen Argumenten - man im betreffenden Fall ggfs. auch zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Denn letztlich geht es uns nicht darum, euch
Einzelfallwissen näher zu bringen, sondern euch darin zu schulen, juristisch zu argumentieren :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team