Tenorierung einer Klage gem. § 255 ZPO
9. Mai 2023
9 Kommentare
4,6 ★ (8.485 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K ist Eigentümer eines Chorarchivs und begehrt dessen Herausgabe von B nach § 985 BGB im Klagewege. In einem Rechtsstreit möchte er gleichzeitig Schadensersatz geltend machen, falls B das Archiv nicht herausgibt. B bestreitet das Eigentum des K.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Tenorierung einer Klage gem. § 255 ZPO
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Sind auf den Anspruch des K aus § 985 BGB §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB anwendbar?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Kann K im Rechtsstreit mit B gleichzeitig die Ansprüche auf Herausgabe des Chorarchivs und auf Schadensersatz wegen Nichtherausgabe geltend machen?
Ja, in der Tat!
3. Kann K durchsetzen, dass das Gericht dem B im Urteil eine Frist zur Herausgabe im Sinne des § 281 BGB setzt?
Ja!
4. Kann K, obwohl noch nicht alle Anspruchsvoraussetzungen der §§ 985, 281 Abs. 1 BGB vorliegen, den Anspruch bereits jetzt klageweise geltend machen?
Genau, so ist das!
5. Erlischt das Wahlrecht des Klägers zwischen Herausgabe und Schadensersatz immer durch die Klageerhebung?
Nein, das trifft nicht zu!
6. Muss K, um sich das Wahlrecht zu erhalten, dies ausdrücklich beantragen?
Ja!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Carlita
25.3.2021, 22:54:02
Toller Überblick, aber die vorletzte Frage ist insbesondere für Leute, die den Fall kennen, missverständlich. Denn im konkreten Fall ist das Wahlrecht des K durch Klageerhebung erloschen - weil er sich die Wahl in seinem
Klageantragnicht offen gelassen hat. Vielleicht die Frage abstrakter formulieren :)

Lukas_Mengestu
10.12.2021, 10:55:27
Vielen Dank für Carlita, wir haben das jetzt ein wenig abstrakter formuliert, um Missverständnissen vorzubeugen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team :

DerChristoph
19.6.2024, 09:34:23
Woraus ergibt sich die weitere Rechtsfolge, wenn das Wahlrecht zugunsten des Schadensersatzes ausgeübt wurde? Bislang wäre K ja weiterhin Eigentümer, der aber durch den Schadensersatz "befriedigt" wurde. Kann er weiterhin - ggf. durch einen neuen Prozess -
Besitzverschaffungfordern und hätte dann den erlangten Schadensersatz wieder herauszuzahlen? Oder gibt er durch Ausübung des Wahlrechtes auch sein Eigentum auf?

Nils
3.10.2024, 03:37:13
Das müsste von der materiellen Rechtskraft des
Urteils erfasst sein, wonach der Inhalt eines formell rechtskräftigen
Urteils nicht erneut zum Gegenstand eines Verfahrens werden kann, also „unantastbar“ ist. Schau mal hier: https://www.uni-trier.de/fileadmin/fb5/prof/BRZIPR/veranstaltungen/examen/examen_mat145erg.pdf
Rechtsanwalt B. Trüger
16.10.2024, 08:57:29
Ich stehe leider komplett auf dem Schlauch. Wieso kann hier wahlweise auch SE nach § 281 gefordert werden. Worin liegt das vertragliche
Schuldverhältniszwischen den Parteien? Was übersehe ich?

Sebastian Schmitt
26.10.2024, 10:33:23
Hallo @[Rechtsanwalt B. Trüger](208842), § 280 I BGB erfordert ein "
Schuldverhältnis" - das muss aber kein vertragliches, sondern kann auch ein gesetzliches sein! Das Verhältnis zum EBV nach §§ 989 ff BGB ist in den Details umstritten. Anwendbar ist § 280 I BGB aber nach hM jedenfalls dann, wenn das EBV "Regelungslücken" enthält (so BeckOGK-BGB/Riehm, Stand: 01.08.2023, § 280 Rn 61). Gibt B das Chorarchiv trotz Fristablaufs nicht heraus, hat K daher grds die Wahl, ob er er seinen
Herausgabeanspruchaus § 985 BGB weiter verfolgen oder stattdessen Schadensersatz wegen Verletzung dieses
Herausgabeanspruchs geltend machen will. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

G0d0fMischief
26.1.2025, 14:11:16
Worin liegt denn der Unterschied zwischen einem Vorenthaltungsschaden nach §§ 990 II, 286 BGB und einem Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Herausgabe nach §§ 985, 280 I, 281 I BGB? Welchen Schaden decken die §§ 985, 280 I, 281 I BGB denn im vorliegenden Fall ab, den §§ 990 II, 280 I, II, 286 BGB nicht erfassen würde? Ich hatte auch im Kopf, dass § 280 I BGB auf § 985 BGB (anders als
§ 1004 BGB) Anwendung findet. Aber jetzt stellt sich mir die Frage, warum §§ 990 II, 280 I, II, 286 BGB nicht ausreichend Schutz bieten?

G0d0fMischief
26.1.2025, 14:15:36
Ich habe gerade auch mal nachgeschaut: https://verlag.jura-intensiv.de/media/pdf/2d/c5/8f/Entscheidung-des-Monats_RA-09-16.pdf In der RA wird am Ende festgestellt, dass ein Anspruch aus §§ 990 II, 280 I, II, 286 BGB besteht. Jedoch wird vom Autor hier entgegengesetzt, dass dies der Natur des Verzögerungsschadens widerspreche, da dieser nur Schäden ersetzen soll, die auch bei hinzugedachter Erfüllung bestehen bleiben. Nur Frage ich mich, für welche Fälle denn dann i.R.d. §§ 990 II, 280 I, II, 286 BGB noch Raum bliebe? Könntet ihr hier in dieser Aufgabe vielleicht noch auf die §§ 990 II, 280 I, II, 286 BGB eingehen?

G0d0fMischief
26.1.2025, 14:16:24
Ich habe gerade auch mal nachgeschaut: https://verlag.jura-intensiv.de/media/pdf/2d/c5/8f/Entscheidung-des-Monats_RA-09-16.pdf In der RA wird am Ende festgestellt, dass ein Anspruch aus §§ 990 II, 280 I, II, 286 BGB besteht. Jedoch wird vom Autor hier entgegengesetzt, dass dies der Natur des Verzögerungsschadens widerspreche, da dieser nur Schäden ersetzen soll, die auch bei hinzugedachter Erfüllung bestehen bleiben. Nur Frage ich mich, für welche Fälle denn dann i.R.d. §§ 990 II, 280 I, II, 286 BGB noch Raum bliebe? Könntet ihr hier in dieser Aufgabe vielleicht noch auf die §§ 990 II, 280 I, II, 286 BGB eingehen?