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Der Besitzschutz
Besitzschutz unter Miterben bei verbotener Eigenmacht – § 861 Abs. 1 BGB
Besitzschutz unter Miterben bei verbotener Eigenmacht – § 861 Abs. 1 BGB
5. Juli 2025
18 Kommentare
4,8 ★ (37.767 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
S und M bilden eine Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB). Zum Nachlass des Erblassers E gehören ein Wohnhaus und die darin befindlichen Gegenstände. M sieht ihr Erbe gefährdet und bringt daher eine Skulptur aus dem Wohnhaus „zur Sicherheit“ in ihren Besitz.
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Einordnung des Falls
Besitzschutz unter Miterben bei verbotener Eigenmacht – § 861 Abs. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S hatte Besitz an der Skulptur, bevor M sie an sich genommen hat.
Ja, in der Tat!
2. M hat dem S den Mitbesitz an der Skulptur durch verbotene Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB) entzogen.
Ja!
3. Wegen § 866 BGB findet unter den Mitbesitzern S und M kein Besitzschutz statt. Die lässt die verbotene Eigenmacht der M entfallen.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Die Erbengemeinschaft hat einen Anspruch auf Herausgabe der Skulptur aus § 861 Abs. 1 BGB gegen M, den S für die Erbengemeinschaft geltend machen kann.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Willy Beachum
24.2.2020, 09:58:48
Tolles Bild!

Christian Leupold-Wendling
3.3.2020, 12:45:32
Vielen Dank!! Finden wir auch 😊
Diaa
15.10.2023, 13:15:06
Wieso wird ein Besitzentzug bejaht, wenn sie eh keinen unmittelbaren, sondern nur einen
Mitbesitzhat?
Dogu
9.11.2023, 13:45:26

Sebastian Schmitt
31.5.2025, 10:51:43
Hallo @[Diaa](211889), @[Dogu](137074) gibt schon genau den richtigen Hinweis. Es gibt zwar auch mittelbaren
Mitbesitz, in unserem Fall hier waren die Erben aber in der Tat unmittelbare
Mitbesitzer. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

paulmachtexamen
23.3.2024, 20:34:58
In der Aufgabenstellung heißt es „Die Erbengemeinschaft hat einen Anspruch auf Herausgabe der Skulptur aus 861 I BGB,…“. Kann die Erbengemeinschaft aber überhaupt einen Anspruch haben? Schließlich ist sie nicht rechtsfähig. Müsste es deswegen nicht besser lauten, dass S einen solchen Anspruch aus 861 hat?
Leo Lee
29.3.2024, 03:45:33
Hallo paulmachtexamen, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat ist die Erbengemeinschaft selbst etwa keine jur. Person, sondern eine gesamthänderische Verbundenheit. Diese kann gleichwohl Träger eines Sondervermögens sein und hat insofern eine Rechtsfähigkeit, als sie als Außengesellschaft (also wie bei der GbR vor dem MoPeG handelt)! I.Ü. kann ich hierzu die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Gergen § 2032 Rn. 19 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

paulmachtexamen
29.3.2024, 11:57:08
Prima, das machts verständlich! Vielen Dank 🙏🏻
okalinkk
21.4.2025, 18:31:21
@[Leo Lee](213375) @[paulmachtexamen](210803) das versteh ich leider nicht. Ich dachte die Erbengemeinschaft sei nie rechtsfähig?

Major Tom(as)
18.6.2025, 11:23:52
Ich bin gerade auch darüber gestolpert, als ich zu dieser Frage etwas nachlesen wollte: Die von dir zitierte Stelle @[Leo Lee](213375) gibt doch (jedenfalls in der aktuellen Fassung) an: "Zwar erkennt der II. Zivilsenat des BGH im Wege der Rechtsfortbildung der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts die Rechts- und
Parteifähigkeitzu, soweit sie als Außengesellschaft durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Eine Übertragung dieser Auffassung auf die Erbengemeinschaft kommt jedoch NICHT in Betracht." Auch vgl. BGH NJW-RR 2018, 15 wird die Rechtsfähigkeit von BGH und h.M. allgemein abgelehnt. Hat sich das geändert/ liegt ihr falsch oder übersehen @[okalinkk](253888) und ich was?

Major Tom(as)
18.6.2025, 11:24:33
Denn ich hab auch mal ein paar Argumente gegen eine Rechtsfähigkeit zusammengetragen - §§ 2032 ff BGB gehen nicht von einer Stellung als Rechtssubjekt aus. - Zweck der Erbengemeinschaft ist allein die Liquidation (die gem. § 2042 BGB jederzeit verlangt werden kann), damit fehlt ein Handlungszweck und eine dahingehende Organisation <-> GbR - Die Erbengemeinschaft entsteht gerade nicht aufgrund eines Vertrags und einer dahingehenden Willensbildung der Gemeinschaftlichkeit, sondern kraft Gesetzes. Damit: keine Rechtsfähigkeit, aber materiellrechtlich
notwendige Streitgenossenschaftinsoweit das BGB dies anordnet. Mich persönlich überzeugt das, bin aber gern für eine Korrektur offen

MaxRaspody
14.5.2025, 10:09:03
Woraus leitet sich ab, dass S diesen Anspruch auch im Namen der Erbengemeinschaft geltend machen kann, selbst wenn M dem widerspricht? § 2038 I 2?

K.Attalla
19.5.2025, 16:09:55
Ich denke aus dem § 2039 S.1 selbst, oder? Dort steht, dass "jeder Miterbe die Leistung nur an alle Erben fordern" kann. Hoffe, ich habe dich richtig verstanden!

Sebastian Schmitt
31.5.2025, 10:46:25
Hallo @[MaxRaspody](162182), @[K.Attalla](217236) hat Deine Frage genau richtig beantwortet, das ergibt sich aus § 2039 S 1 BGB. § 2038 I 2 BGB passt hier nicht. Der 1. Hs begründet lediglich eine Mitwirkungspflicht der anderen Erben, danach könnte S noch nicht unmittelbar alleine klagen. Hs 2 erfasst nur
notwendigeErhaltungsmaßregeln, die hier ebenfalls nicht gegeben sind, weil allein durch das Wegschaffen der Statue noch kein unmittelbarer
Schadenam Nachlass droht (näher zu diesem Kriterium statt aller Hk-BGB/Hoeren, 12. Aufl 2024, § 2038 Rn 6). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Fabian7777
9.6.2025, 11:40:02
Der Anspruch aus §861 gehörte doch nicht zum Nachlass sondern entstand erst später als
verbotene eigenmachtgeübt wurde ?
Leo Lee
19.6.2025, 10:44:02
Hallo Fabian7777, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat würde man nach engem Verständnis den 2039 ablehnen, da der Anspruch zeitlich nach dem Erbfall entstanden ist und nicht von vornherein vom Erblasser auf die Erben überging. Allerdings ist der 2039 in dieser Hinsicht etwas weiter zu verstehen, weshalb auch solche Ansprüche erfasst werden, die nach dem Erbfall zugunsten der Gemeinschaft entstanden sind. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Gergen § 2039 Rn. 4 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo