Verstoß gegen Prioritätsgrundsatz
19. Mai 2025
16 Kommentare
4,8 ★ (15.003 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K und V schließen einen formgemäßen Grundstückskaufvertrag. V erklärt dem K im selben Termin die Auflassung. K stellt den Eintragungsantrag. Danach verkauft V dem X das Grundstück und lässt es diesem auf. X stellt den Eintragungsantrag und wird als Eigentümer eingetragen.
Diesen Fall lösen 73,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Verstoß gegen Prioritätsgrundsatz
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat Eigentum an dem Grundstück erlangt.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. X hat Eigentum an dem Grundstück erlangt.
Genau, so ist das!
3. Das Grundbuchamt hätte den Eintragungsantrag des K zuerst bearbeiten müssen. Die Eintragung des X ist daher unwirksam.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
nae3
6.2.2023, 22:34:42
Hi, könnt ihr mir kurz erklären wieso V weiterhin verfügungsberechtigt war? Oder wird durch die
dingliche Einigungdie
verfügungsbefugnisnicht beeinträchtigt? LG :)
Paul
7.2.2023, 11:03:42
Hallo nae3, eine gute Frage. Anknüpfend an deinen Gedanken kann man sich hier direkt am Wortlaut des § 873 I BGB orientieren. Das Eigentum geht durch Einigung und Eintragung im Grundbuch über. Man kann also die Eintragung als Publizitätsakt mit der Übergabe aus § 929 1 BGB vergleichen. Das Besondere des Grundbuchs ergibt sich aus der Notwendigkeit, dass die Änderung eingetragen werden muss. Hierdurch entsteht automatisch ein gewisser Zeitraum, in welchem das Eigentum noch nicht übergegangen ist und der „alte“ Eigentümer noch vollständig verfügungsbefugt ist. Das ist im Grundsatz kein Problem, weil nach dem Prioritätsgrundsatz zunächst die Eintragung des K erfolgen sollte. Erfolgt das jedoch nicht, ergeben sich die Rechtsfolgen der letzten Antwort. X wird Eigentümer und K ist auf
Schadensersatzansprüche gegen V und ggf Amtshaftungsansprüche verwiesen.
nae3
7.2.2023, 11:07:58
Super danke!
David.
6.7.2023, 10:51:15
Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn K vor seiner Eintragung das Grundstück veräußert hätte? Könnte man dann eine Verfügungsermächtigung über das Eigentum an dem Grundstück annehmen? Wobei K dem X dann ein
Anwartschaftsrechtübertragen hat?
Jojo23
30.6.2024, 17:44:08
der D
15.10.2024, 09:24:10
Würde mich auch interessieren. Mein erster Gedanke war, dass dann die
Vormerkungobsolet wäre, wobei das auch Quatsch ist. Die
Vormerkungwürde ja auch dann schon Wirkung entfalten, wenn noch kein Antrag auf Eintragung in das Grundbuch gestellt ist (sondern sie kann schon ab dem Zeitpunkt schützen, ab dem ein
schuldrechtlicher Anspruch besteht). Ich denke es hängt letztlich von der Frage ab, ob ein Eigentumsverlust des Veräußerers als Verfügungsbeschränkung i.S.v.
878 BGBzu sehen ist oder darüber hinausgeht. Sollte einer von euch zwischenzeitlich schon eine Antwort auf diese Frage gefunden haben, lasst es mich gerne wissen :)

Sebastian Schmitt
25.11.2024, 16:03:53
Hallo @[Jojo23](188118), @Michael hat Deine Frage schon genau richtig beantwortet. Der Eigentümer bleibt verfügungsbefugt, bis der Rechtserwerb abgeschlossen ist - und das ist eben erst mit der Eintragung der Fall. Verkauft der Eigentümer das Grundstück ein weiteres Mal und wird der zweite Käufer entgegen des Prioritätsprinzips zuerst eingetragen, ist das Grundstück weg. Dem ersten Käufer bleibt der Amtshaftungsanspruch (oder die
Vormerkungnach §§ 883 ff BGB, die er hier aber nicht hatte).
§ 878 BGBpasst auf diesen Fall nicht, denn der Eigentümer behält ja seine
Verfügungsbefugnisbis zur Eintragung eines anderen. Und ein Verlust der Rechtsinhaberschaft ist, ebenso wie
schuldrechtliche Verpflichtungen ggü Dritten, ohnehin keine Verfügungsbeschränkung iSd
§ 878 BGB(MüKoBGB/Lettmaier, 9. Aufl 2023, § 878 Rn 34; BeckOK-BGB/Eckert, 71. Ed, Stand 1.8.2024, § 878 Rn 10). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

MenschlicherBriefkasten
4.12.2024, 17:34:18
Aber K hat doch - mit Stellung des Eintragungsantrags - ein
Anwartschaftsrechterworben, sodass die Verfügung zu Gunsten des X unwirksam ist oder? Was übersehe ich hier?
Michael
9.12.2024, 17:34:57
Durch die Stellung des Eintragungsantrags erwirbt der K ein
Anwartschaftsrecht, das ist richtig. Das
Anwartschaftsrechtist ja aber nur das wesensgleiche Minus zum Vollrecht und kann erst zum Eigentum erstarken, wenn der Grundbucheintrag ausgeführt wird. Aus dem
Anwartschaftsrechtergibt sich aber meines Wissens nach kein Verfügungsverbot oder eine sonstige Unwirksamkeit der Verfügung. Die Folge daraus ist lediglich, dass der V gegenüber K seine
Hauptleistungspflichtaufgrund von
Unmöglichkeitnicht erfüllen kann und sich dann SE-AS ausgesetzt sieht. Kann es sein das du an den § 161 I BGB denkst? Dieser greift nur bei aufschiebenden Bedingungen, d.h.
Anwartschaftsrechtaufgrund eines Eigentumsvorbehalts. Die Auflassung ist ja aber Bedingungsfeindlich, weshalb dieser nicht greift.

MenschlicherBriefkasten
12.12.2024, 13:11:55
Guten Tag @[Michael](137247) ich habe soeben folgendes dazu gefunden: "b) Einigung + Antrag: Hat der Auflassungsempfänger zusätzlich den Eintragungsantrag gestellt, ist dieser nach
§ 17 GBOrangwahrend, das Grundbuchamt muß ihn vor anderen Anträgen behandeln. Da nur der Antragsteller den Antrag zurücknehmen kann und die Einigung bindend ist, kann dem Erwerber nunmehr bei ordnungsgemäßem Verlauf der Dinge, d.h. bei fehlerlosem Handeln des Grundbuchamts, der Erwerb nicht mehr vereitelt werden. Der BGH sieht in der vorliegenden Entscheidung ebenso wie die wohl h.M. in dieser Rechtsposition bereits ein
Anwartschaftsrecht. Die Gegenansicht stellt darauf ab, daß
§ 17 GBOeine formale
Ordnungsvorschriftist, d.h. bei fehlerhaftem Handeln des Grundbuchamts ist der Erwerber nicht geschützt, sondern auf Amthaftungsansprüche gegen das Grundbuchamt beschränkt (so zuletzt Habersack JuS 2000, 1145, 1146)." Quelle: https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/bghz106_108.htm Demzufolge gibt es nach hM ein solches
Anwartschaftsrechtdurchaus, wenn der Einigungsantrag bereits gestellt wurde.
unvorsätzlicher Totschläger
16.1.2025, 18:14:30
Genau, das hat @[Michael](106201) ja auch gar nicht bestritten. Aber das Anwartschaft bei Grundstücken wirkt sich anders aus, als bei beweglichen Sachen, da § 161 der eine Verfügung während der Schwebezeit bei Bedingung verbietet nicht greift. Denn eine bedingte ist nach §925 unzulässig.. D.h. für den Fall: Zwar hat K ein
Anwartschaftsrechterworben, jedoch mangels Eintragung durch das GBO kein Eigentum. Ein
Anwartschaftsrechthindert also bei Grundstücken iRe neuen Verdügung des alten Eigentümers/ Verkäufers, nicht den Eigentumserwerb des Dritten.. K ist also auf Amtshaftungsansprüche gegen das GBO bzw. Auf SEA gegen V aus KV beschränkt..