Verstoß gegen Prioritätsgrundsatz

19. Mai 2025

16 Kommentare

4,8(15.003 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K und V schließen einen formgemäßen Grundstückskaufvertrag. V erklärt dem K im selben Termin die Auflassung. K stellt den Eintragungsantrag. Danach verkauft V dem X das Grundstück und lässt es diesem auf. X stellt den Eintragungsantrag und wird als Eigentümer eingetragen.

Diesen Fall lösen 73,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Verstoß gegen Prioritätsgrundsatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat Eigentum an dem Grundstück erlangt.

Nein!

Der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang am Grundstück (Auflassung, § 925 BGB), (2) Eintragung ins Grundbuch, (3) Einigsein, § 873 Abs. 2 BGB, (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. K und V haben die Auflassung erklärt (§ 925 BGB). Jedoch wurde K nicht ins Grundbuch eingetragen.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. X hat Eigentum an dem Grundstück erlangt.

Genau, so ist das!

Der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang am Grundstück (Auflassung, § 925 BGB), (2) Eintragung ins Grundbuch, (3) Einigsein, § 873 Abs. 2 BGB, (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. V und X haben die Auflassung erklärt (§ 925 BGB). X wurde auch in das Grundbuch eingetragen. X und V waren zum Zeitpunkt der Eintragung weiterhin über den Eigentumsübergang einig. V war auch nach wie vor verfügungsbefugt.

3. Das Grundbuchamt hätte den Eintragungsantrag des K zuerst bearbeiten müssen. Die Eintragung des X ist daher unwirksam.

Nein, das trifft nicht zu!

Nach dem Prioritätsgrundsatz (§§ 17, 45 GBO) müssen Anträge, die das gleiche Recht betreffen, in der Reihenfolge ihres Eingangs bearbeitet werden.Hier lag dem Grundbuchamt zuerst der Antrag des K vor. Indem das Grundbuchamt zuerst den Antrag des X bearbeitete, hat es gegen den Prioritätsgrundsatz verstoßen. Ein Verstoß gegen die §§ 17, 45 GBO führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Eintragung. K kann stattdessen nur einen Amtshaftungsanspruch (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) geltend machen.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

NAE3

nae3

6.2.2023, 22:34:42

Hi, könnt ihr mir kurz erklären wieso V weiterhin verfügungsberechtigt war? Oder wird durch die

dingliche Einigung

die

verfügungsbefugnis

nicht beeinträchtigt? LG :)

Paul

Paul

7.2.2023, 11:03:42

Hallo nae3, eine gute Frage. Anknüpfend an deinen Gedanken kann man sich hier direkt am Wortlaut des § 873 I BGB orientieren. Das Eigentum geht durch Einigung und Eintragung im Grundbuch über. Man kann also die Eintragung als Publizitätsakt mit der Übergabe aus § 929 1 BGB vergleichen. Das Besondere des Grundbuchs ergibt sich aus der Notwendigkeit, dass die Änderung eingetragen werden muss. Hierdurch entsteht automatisch ein gewisser Zeitraum, in welchem das Eigentum noch nicht übergegangen ist und der „alte“ Eigentümer noch vollständig verfügungsbefugt ist. Das ist im Grundsatz kein Problem, weil nach dem Prioritätsgrundsatz zunächst die Eintragung des K erfolgen sollte. Erfolgt das jedoch nicht, ergeben sich die Rechtsfolgen der letzten Antwort. X wird Eigentümer und K ist auf

Schaden

sersatzansprüche gegen V und ggf Amtshaftungsansprüche verwiesen.

NAE3

nae3

7.2.2023, 11:07:58

Super danke!

DAV

David.

6.7.2023, 10:51:15

Wie ist der Fall zu beurteilen, wenn K vor seiner Eintragung das Grundstück veräußert hätte? Könnte man dann eine Verfügungsermächtigung über das Eigentum an dem Grundstück annehmen? Wobei K dem X dann ein

Anwartschaftsrecht

übertragen hat?

JO

Jojo23

30.6.2024, 17:44:08

Müsste hier nicht auch der

878 BGB

greifen?

MIC

Michael

11.7.2024, 14:14:13

Bis zur Eintragung ins Grundbuch bleibt der Veräußerer weiterhin Verfügungsberechtigt, deshalb kann der

§ 878 BGB

nicht greifen. Der Geschädigte ist ja aber auch durch mögliche

Schaden

sersatzansprüche sowie Amtshaftungsansprüche gut gedeckt. So würde ich es verstehen.

der D

der D

15.10.2024, 09:24:10

Würde mich auch interessieren. Mein erster Gedanke war, dass dann die

Vormerkung

obsolet wäre, wobei das auch Quatsch ist. Die

Vormerkung

würde ja auch dann schon Wirkung entfalten, wenn noch kein Antrag auf Eintragung in das Grundbuch gestellt ist (sondern sie kann schon ab dem Zeitpunkt schützen, ab dem ein

schuld

rechtlicher Anspruch besteht). Ich denke es hängt letztlich von der Frage ab, ob ein Eigentumsverlust des Veräußerers als Verfügungsbeschränkung i.S.v.

878 BGB

zu sehen ist oder darüber hinausgeht. Sollte einer von euch zwischenzeitlich schon eine Antwort auf diese Frage gefunden haben, lasst es mich gerne wissen :)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

25.11.2024, 16:03:53

Hallo @[Jojo23](188118), @Michael hat Deine Frage schon genau richtig beantwortet. Der Eigentümer bleibt verfügungsbefugt, bis der Rechtserwerb abgeschlossen ist - und das ist eben erst mit der Eintragung der Fall. Verkauft der Eigentümer das Grundstück ein weiteres Mal und wird der zweite Käufer entgegen des Prioritätsprinzips zuerst eingetragen, ist das Grundstück weg. Dem ersten Käufer bleibt der Amtshaftungsanspruch (oder die

Vormerkung

nach §§ 883 ff BGB, die er hier aber nicht hatte).

§ 878 BGB

passt auf diesen Fall nicht, denn der Eigentümer behält ja seine

Verfügungsbefugnis

bis zur Eintragung eines anderen. Und ein Verlust der Rechtsinhaberschaft ist, ebenso wie

schuld

rechtliche Verpflichtungen ggü Dritten, ohnehin keine Verfügungsbeschränkung iSd

§ 878 BGB

(MüKoBGB/Lettmaier, 9. Aufl 2023, § 878 Rn 34; BeckOK-BGB/Eckert, 71. Ed, Stand 1.8.2024, § 878 Rn 10). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

MenschlicherBriefkasten

MenschlicherBriefkasten

4.12.2024, 17:34:18

Aber K hat doch - mit Stellung des Eintragungsantrags - ein

Anwartschaftsrecht

erworben, sodass die Verfügung zu Gunsten des X unwirksam ist oder? Was übersehe ich hier?

MIC

Michael

9.12.2024, 17:34:57

Durch die Stellung des Eintragungsantrags erwirbt der K ein

Anwartschaftsrecht

, das ist richtig. Das

Anwartschaftsrecht

ist ja aber nur das wesensgleiche Minus zum Vollrecht und kann erst zum Eigentum erstarken, wenn der Grundbucheintrag ausgeführt wird. Aus dem

Anwartschaftsrecht

ergibt sich aber meines Wissens nach kein Verfügungsverbot oder eine sonstige Unwirksamkeit der Verfügung. Die Folge daraus ist lediglich, dass der V gegenüber K seine

Hauptleistungspflicht

aufgrund von

Unmöglichkeit

nicht erfüllen kann und sich dann SE-AS ausgesetzt sieht. Kann es sein das du an den § 161 I BGB denkst? Dieser greift nur bei aufschiebenden Bedingungen, d.h.

Anwartschaftsrecht

aufgrund eines Eigentumsvorbehalts. Die Auflassung ist ja aber Bedingungsfeindlich, weshalb dieser nicht greift.

MenschlicherBriefkasten

MenschlicherBriefkasten

12.12.2024, 13:11:55

Guten Tag @[Michael](137247) ich habe soeben folgendes dazu gefunden: "b) Einigung + Antrag: Hat der Auflassungsempfänger zusätzlich den Eintragungsantrag gestellt, ist dieser nach

§ 17 GBO

rangwahrend, das Grundbuchamt muß ihn vor anderen Anträgen behandeln. Da nur der Antragsteller den Antrag zurücknehmen kann und die Einigung bindend ist, kann dem Erwerber nunmehr bei ordnungsgemäßem Verlauf der Dinge, d.h. bei fehlerlosem Handeln des Grundbuchamts, der Erwerb nicht mehr vereitelt werden. Der BGH sieht in der vorliegenden Entscheidung ebenso wie die wohl h.M. in dieser Rechtsposition bereits ein

Anwartschaftsrecht

. Die Gegenansicht stellt darauf ab, daß

§ 17 GBO

eine formale

Ordnungsvorschrift

ist, d.h. bei fehlerhaftem Handeln des Grundbuchamts ist der Erwerber nicht geschützt, sondern auf Amthaftungsansprüche gegen das Grundbuchamt beschränkt (so zuletzt Habersack JuS 2000, 1145, 1146)." Quelle: https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/bghz106_108.htm Demzufolge gibt es nach hM ein solches

Anwartschaftsrecht

durchaus, wenn der Einigungsantrag bereits gestellt wurde.

UT

unvorsätzlicher Totschläger

16.1.2025, 18:14:30

Genau, das hat @[Michael](106201) ja auch gar nicht bestritten. Aber das Anwartschaft bei Grundstücken wirkt sich anders aus, als bei beweglichen Sachen, da § 161 der eine Verfügung während der Schwebezeit bei Bedingung verbietet nicht greift. Denn eine bedingte ist nach §925 unzulässig.. D.h. für den Fall: Zwar hat K ein

Anwartschaftsrecht

erworben, jedoch mangels Eintragung durch das GBO kein Eigentum. Ein

Anwartschaftsrecht

hindert also bei Grundstücken iRe neuen Verdügung des alten Eigentümers/ Verkäufers, nicht den Eigentumserwerb des Dritten.. K ist also auf Amtshaftungsansprüche gegen das GBO bzw. Auf SEA gegen V aus KV beschränkt..


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community