Nur der Teilnehmer handelt habgierig

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A stiftet den T an, seinen (As) Vater, den O, umzubringen. A möchte frühzeitig erben und sich einen Sportwagen kaufen. T tötet den O, ohne selbst materielle Vorteile zu erstreben.

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Einordnung des Falls

Nur der Teilnehmer handelt habgierig

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den O aus "Habgier" (§ 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 3 StGB) getötet.

Nein, das trifft nicht zu!

Habgier ist das gesteigerte abstoßende Gewinnstreben um jeden Preis, auch um den eines Menschenlebens. T hat den O getötet, ohne materielle Vorteile zu erstreben. Das Mordmerkmal der Habgier liegt bei T nicht vor und er ist lediglich aus § 212 Abs. 1 StGB zu bestrafen.
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2. Indem T den O tötete, hat er sich wegen Totschlags strafbar gemacht (§ 212 Abs. 1 StGB).

Ja!

T hat vorsätzlich einen anderen Menschen getötet und mithin § 212 Abs. 1 StGB erfüllt.

3. Nach der Literaturmeinung ist A wegen Anstiftung zum Mord (§§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 1 Var. 3, 26 StGB) zu bestrafen.

Genau, so ist das!

Anstiftung (§ 26 StGB) setzt (1) eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat, (2) eine taugliche Teilnehmerhandlung (Bestimmen zur Haupttat) und (3) den "doppelten Teilnehmervorsatz" (bezüglich der Haupttat und dem Bestimmen) voraus sowie (4) rechtswidriges und schuldhaftes Handeln des Anstifters. Nach der Literatur ist der Teilnehmer wegen Teilnahme zum Mord zu bestrafen, wenn bei ihm ein täterbezogenes Mordmerkmal vorliegt (§ 28 Abs. 2 StGB). Im Totschlag des T an O ist die vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat zu sehen. A hat den T zur Tat bestimmt. Auch vom Vorliegen des "doppelten Teilnehmervorsatzes" bei A ist auszugehen. Das Mordmerkmal der Habgier liegt bei dem Anstifter A vor. Daher wird A, ohne Rücksicht auf die Strafbarkeit des T, wegen Anstiftung zum Mord bestraft.

4. Nach der Rechtsprechung hat sich A wegen Anstiftung zum Totschlag (§§ 212 Abs. 1, 26 StGB) strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

Die Rechtsprechung sieht den Mord als eigenständiges Delikt an. Entsprechend qualifiziert es Mordmerkmale als strafbegründend (und nicht bloß strafschärfend) und wendet auf den Teilnehmer § 28 Abs. 1 StGB an. § 28 Abs. 1 StGB spricht nur vom Fehlen besonderer persönlicher Merkmale beim Teilnehmer. Hier liegt das Mordmerkmal als besonderes persönliches Merkmal aber gerade nur bei A als Teilnehmer vor. Entsprechend kann A nur aus §§ 212 Abs. 1, 26 StGB bestraft werden. Das Vorliegen des Mordmerkmals kann lediglich als Abwägungspunkt im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden. Auch in dieser Konstellation überzeugt die Meinung der Rechtsprechung nicht. Denn der Teilnehmer an einem Totschlag wird, selbst bei Berücksichtigung des Mordmerkmals in der Strafzumessung, tendenziell geringer bestraft als der Teilnehmer an einem Mord.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAN

Daniel

15.2.2023, 12:18:01

Liebes Jurafuchs-Team, eine kurze Frage hierzu: Erfolgt die Berücksichtigung des Mordmerkmales des A im Rahmen der Strafzumessung aufgrund von § 212 Abs. 2 StGB? Danke und Grüße, Daniel

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.2.2023, 11:39:40

Hallo Daniel, danke für deine Frage. Ganz genau - in dieser Konstellation berücksichtigt die Rechtsprechung das Mordmerkmal des Anstifters im Rahmen des § 212 Abs. 2 StGB. Der Strafrahmen für (Anstiftung zum) Mord wird natürlich trotzdem noch unterlaufen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

eichhörnchen II

eichhörnchen II

16.5.2024, 12:13:18

Wieso ist im vorausgehenden Fall (

versuchte Anstiftung

zum heimtückischen Mord) wegen der limitierten Akzessorität keine Anstiftung zum Mord möglich, hier aber schon? ich kann keinen unterschied erkennen

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

16.5.2024, 13:42:39

Sehr geehrtes eichhörnchen II, der Unterschied zum Fall vorher ist, dass beim Fall vorher der Täter das Mordmerkmal der

Habgier

verwirklicht hat und der Teilnehmer nicht, und in diesem Fall genau andersrum.  Die Rechtsprechung sieht die subjektiven Mordmerkmale als strafbegründende Mordmerkmale an, womit sie unter § 28 I StGB fallen, und nicht wie die herrschende Literatur sagt und § 28 II StGB, die die Mordmerkmale als lediglich strafschärfend betrachten.  Wenn man sich den Wortlaut des § 28 I StGB anschaut, ergibt sich die Antwort: "FEHLEN

besondere persönliche Merkmale

(...) beim Teilnehmer, so ist dessen Strafe nach § 49 I ZU MILDERN." Folglich ist NUR eine Teilnahme am Mord möglich, obwohl der Teilnehmer keine Mordmerkmale selbst verwirklicht und eine Bestrafung nach § 212 StGB (Totschlag) entsprechender wäre.  Wenn man jedoch mit der Literatur geht und § 28 II StGB anwendet, könnte der Teilnehmer nach § 212 StGB bestraft werden, weil bei ihm gerade nicht das strafschärfende Merkmal vorliegt: "Bestimmt das Gesetz (...), so gilt das nur für den Beteiligten, bei dem sie VORLIEGEN."  Beste Grüße  Max - Für das Jurafuchs-Team

eichhörnchen II

eichhörnchen II

16.5.2024, 14:02:01

Vielen Dank für die Antwort! Allerdings meine ich den Fall, indem der Anstifter das Mordmerkmal der Heimtücke verwirklicht ist, der Täter dieses jedoch nicht verwirklicht. —> Versuch zur Anstiftung zum heimtückischen Mord Da wird wegen der limitierten Akzessorität eine Anstiftung zum Mord ausgeschlossen

Skra8

Skra8

3.6.2024, 09:32:33

Liebes JuraFuchs-Team, ich finde den Vertiefungshinweis in der letzten Frage der Aufgabe ungünstig formuliert, was ich so bisher bei euch noch nicht gesehen habe. Es wird darauf hingewiesen, dass die Meinung unserer höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht überzeugend ist. Nicht, dass ich das anders sähe, aber ich hatte immer das Gefühl, dass das Format „JuraFuchs“ keine konkrete Position in Streitfragen einnimmt, sondern den Studierenden mit verschiedenen Argumenten versorgt, um diese Probleme in einer Klausur angemessen lösen zu können. Entsprechend würde sich ein sanfteres Wording anbieten, das keine spezifische Meinung des JuraFuchs-Teams wiedergibt: „Auch in dieser Konstellation sieht sich die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Kritik ausgesetzt: (...)“. Gruß


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