Öffentliches Recht

Völkerrecht

Friedenssicherung und Kriegsrecht

Selbstverteidigungslage: "bewaffneter Angriff" (Grundfall)

Selbstverteidigungslage: "bewaffneter Angriff" (Grundfall)

4. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Truppen des Staates I marschieren in Staat K ein. I verzeichnet binnen kurzer Zeit erhebliche Geländegewinne. Es kommt zu Plünderungen und Geiselnahmen. Um ein weiteres Vordringen zu verhindern, bringt K seine Infanterie in Stellung und bläst zum Angriff.

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Einordnung des Falls

Selbstverteidigungslage: "bewaffneter Angriff" (Grundfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Art. 51 S. 1 UN-Charta setzt eine Selbstverteidigungslage voraus, d.h. einen gegenwärtigen rechtswidrigen bewaffneten Angriff.

Ja, in der Tat!

Genau! Art. 51 UN-Charta gesteht den Staaten ein Selbstverteidigungsrecht „im Falle eines bewaffneten Angriffs" zu. Das Kriterium der Gegenwärtigkeit ergibt sich aus der englischsprachigen Formulierung im Präsens: "if an armed attack occurs". Das Kriterium der Rechtswidrigkeit folgt aus dem Telos des Art. 51 UN-Charta und der Systematik der Charta: Selbstverteidigung gegen einen Staat, der selbst in Selbstverteidigung oder aufgrund einer Sicherheitsratsresolution nach Art. 42, 39 UN-Charta agiert, ist nach Art. 51 UN-Charta ausgeschlossen.
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2. Die Invasion von I in K verletzt das Gewaltverbot des Art. 2 Nr. 4 UN-Charta.

Ja!

Eine Anwendung von Gewalt im Sinne des Art. 2 Nr. 4 UN-Charta liegt vor, wenn ein Staat militärische Mittel oder Waffen gegen einen anderen Staat einsetzt. Der Truppeneinmarsch in das Gebiet stellt einen Einsatz militärischer Mittel gegen den D, mithin Gewaltanwendung, dar.

3. Jede Gewaltanwendung, die gegen Art. 2 Nr. 4 UN-Charta verstößt, ist ein bewaffneter Angriff.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein bewaffneter Angriff setzt eine Gewaltanwendung voraus, die nach Ausmaß und Wirkung ("scale and effects") über die des Art. 2 Nr. 4 UN-Charta hinausgeht. Die höhere Anforderung an die Qualität der Gewaltanwendung folgt aus dem unterschiedlichen Wortlaut des Art. 51 S. 1 UN-Charta („bewaffneter Angriff") gegenüber Art. 2 Nr. 4 UN-Charta („Gewalt"). Nicht jede Gewaltanwendung nach Art. 2 Nr. 4 UN-Charta berechtigt damit zum Selbstverteidigungsrecht nach Art. 51 UN-Charta.

4. Art. 3 der Aggressionsdefinition definiert den Begriff des bewaffneten Angriffs rechtsverbindlich und abschließend.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Begriff des bewaffneten Angriffs ist nicht abschließend definiert. Die Aggressionsdefinition (Res. 3314) ist eine nicht-rechtsverbindliche Resolution der UN-Generalversammlung aus dem Jahr 1974. Sie hat damit allenfalls den Charakter eines konkretisierenden Dokuments. Zudem definiert sie nicht den Begriff des „bewaffneten Angriffs" des Art. 51 UN-Charta, sondern den der „Angriffshandlung" des Art. 39 UN-Charta. Nicht alle „Angriffshandlungen" sind „bewaffnete Angriffe". Als Indiz für das Vorliegen eines „bewaffneten Angriffs" kann auf Art. 3 der Aggressionsdefinition aber zurückgegriffen werden.

5. Die Invasion des I in K ist ein bewaffneter Angriff nach Art. 51 S.1 UN-Charta.

Ja!

Ein bewaffneter Angriff setzt eine Gewaltanwendung voraus, die nach Ausmaß und Wirkung über die des Art. 2 Nr. 4 UN-Charta hinausgeht. Der Begriff ist nicht definiert, ist aber nach allgemeiner Ansicht erfüllt bei schwersten Gewaltanwendungen wie Invasion, Bombardements oder Besatzung.Die Invasion der Truppen des I in K stellt einen bewaffneten Angriff dar. Dafür spricht indiziell auch, dass sie nach Art. 3 lit. a der Aggressionsdefinition eine „Angriffshandlung" darstellt. Relevant ist hier zudem, dass die Invasion unter Plünderungen und Geiselnahmen erfolgt und auch damit nach Ausmaß und Wirkung den Gewaltbegriff des Art. 2 Nr. 4 UN-Charta deutlich übersteigt.
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