Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2020
Wertstoffsammelstelle in der Nähe einer Eigentumswohnung – Sachmangel?
Wertstoffsammelstelle in der Nähe einer Eigentumswohnung – Sachmangel?
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K besichtigt eine Neubauwohnung des B. Währenddessen errichtet die Stadtverwaltung unter Einhaltung aller öffentlich-rechtlichen Vorschriften gegenüber der Wohnung eine Abfallcontaineranlage. K kauft die Wohnung. Nach dem Einzug verlangt K wegen der Umweltemissionen der Containeranlage (z.B. Lärm durch Überschreitung der Einwurfzeiten) von B Schadenersatz.
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Einordnung des Falls
Wertstoffsammelstelle in der Nähe einer Eigentumswohnung – Sachmangel?
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K könnte ein Anspruch auf Schadensersatz zustehen (§§ 437 Nr. 3, 434, 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Aufgrund der Containeranlage hat die Wohnung nicht die vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. / § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F.).
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Aufgrund der Containeranlage eignet sich die Wohnung nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB a.F. / § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB n.F.).
Nein, das trifft nicht zu!
4. Trotz Containeranlage ist die Eigentumswohnung für die gewöhnliche Verwendung geeignet (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 BGB a.F. / § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB n.F.).
Ja!
5. Trotz Containeranlage weist die Eigentumswohnung die übliche Beschaffenheit auf (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 BGB a.F. / § 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB n.F.).
Genau, so ist das!
6. Der Rechtsgedanke des § 906 BGB besagt, dass unwesentliche umweltbedingte Beeinträchtigungen hinzunehmen sind.
Ja, in der Tat!
7. Die von der Containeranlage verursachten Umwelteinflüsse (Splitterfelder, Lärmemissionen, Überfüllung) sind wesentliche Beeinträchtigungen.
Nein!
8. Vor dem Vertragsschluss hat B es unterlassen, K auf den Bau der Wertstoffanlage hinzuweisen. K hat gegen B einen Schadenersatzanspruch wegen Verstoß einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht (§§ 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Lee
17.9.2021, 18:34:21
Wieso ist die Anspruchsgrundlage nicht 280 I, III, 283 BGB?Der Verkäufer kann den behaupteten Mangel schließlich nicht beseitigen? Es wird doch Schadenersatz statt der Leistung verlangt und nicht Schadenersatz neben der Leistung.
Bienenschwarmverfolger
18.9.2021, 13:01:58
Das OLG hat tatsächlich nur 280 I geprüft. Ich stimme dir aber zu, dass 280 I, III, 283 hier mehr Sinn ergeben.
Victor
19.9.2021, 11:10:48
Aber er will doch Schadensersatz neben und nicht statt der Leistung. Zudem geht ja dann der 2. Teil auch auf eine
anfängliche Unmöglichkeitein.
Bienenschwarmverfolger
19.9.2021, 13:36:24
Ich denke schon, dass K hier „kleinen“ Schadensersatz statt der Leistung verlangt (also nicht
Schadensersatz statt der ganzen Leistung). Die Kontrollfrage lautet ja: Würde der bereits entstandene Schaden durch eine hypothetisch gedachte, fristgerechte Nacherfüllung wieder entfallen? Das würde er hier, weil die hypothetische Beseitigung der Immissionen den Minderwert des Hauses wieder entfallen ließe.
Lukas_Mengestu
5.11.2021, 10:40:14
Hallo zusammen, in der Tat hat das OLG es sich hier leicht gemacht und lediglich auf
§ 280 BGBabgestellt. Eine nähere Einordnung hat es schlicht deshalb unterlassen, da wegen des fehlenden Mangels das Gewährleistungsrecht überhaupt noch nicht eröffnet war. Aber ihr habt natürlich recht, dass der Käufer hier geltend macht, dass sein Grundstück nun aufgrund der Anlage weniger wert sei. Wie Bienenschwarmverfolger zurecht einwendet, könnte dies aber noch theorethisch durch Beseitigung der Anlage noch behoben werden, auch wenn dies für den Verkäufer rechtlich unmöglich ist. Insofern liegt in der Tat ein Fall des Schadensersatzes statt der Leistung vor. Wir haben das im Fall entsprechend korrigiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
David.
7.8.2023, 17:13:14
Die Begründung warum hier ein Schadensersatz statt der Leistung vorliegt passt meiner Ansicht nach nicht zum Fall und der gewählten Anspruchsgrundlage. Schadensersatz statt der Leistung wird angenommen bei einem endgültigen Ausbleiben der mangelfreien Leistung. Dies liegt in zwei Fällen vor, einmal bei einem unbehebbarem Mangel (Fälle der Unmöglichkeit) und zweitens bei einem Unterbleiben der Nacherfüllung. Bei einem Unterbleiben der Nacherfüllung wird allerdings nicht § 283 zitiert. Die Beseitigung der Anlage wäre dem Verkäufer rechtlich unmöglich, sodass sich aus diesem Umstand ergibt, dass dies unter die Kategorie des unbehebbarem Mangels fällt, wobei der Gläubiger nach § 283 unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann.
Lukas_Mengestu
8.8.2023, 16:48:17
Hallo David, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat ist Kern des Falles weniger die Abrenzung nach Schadensersatz statt+neben der Leistung, sondern vielmehr die Frage, ob überhaupt Mängelgewährleistungsrechte in Betracht kommen. Dies setzt einen Mangel bei Vertragsschluss voraus. Wir haben die Frage und den Hinweistext entsprechend abgewandelt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team