Verschuldensmodifikation 2 (Gefälligkeitsverhältnis)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A bittet B, während ihres Urlaubs auf ihre Zimmerpflanzen aufzupassen. Dabei haben weder A noch B Rechtsbindungswillen. B stellt die Pflanzen auf dem Fensterbrett ab. Aus leichter Fahrlässigkeit zerstört B die Pflanzen dabei. B ist privat haftpflichtversichert für Schäden bei Ausübung einer Gefälligkeit.
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Einordnung des Falls
Verschuldensmodifikation 2 (Gefälligkeitsverhältnis)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat eine Pflichtverletzung begangen (§ 280 Abs. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. B hat eine kausale Rechtsgutsverletzung begangen (§ 823 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
3. Die Begriffe "Verschulden" und "Vertretenmüssen" sind identisch.
Nein!
4. Die gesetzlichen Haftungserleichterungen für unentgeltliche Verträge sind bei Gefälligkeitsverhältnissen nach h.M. analog anzuwenden.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. B hat die kausale Rechtsgutsverletzung zu verschulden.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
PSR
3.11.2020, 15:23:03
Das widerspricht meines Wissens der Rspr des BGH. Wer keinen Rechtsbindungswillen hat, der hat auch die Privilegierung sich nicht verdient.
Elisabeth
4.11.2020, 12:20:21
Hi, ich finde dein Argument sehr interessant, hast du auch eine Fundstelle? Allerdings würde dann ja derjenige, der bloß aus
Gefälligkeithandelt, strenger haften (weil Verschulden der Rechtsgutsverletzung zu bejahen) als jemand, der mit Rechtsbindungswillen ein vertragliches Schuldverhältnis schließt und eine Rechtsgutverletzung verschuldet (gesetzliche Haftungsmildrrung) Ich bezweifle, dass dies so vom Gesetzgeber gewollt ist. Vielmehr sagt ja bereits der Rechtsgedanke von §690 oder § 521 BGB, dass der (unentgelich)
Gefälligkeitleistende milder zu behandeln ist als ein üblicher Vertragspartner. Ich muss mir eben gut überlegenen, wem ich mein Eigentum
gefälligkeitshalber anvertraue. ;)
PSR
4.11.2020, 21:41:36
BGH VI ZR 467/15. An einer Stelle verweist der BGH auf ein Urteil, in dem die ständige Rspr. zitiert wird.
Eigentum verpflichtet 🏔️
5.11.2020, 18:24:10
Hallo David, Hallo Elisabeth, danke für eure wichtigen Hinweise. Du hast Recht David, wird der Fall so gelöst, dann folgt man nicht dem BGH sondern einer Mindermeinung. Wir haben in der Folge den Fall leicht abgewandelt und lösen den Fall nun im Einklang mit der Rechtsprechung. Zur Erklärung: Die mM wendet die gesetzlichen
Haftungsprivilegierungen für unentgeltliche Verträge (§§ 521, 599, 690 BGB) analog auf entsprechende
Gefälligkeitsverhältnissean. Der BGH und Teile der Literatur (hM) lehnen dies ab.
Eigentum verpflichtet 🏔️
5.11.2020, 18:28:24
Stattdessen soll nach BGH ausnahmsweise eine Haftungserleichterung, im Wege ergänzender
Vertragsauslegungnach § 242 BGB angenommen werden, wenn der Schädiger, wäre die Rechtslage vor Zustandekommen des
Gefälligkeitsverhältnisses zur Sprache gekommen, einen Haftungsverzicht gefordert und sich der Geschädigte dem billigerweise nicht hätte versagen dürfen. (nach MüKoBGB/Wagner, 7. A. 2017, Vor § 823 RdNr. 93ff. handelt es sich dabei nicht um
ergänzende Vertragsauslegung, sondern um richterrechtliche Rechtsfortbildung). Zu beachten ist jedoch, dass der BGH eine solche
konkludente
Haftungsprivilegierungregelmäßig verneint, wenn der Schädiger gegen den Schaden haftpflichtversichert ist. Das haben wir zur weiteren Problemdarstellung in den Sachverhalt aufgenommen. LG ;)
evanici
11.9.2023, 16:03:28
Ein Störgefühl verbleibt dennoch... Dann wäre doch jeder mit dem Klammerbeutel gepudert, der eine entsprechende Versicherung abschließt und Gefahr läuft, seine Prämie steigen zu lassen durch entsprechende Schadensmeldungen?!
IsiRider
19.3.2023, 12:11:15
Bei den Übergängen der Fälle hängt das System. Ich drücke dann auf Überspringen und bin mir aber nicht sicher, ob ich wirklich alles inhaltlich durchgegangen bin. Bitte beheben.
Nora Mommsen
20.3.2023, 12:20:58
Hallo IsiRider, hast du die neueste Version der App geladen? Sollte das Problem weiterhin bestehen, würde ich dich bitten eine Email an den Support zu schreiben (support@jurafuchs.de). So kann dir schnellstmöglich geholfen werden. Optimal wäre, wenn du direkt deine Betriebsinfos mitsendest. Die Infos findet man, indem auf auf "DU" geht und 4x schnell auf "Profil" klickt. Dadurch wird die Fehlersuche beschleunigt! Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Jurafuchs
29.1.2024, 20:30:33
Ich verstehe, dass es beim Vertretenmüssen Haftungsmodifikationen gibt: Darunter müsste auch die Exkulpation im Rahmen des 8
31 BGBzählen. Aber beim Verschulden gibt es ja ebenfalls Haftungsmodifikationen wie der innerbetriebliche Schadensausgleich (sog. begrenzte Arbeitnehmerhaftung). Dabei wird dann ebenfalls zwischen grober, mittlerer und leichter Fahrlässigkeit unterschieden. Vielen Dank!
Jurafuchs
29.1.2024, 20:31:37
Kann mir jemand den Unterschied der beiden Begriffe erklären? Vielen Dank im Voraus!
Timurso
29.1.2024, 21:30:28
Mir wäre kein Unterschied dazwischen bekannt.
Magie99Capona
20.6.2024, 22:11:03
ich finde die erste frage ei wenig seltsam, die pflichtverletzung zu verneinen weil kein schuldverhältnis besteht schmeiß meiner meinung nach zwei sachen zusammen. sind ja aus gutem grund zwei verschiedene prüfpunkte. schuldverhältnis nein, pflichtverletzung grds ja
Gerrit
21.6.2024, 21:54:01
Ich glaub hier wird auf den Aufbau der Prüfung hingedeutet. Man prüft ja immer in der Reihenfolge Vertrag, Vertragsähnlich, Gesetz. Es wäre hier zunächst ein Anspruch aus §280 I zu prüfen und zu verneinen aufgrund des fehlenden Rechtsbindungswillen. Für einen Anspruch nach §280 I bedarf es zunächst ein Schuldverhältnis. Sofern kein Schuldverhältnis besteht dann kann eben keine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt werden. Also besteht hier keine Pflichtverletzung. Ich gehe mal davon aus, dass es als Fangfrage bezweckt ist, da ohne Schuldverhältnis keine Pflicht.