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Arbeitsrecht

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Grundfall: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

Grundfall: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gastronomin G, die ihr Restaurant seit 2016 betreibt, beschäftigt 13 Vollzeit-Kellner. Im April 2022 kündigte G dem Kellner K, der von Anfang an dabei war, ordentlich zum Ende der Kündigungsfrist. Dies erfolgte ohne Vorliegen eines besonderen Grundes.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Für eine ordentliche Kündigung ist es stets erforderlich, dass ein Kündigungsgrund vorliegt.

Nein!

Für eine ordentliche Kündigung ist grundsätzlich kein Kündigungsgrund erforderlich. Es gelten grundsätzlich nur die allgemeinen Grenzen (§ 138 BGB; § 242 BGB; § 612a BGB; § 2 Abs. 4 AGG). Sofern sich der Arbeitnehmer allerdings auf den allgemeinen Kündigungsschutz aus dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) berufen kann, kann er nur dann ordentlich gekündigt werden, wenn die Kündigung aus personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG). Die sachlichen, persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des KSchG sind in § 1 Abs. 1 KSchG und § 23 Abs. 1 S. 2, 3 KSchG geregelt.
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2. Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG gilt sowohl für ordentliche als auch für außerordentliche Kündigungen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit durch § 1 Abs. 2 KSchG gilt nur für eine ordentliche Kündigung, nicht jedoch für eine außerordentliche Kündigung (Sachlicher Anwendungsbereich). Dies folgt aus § 13 Abs. 1 S. 1 KSchG, nach dem die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht berührt werden. Eine außerordentliche Kündigung muss also lediglich die Voraussetzungen des § 626 BGB erfüllen. Aufgrund der Regelung in § 13 Abs. 1 S. 2 KSchG ist allerdings auch bei einer außerordentlichen Kündigung die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG einzuhalten.

3. Vorliegend ist der persönliche Anwendungsbereich des KSchG nach § 1 Abs. 1 KSchG eröffnet, da K bereits seit 2016 bei G beschäftigt ist.

Ja, in der Tat!

Nach § 1 Abs. 1 KSchG gilt der allgemeine Kündigungsschutz erst nach sechsmonatiger ununterbrochener Beschäftigung des Arbeitnehmers beim Arbeitgeber. Der Kündigungsschutz greift also zum einen nur für Arbeitnehmer, zum anderen muss das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (§ 130 BGB) bereits länger als sechs Monate bestanden haben. Da K als angestellter Kellner Arbeitnehmer nach § 611a Abs. 1 BGB ist und das Arbeitsverhältnis seit 2016, also bereits über Jahre hinweg bestand, ist der persönliche Anwendungsbereich des KSchG nach § 1 Abs. 1 KSchG eröffnet. Zweck dieser Wartezeit ist es, ein Kennenlernen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu ermöglichen und dem Arbeitgeber erleichterte Kündigungsmöglichkeiten einzuräumen.

4. Da G mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, liegt kein Kleinstbetrieb vor, sodass auch der betriebliche Anwendungsbereich des KSchG nach § 23 Abs. 1 KSchG eröffnet ist.

Ja!

Für Arbeitnehmer, die nach dem 31.12.2003 eingestellt wurden, gelten die Vorschriften des allgemeinen Kündigungsschutzes, wenn im Zeitpunkt des Kündigungszugangs mehr als zehn Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) beschäftigt waren (§ 23 Abs. 1 S. 3 KSchG, Mehr-als-zehn-Arbeitnehmer-Regelung). Im Restaurant bei G sind 13 Kellner und damit mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, sodass es kein Kleinstbetrieb ist und der betriebliche Anwendungsbereich nach § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG eröffnet ist.Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.2004 begonnen hat, genießen den Kündigungsschutz bereits, wenn mehr als fünf Arbeitnehmer (ausschließlich der zur Berufsausbildung Beschäftigten) beschäftigt waren (§ 23 Abs. 1 S. 2 KSchG, Mehr-als-fünf-Arbeitnehmer-Regelung für Alt-Arbeitnehmer).

5. G konnte K ohne Vorliegen eines besonderen Grundes wirksam kündigen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Sofern sich der Arbeitnehmer auf den allgemeinen Kündigungsschutz aus dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) berufen kann, kann er nur dann ordentlich gekündigt werden, wenn die Kündigung aus personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG). Dafür muss der Anwendungsbereich des KSchG nach §§ 1 Abs. 1 KSchG, 23 Abs. 1 S. 3 KSchG eröffnet sein. Es liegt eine ordentliche Kündigung vor (sachlich), K ist als Arbeitnehmer länger als sechs Monate bei G beschäftigt (persönlich, § 1 Abs. 1 KSchG) und es ist mit 13 Beschäftigten kein Kleinstbetrieb (betrieblich, § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG). Somit greift der allgemeine Kündigungsschutz, sodass ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Grund vorliegen muss, damit die Kündigung sozial gerechtfertigt und wirksam ist.
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