Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Gesetzgebungsverfahren

Gesetzesinitiative der Bundesregierung - Zeitgleiche Zuleitung (Art. 76 Abs. 1 Var. 1, Abs. 2 S. 1 GG)

Gesetzesinitiative der Bundesregierung - Zeitgleiche Zuleitung (Art. 76 Abs. 1 Var. 1, Abs. 2 S. 1 GG)

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Bundesregierung will die Ausgaben von Bund und Ländern weiter senken. Sie bringt einige Wochen später eine Gesetzesvorlage zur Abschaffung des Wohngeldes beim Bundestag ein. Zeitgleich leitet sie dem Bundesrat die Gesetzesvorlage zu.

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Einordnung des Falls

Gesetzesinitiative der Bundesregierung - Zeitgleiche Zuleitung (Art. 76 Abs. 1 Var. 1, Abs. 2 S. 1 GG)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Bundesregierung ist nach Art. 76 Abs. 1 GG im Gesetzgebungsverfahren initiativberechtigt.

Genau, so ist das!

Gesetzesvorlagen können von der Bundesregierung eingebracht werden (Art. 76 Abs. 1 Var. 1 GG). Die Gesetzesvorlage wird mit einfacher Stimmenmehrheit durch die Bundesregierung als Kollegialorgan im Sinne des Art. 62 GG beschlossen (§§ 15 Abs. 1 lit. a, 24 Abs. 2 S. 1 GO-BReg). Die Bundesregierung ist nach Art. 76 Abs. 1 Var. 1 GG berechtigt, die Gesetzesvorlage beim Bundestag einzubringen. Die Gesetzesinitiative durch die Bundesregierung ist in der Praxis der häufigste Fall, weil die Bundesministerien auf umfangreiche Ressourcen und fachliche Expertise zurückgreifen können.
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2. Die Bundesregierung darf ihre Gesetzesvorlage beim Bundestag einbringen und zugleich dem Bundesrat zuleiten (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG).

Nein, das trifft nicht zu!

Gesetzesvorlagen der Bundesregierung sind dem Bundesrat zuzuleiten (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG), bevor sich der Bundestag damit befasst („sind zunächst dem Bundesrat zuzuleiten“). Die Bundesregierung leitet dem Bundesrat die Gesetzesvorlage zeitgleich mit der Einbringung in den Bundestag zu. Somit liegt ein Verstoß gegen Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG vor.

3. Das Vorverfahren (Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG) wurde nicht ordnungsgemäß eingehalten. Daher ist die Gesetzesvorlage der Bundesregierung formell verfassungswidrig.

Ja!

Sogar im Eilfall muss der Bundesrat die Gesetzesvorlage drei Wochen vor dem Bundestag erhalten (Art. 76 Abs. 2 S. 4 GG). Aus der Existenz dieser besonderen Regelung für den Eilfall kann gefolgert werden, dass auch in besonders eilbedürftigen Fällen dem Bundesrat ein gewisser zeitlicher Vorsprung gegenüber dem Bundestag zu geben ist. Das Erfordernis der vorherigen Zuleitung aus Art. 76 Abs. 2 S. 1 GG hat also zwingenden Charakter und steht nicht im Belieben der Initiativberechtigten. Ein zeitgleiche Zuleitung an den Bundesrat führt daher auch zur formellen Verfassungswidrigkeit der Gesetzesvorlage. Der Bundesrat kann grundsätzlich innerhalb von sechs Wochen zur Gesetzesvorlage Stellung nehmen (Art. 76 Abs. 2 S. 2 GG). Er ist aber nicht zur Stellungnahme verpflichtet („ist berechtigt“). Sinn und Zweck dieses Vorverfahrens ist es, den Bundesrat frühzeitig am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen.
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