Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Besondere öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen

Besondere öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen: Rechtswidrigkeit von hoheitlichen Äußerungen

Besondere öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen: Rechtswidrigkeit von hoheitlichen Äußerungen

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bundesministerin A warnt öffentlich vor der Glaubensgemeinschaft der Zauberhüte Z. Sie bezeichnet diese als „Psychosekte“ - wofür keine Anhaltspunkte vorliegen - , die sich öffentlich homophob positioniere - was inhaltlich zutrifft. Oberzauberhut O ist empört und will, dass A solche „Warnungen“ in Zukunft unterlässt.

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Einordnung des Falls

Besondere öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen: Rechtswidrigkeit von hoheitlichen Äußerungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. In Betracht kommt der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch. As Aussage war ein hoheitlicher Eingriff in Os Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG.

Genau, so ist das!

Zum Tatbestand des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch gehört die (1)Betroffenheit eines subjektiven Rechts durch einen (2) hoheitlichen Eingriff. Der Eingriff muss nicht andauern, sondern (3) bevorstehen. Weiterhin muss das Handeln (4) rechtswidrig sein. As öffentlichen Äußerungen in ihrer Funktion als Regierungsmitglied sind hoheitlicher Natur. Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG gewährleistet die freie Religionsausübung. Dazu gehört grundsätzlich auch die Verbreitung des Glaubens. Durch die „Warnung“ wird dieses subjektive Rechte des O aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG verkürzt. Ein Eingriff liegt damit vor. In der Klausur könnte es auch sein, dass O sowohl die Beseitigung der vergangenen Äußerung - etwa in Form einer Richtigstellung - als auch das Unterlassen zukünftiger „Warnungen“ begehrt. Dann müsstest Du einmal einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch, einmal einen Unterlassungsanspruch prüfen.
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2. Öffentliche Warnungen eines Hoheitsträgers sind immer rechtswidrig.

Nein, das trifft nicht zu!

Der öffentlichen Gewalt ist es nicht per se untersagt, öffentlich Warnungen auszusprechen. Vielmehr kann dies sogar zur staatlichen Fürsorgepflicht gehören. Danach ist der Staat berechtigt und im Einzelfall verpflichtet, die Bürger vor Gefahren zu warnen. Die Aussage des Hoheitsträgers ist inhaltlich zu betrachten, um zwischen einer grundsätzlich rechtmäßigen Warnung und einer rechtswidrigen Äußerung zu unterscheiden. As Aussagen könnten von der öffentlichen Fürsorgepflicht gedeckt und damit nicht rechtswidrig sein. Maßgeblich dafür ist der konkrete Inhalt ihrer Aussagen.Es ist umstritten, ob eine hinreichende Rechtsgrundlage für dieses sog. staatliche Informationshandeln besteht. Nach der Rechtsprechung des BVerfG folgt die Rechtsgrundlage aus den amtlichen Zuständigkeitsregeln, für die Bundesregierung aus Art. 65 GG (Aufgabe der Staatsleitung). Eine starke Literaturmeinung verlangt angesichts der Eingriffsintensität staatlicher Warnungen demgegenüber eine ausdrückliche parlamentsgesetzliche Rechtsgrundlage.

3. Zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit hoheitlicher Äußerungen wird zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen unterschieden.

Ja!

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen. Eine Tatsachenbehauptung liegt dann vor, wenn der Gehalt der Äußerung dem Beweis zugänglich ist. Ist dies nicht der Fall, liegt ein reines Werturteil vor. Tatsachenbehauptungen sind grundsätzlich nur rechtswidrig, wenn sie unwahr sind. Schwieriger ist dagegen die Beurteilung des hoheitlichen Werturteils. Hier muss regelmäßig eine umfassende Abwägung der betroffenen Rechtspositionen vorgenommen werden. Die Aussage, dass Z sich öffentlich homophob positioniere, ist eine wahre Tatsachenbehauptung. Diese ist nicht rechtswidrig. Problematischer ist die Bewertung der Aussage, Z sei eine „Psychosekte“.

4. In Bezug auf die Aussage, Z sei eine „Psychosekte“, muss die staatliche Aufgabe zur Warnung der Bevölkerung vor Gefahren gegen die Rechte der Mitglieder der Z-Gemeinschaft abgewogen werden.

Genau, so ist das!

Der Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen durch eine hoheitliche Aussage ist nur rechtmäßig, wenn er im Rahmen einer Aufgabenzuweisung, jedenfalls aber zur Wahrnehmung grundrechtlicher Schutzpflichten, zum Erhalt zentraler Grundrechtspositionen erfolgt. Zudem muss ein gewichtiger Anlass bestehen. Werturteile dürfen nicht unsachgemäß sein, sondern müssen auf einem im Wesentlichen zutreffenden oder zumindest sachgerecht und vertretbar begründeten Tatsachenkern beruhen. Das Wort „Psychosekte“ ist eine unsachliche Bewertung der Z, ohne einen erkennbaren Tatsachenkern. Die Rechte der Mitglieder aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG überwiegen hier.Letztlich nimmst Du hier eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. In der Klausur wirst Du dafür noch mehr Verwertbares im Sachverhalt finden.

5. Die Bezeichnung der Z als „Psychosekte“ durch A war rechtswidrig. Eine Wiederholungsgefahr ist indiziert.

Ja, in der Tat!

Im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch, der einen noch andauernden Eingriff voraussetzt, ist der Unterlassungsanspruch auf zukünftiges hoheitliches Handeln gerichtet. Der Eingriff muss gerade nicht aktuell bestehen, sondern es muss eine Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr vorliegen. Eine vorangegangene rechtswidrige Handlung des Hoheitsträgers indiziert die Wiederholungsgefahr. O hat einen (vorbeugenden) Unterlassungsanspruch gegen die Regierung, als deren Organ A gehandelt hat. Der Anspruch ist darauf gerichtet, dass Z zukünftig nicht mehr als „Psychosekte“ bezeichnet wird.
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