Grundfall: Anspruch Bürger gegen Behörde

10. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Investorin I zahlt aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrags 10.000 Euro an die Gemeinde G, damit diese die Erschließung einiger Baugrundstücke vorantreibt, auf denen I Immobilien errichten will. Der öffentlich-rechtliche Vertrag stellt sich als nichtig heraus.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Anspruch Bürger gegen Behörde

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. I will die 10.000 Euro von G zurückerhalten. In Betracht kommt der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.

Genau, so ist das!

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist auf den Ausgleich rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen im öffentlichen Recht gerichtet. Die Rechtsbeziehung ist öffentlich-rechtlich, wenn der vermeintliche bzw. später weggefallen Rechtsgrund öffentlich-rechtlicher Natur ist. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist subsidiär gegenüber spezialgesetzlichen Erstattungsansprüchen, etwa nach §§ 48 Abs. 3, 49 Abs. 6, 49a VwVfG. I begehrt den Ausgleich der Vermögensverschiebung in Höhe von 10.000 Euro. In Betracht kommt - mangels spezialgesetzlicher Regelung - der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch.
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2. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist gesetzlich ausdrücklich normiert.

Nein, das trifft nicht zu!

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist nicht normiert, sondern ein allgemein anerkannter Grundsatz des Verwaltungsrechts (= Gewohnheitsrecht). Er folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, den Rechtsgrundsätzen der §§ 812ff. BGB sowie aus den Grundrechten. Eine genauere Auseinandersetzung mit der Herleitung des Anspruchs in der Klausur muss nicht vorgenommen werden, weil der Anspruch allgemein anerkannt ist.

3. G hat durch Leistung der I 10.000 Euro erhalten.

Ja!

Die Vermögensverschiebung kann durch Leistung oder auf sonstige Weise erfolgen. Leistung ist entsprechend § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB jede zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. I hat die 10.000 Euro an G gezahlt, um eine vermeintlich bestehende Vertragspflicht zu erfüllen. Sie hat G durch Leistung bereichert.

4. I zahlte aufgrund eines Vertrages. Der vermeintliche Rechtsgrund ist privatrechtlicher Natur.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch kommt nur in Betracht, wenn die Vermögensverschiebung aufgrund eines vermeintlich bestehenden Rechtsgrund öffentlich-rechtlicher Natur erfolgte. Ansonsten sind die zivilrechtlichen §§ 812ff. BGB einschlägig - und der Anspruch im ordentlichen Rechtsweg zu verfolgen. Entscheidend ist also die Rechtsnatur des vermeintlich bestehenden Rechtsgrundes. I zahlte hier gerade aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, nicht aufgrund einer privatrechtlichen Verpflichtung. Der vermeintlich bestehende Rechtsgrund ist öffentlich-rechtlicher Natur.

5. Auch ein nichtiger öffentlich-rechtlicher Vertrag ist ein Rechtsgrund für eine Vermögensverschiebung.

Nein, das trifft nicht zu!

Ist ein Vertrag nichtig, so gilt er als von Anfang an unwirksam. Ein vermeintlich bestehender Rechtsgrund aufgrund des Vertrags ist in den Fällen der Nichtigkeit also von Anfang an nicht gegeben. Eine Vermögensverschiebung zur Erfüllung dieses Vertrags erfolgt ohne Rechtsgrund. Der öffentlich-rechtliche Vertrag zwischen I und G ist nichtig. I leistete ohne Rechtsgrund. Sie hat einen Anspruch auf Erstattung der Vermögensverschiebung auf Grundlage des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Max

Max

12.8.2024, 18:13:45

Könnte dem Anspruch hier auch Kondiktionssperren entgegenstehen? Soweit z.B. der Vertrag aufgrund eines rechtswidrigen Kopplungsverbots (vgl. § 59 II Nr. 4 VwVfG) vorliegt nach §§

814

,

817 BGB

?

Dogu

Dogu

17.8.2024, 12:29:33

Vorliegend handelt es sich um eine Vermögensverschiebung vom Bürger an den Staat. Ich halte es nicht für angezeigt, dem Staat insoweit eine Kondiktionssperre zuzubilligen. Es wäre mE nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar, wenn der Staat zuerst nichtige ör Verträge schließt, weil er gegen das Kopplungsverbot verstößt und dann auch noch die Rückzahlung der Gelder verweigert. Damit wird ja eine Regelung, die den Bürger schützen soll (kein Ausverkauf von Hoheitsrechten) ins Gegenteil verkehrt. Im umgekehrten - hier nicht vorliegend - Fall der Verschiebung vom Staat an den Bürger reicht es mE die Abwägungen zwischen dem Rückforderungsanspruch der Allgemeinheit und dem Vertrauen des Bürgers anzustellen. Da bedarf es keines Rückgriffs auf die genannten Vorschriften.

_Andor_

_Andor_

16.10.2024, 18:45:10

Ergänzend zu den Ausführungen von @[Dogu](137074) meine ich, dass nach hM die

814

, 817 unanwendbar sind. Einen Grund dafür hat Dogu bereits genannt.


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