Öffentliches Recht

Polizei- und Ordnungsrecht

Grundlagen

Polizeigesetzliche Standardmaßnahmen (Fall)

Polizeigesetzliche Standardmaßnahmen (Fall)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A hält B in seiner Wohnung gegen den Willen des B gefangen. Die Polizei hat gesicherte Kenntnis hierüber entschließt sich dazu, die Wohnung des A zu durchsuchen.

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Einordnung des Falls

Polizeigesetzliche Standardmaßnahmen (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die allgemeinen Polizeigesetze der Länder enthalten eine Ermächtigung zum Durchsuchen von Wohnungen.

Genau, so ist das!

In den allgemeinen Polizeigesetze der Länder sind die sogenannten polizeigesetzlichen Standardmaßnahmen normiert. Diese ähneln sich hierbei. So findet sich in allen Ländergesetzen eine Ermächtigung zum Betreten und Durchsuchen von Wohnungen (z.B. § 38 HSOG, Art. 23 bayPAG, § 43 SOG LSA). Standardmaßnahmen sind solche Maßnahmen, die in häufig auftretenden Situationen ergriffen werden. Insoweit sind sie der Regelfall des polizeilichen Handelns. Neben den klassischen Standardmaßnahmen gewinnen die Ermächtigungen zur Datenerhebung an Bedeutung. Diese sind teilweise in eigenständigen Gesetzen geregelt. Auch sie können als Standardmaßnahmen bezeichnet werden, da sie sich - anders als die spezialgesetzlichen Befugnisse - nicht nur gegen bereichsspezifische Gefahren richten.
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2. Auf Grundlage der Ermächtigung zum Betreten und Durchsuchen von Wohnungen darf die Polizei A gegenüber anordnen, sie in die Wohnung zu lassen. Das Betreten als Handlung ist hiervon nicht umfasst.

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich enthalten die Standardermächtigungen Anordnungsbefugnisse zum Erlass eines Verwaltungsaktes gemäß § 35 S. 1 VwVfG. Die Reichweite einer Ermächtigung ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln und kann auch eine Handlungsbefugnis umfassen. Die Ermächtigungen zum Betreten und Durchsuchen von Wohnungen ermächtigen bereits dem Wortlaut nach auch dazu, die Wohnung tatsächlich zu Betreten und damit zu einem Realakt. Ist der Wohnungsinhaber anwesend, so wird die Polizei in aller Regel auch eine Duldungsverfügung aussprechen. Hierbei handelt es sich um einen Verwaltungsakt gemäß § 35 S. 1 VwVfG.

3. Öffnet A die Tür nicht, darf die Polizei die Tür zur Wohnung auf Grundlage der Standardermächtigung auch gewaltsam aufbrechen.

Nein!

Auch soweit eine Standardermächtigung eine Handlungsbefugnis vermittelt, ist hiervon nach hM nicht die Ermächtigung zum Gebrauch von Gewalt umfasst. Hierfür spricht insbesondere, dass die besonders bürgerschützenden Vorschriften der Verwaltungsvollstreckung ansonsten umgangen würde. Auf (alleiniger) Grundlage der Standardermächtigungen kann die Polizei daher keine Sachen zerstören oder den Widerstand von Personen brechen. Das gewaltsame Aufbrechen der Tür wäre eine Form unmittelbaren Zwangs (z.B. §§ 101 BremPolG, §§ 58, 60 ff. BbgPolG, §§ 69, 71 ff. NPOG) und daher nur unter den - vorliegend angesichts der qualifizierten Gefahrenlage für höchstrangige Rechtsgüter des B gleichwohl zu bejahenden - Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung möglich.

4. Die Polizei könnte ihr Handeln auch auf die polizeiliche Generalklausel stützen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Grundsatz der Spezialität verbietet im Rahmen der Standardermächtigungen den Rückgriff auf die polizeiliche Generalklausel (z.B. Art. 11 Abs. 1 S. 1 bayPAG, § 13 SOG LSA, § 11 NPOG), soweit eine Standardmaßnahme ergriffen werden soll. Erlaubte man einen Rückgriff, so würden die speziellen Voraussetzungen der Standardermächtigungen umgangen. Hierzu zählen neben den erhöhten tatbestandlichen Anforderungen insbesondere auch der in den Polizeigesetzen statuierte Richtervorbehalt für das Betreten und Durchsuchen von Wohnungen (z.B. § 39 Abs. 1 S. 1 HSGO, Art. 24 Abs. 1 bayPAG, § 44 Abs. 1 S. 1 SOG LSA). Die geschärften Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen dieser Standardermächtigung rechtfertigen den mit einer Wohnungsdurchsuchung verbundenen gewichtigen Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG und sind insoweit Ausprägung der gesetzgeberischen Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Außerdem enthält bereits Art. 13 GG sehr konkrete Vorgaben zu Eingriffen in die Unverletzlichkeit der Wohnung, die sich in den landesgesetzlichen Ermächtigungen zum Teil widerspiegeln.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Peter K.

Peter K.

7.4.2022, 09:03:00

Ist hier die richterliche Anordnung wegen

Gefahr im Verzug

entbehrlich?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.4.2022, 18:20:57

Hallo Peter Kruck,

Gefahr im Verzug

ist anzunehmen, wenn die richterliche Anordnung nicht mehr eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme gefährdet würde (Vgl. BVerfG NStZ 2019, 534). Von einer solchen Sachlage könnte man hier durchaus ausgehen, da die Durchsuchung hier ja der Befreiung des B dienen soll und durch weiteres Zuwarten möglicherweise weitere Schäden für dessen Leib u. Leben drohen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

KE🦦

kerberos 🦦

17.2.2024, 17:06:41

§ 37 I 1 ASOG


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