Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Der öffentlich-rechtliche Vertrag

Einordnung von „Mischverträgen“; Schwerpunkt- vs. Trennungstheorie

Einordnung von „Mischverträgen“; Schwerpunkt- vs. Trennungstheorie

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Camila (C) schließt mit der Gemeinde G einen Kaufvertrag über ein Grundstück, das im Eigentum der Gemeinde steht. Im Gegenzug für einen besonders niedrigen Kaufpreis verpflichtet sich C in dem Kaufvertrag, das Grundstück innerhalb der nächsten acht Jahre entsprechend den bauplanerischen Ziele der Gemeinde zu nutzen.

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Einordnung des Falls

Einordnung von „Mischverträgen“; Schwerpunkt- vs. Trennungstheorie

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Abgrenzung von privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verträgen richtet sich danach, welches Rechtsgebiet den Gegenstand des Vertrags prägt.

Ja, in der Tat!

Die Verwaltung kann sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Verträge abschließen. Eine Abgrenzung ist erforderlich, um zu beurteilen, ob die §§ 54ff. VwVfG einschlägig sind. Im Übrigen ist die Einordnung des Vertrages auch wichtig, um den richtigen Rechtsweg zu beschreiten. Liegt ein rein privatrechtlicher Vertrag vor, ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet (vgl. §§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, 13 GVG). Ein Vertrag ist öffentlich-rechtlich, wenn der Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (Gegenstandstheorie). Für die Einordnung des Vertrags zwischen C und G ist entscheidend, nach welchem Rechtsgebiet der Vertragsgegenstand zu beurteilen ist.
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2. Gegenstand des Vertrags ist vor allem Verkauf des Grundstücks. Wird dieser vorrangig durch das öffentliche Recht geprägt?

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Vertrag ist öffentlich-rechtlich, wenn der Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (Gegenstandstheorie). Der Vertrag zwischen C und G ist (vor allem) darauf gerichtet, dass sich G verpflichtet, der C das Eigentum an dem Grundstück zu übertragen. Hierbei handelt es sich um einen zivilrechtlichen Kaufvertrag (§ 433 Abs. 1 BGB). Der Vertrag wird also durch das Privatrecht geprägt.

3. Der Schwerpunkt des Vertrags ist privatrechtlich, sodass hier insgesamt kein öffentlich-rechtlicher Vertrag vorliegt.

Ja, in der Tat!

Nach der früheren Rechtsprechung des BGH waren Mischverträge nur dann einheitlich zu behandeln, wenn ein eindeutiger Schwerpunkt der vertraglichen Vereinbarung festgestellt werden konnte (ursprüngliche Schwerpunkttheorie). War dies nicht der Fall, so sollte der Vertragsgegenstand aufgeteilt werden. In der Konsequenz waren dann zwei verschiedene Rechtswege für die beiden Vereinbarungen eröffnet. In der heutigen Rspr. des BVerwG und auch in der h.L. findet eine Aufspaltung eines einheitlichen Vertrags nicht mehr statt (Grundsatz der Einheitlichkeit). Die Verpflichtung der C gibt dem zivilrechtlichen Vertrag kein völlig anderes Gepräge. Der Schwerpunkt des Vertrags liegt auf dem privatrechtlichen Kaufvertrag, sodass es sich nicht um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt. Verträge sollten nach dem BVerwG nur dann aufgespalten werden, wenn es sich um zwei völlig verschiedene Regelungskomplexe handelt, die in keinem Zusammenhang zueinander stehen. In diesem Fall fehlt es an einem einheitlichen Vertragsgegenstand.

4. Cs Verpflichtung betrifft zumindest auch Regelungsbereiche des öffentlichen Rechts.

Ja, in der Tat!

Es kann Verträge geben, die sowohl Sachverhalte des öffentlichen als auch des privatrechtlichen Bereichs betreffen. Diese Verträge werden auch „Mischverträge“ genannt. C verpflichtet sich, das Grundstück im Sinne der bauplanerischen Ziele der G zu nutzen. Diese Ziele werden durch öffentlich-rechtliche Bauleitpläne (§§ 1ff. BauGB) festgesetzt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juraddicted

Juraddicted

4.11.2024, 13:07:18

Durch den Grundsatz der Einheitlichkeit wird also auch bei einem offensichtlichen Schwerpunkt nichts mehr aufgeteilt- es sei denn, dass es sich um zwei völlig verschiedene (auch gleichwertige) Bereiche handelt? Gibt es dafür ein Beispiel? Vielen Dank :)


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