Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Der öffentlich-rechtliche Vertrag
Einordnung von „Mischverträgen“; Schwerpunkt- vs. Trennungstheorie
Einordnung von „Mischverträgen“; Schwerpunkt- vs. Trennungstheorie
19. Mai 2025
8 Kommentare
4,7 ★ (19.749 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Camila (C) schließt mit der Gemeinde G einen Kaufvertrag über ein Grundstück, das im Eigentum der Gemeinde steht. Im Gegenzug für einen besonders niedrigen Kaufpreis verpflichtet sich C in dem Kaufvertrag, das Grundstück innerhalb der nächsten acht Jahre entsprechend den bauplanerischen Ziele der Gemeinde zu nutzen.
Diesen Fall lösen 82,2 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Einordnung von „Mischverträgen“; Schwerpunkt- vs. Trennungstheorie
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Abgrenzung von privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verträgen richtet sich nach h.M. danach, welches Rechtsgebiet den Gegenstand des Vertrags prägt.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Gegenstand des Vertrags ist vor allem Verkauf des Grundstücks. Wird dieser vorrangig durch das öffentliche Recht geprägt?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Der Schwerpunkt des Vertrags ist privatrechtlich, sodass hier insgesamt kein öffentlich-rechtlicher Vertrag vorliegt.
Ja, in der Tat!
4. Cs Verpflichtung betrifft zumindest auch Regelungsbereiche des öffentlichen Rechts.
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juraddicted
4.11.2024, 13:07:18
Durch den Grundsatz der Einheitlichkeit wird also auch bei einem offensichtlichen Schwerpunkt nichts mehr aufgeteilt- es sei denn, dass es sich um zwei völlig verschiedene (auch gleichwertige) Bereiche handelt? Gibt es dafür ein Beispiel? Vielen Dank :)
hardymary
4.12.2024, 16:37:03
Ich habe gelernt, dass - sobald eine wesentliche Vertragspflicht als öffentlich-rechtlich einzustufen ist, ist der gesamte Vertrag als öffentlich-rechtlich einzustufen und einheitlich vor dem Verwaltungsgericht zu behandeln. Man also gar nicht so sehr mit einem Schwerpunkt argumentiert. Wird das hier nur abgelehnt, weil die Verpflichtung des C als nicht wesentlich bezeichnet wird?

Sebastian Schmitt
26.4.2025, 13:24:19
Hallo @[hardymary](202321), das Meinungsbild ist hier zunächst leider nicht besonders klar und selbst das BVerwG nimmt die Einordnung nicht immer nur anhand der hier dargestellten Grundsätze vor (näher zum Ganzen Detterbeck, Allg VerwR, Rn 786 mwN). Woher das von Dir Gelernte genau kommt und was dahinter steht, kann ich Dir nicht ganz genau sagen, dafür müsstest du mehr ins Detail gehen. Möglicherweise ist sogar das Gleiche wie in unserer Darstellung gemeint, wenn man EINE wesentliche Vertragspflicht als DIE wesentliche Vertragspflicht versteht. Bei Stelkens/Bonk/Sachs/Siegel, VwVfG, 10. Aufl 2023, § 54 Rn 56 heißt es zB: "Bei gemischten Vertr, die sowohl ör als auch privatrechtliche Elemente enthalten, ist maßgebend, welche Teile des Vertr ihm das Gepräge geben (
Schwerpunkttheorie); dabei ist abzustellen auf die vertraglich vereinbarten Rechte und Pflichten, die aus der Sicht eines verständigen Betrachters die inhaltlich wichtigsten Vereinbarungen, gewissermaßen den wesentlichen Kern des Vertrags bilden." Das klingt mE doch recht ähnlich. Von einem TdL wird allerdings auch vertreten, dass wir schon dann einen öffentlich-rechtlichen Vertrag haben, wenn "nur ein einziger vertraglicher
Regelungsgegenstanddas öffentliche Recht betrifft" (Detterbeck, Allg VerwR, Rn 786, Fn 24 mwN). Möglicherweise ist auch das die Ansicht, die Du gelernt hast. Wir haben sie jetzt zumindest in einem Vertiefungshinweis kurz erwähnt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Findet Nemo Tenetur
31.1.2025, 17:33:22
Was wäre denn ein realistisches Klausurszenario? Also weiß ich, wenn ich ne ÖR Klausur schreibe, dass es eigentlich ein Gegenstand des ÖR sein muss? Oder kann man an dieser Stelle auch “rausfliegen” und dann irgendwie anders (aber wie?) weitermachen?

schwemmely
25.2.2025, 16:53:59
Würdest du rausfliegen, müsstest du im Hilfsgutachten weitergehen :) D.h., dass in einer Klausur wirst du wohl eher zu dem Ergebnis kommen, dass der Vertrag öffentlich-rechtlicher Natur ist. Da man normalerweise nicht die Klausur von Anfang an im Hilfsgutachten zu prüfen hat.
Findet Nemo Tenetur
27.2.2025, 12:40:26
@[schwemmely](114183), danke für deine Antwort. Genau darauf zielte meine Frage (die ich wohl nicht präzise genug formuliert hatte) ab, ob es neben dem Hilfsgutachten noch einen anderen Weg gibt. Da, genau wie du gesagt hast, das Hilfsgutachten idR ja nicht der vom Klausursteller intendierte Weg ist, und wenn es keinen anderen gibt, dann weiß ich ja in der ÖR Klausur schon, dass es im Ergebnis ein Gegenstand des ÖR sein muss. Das wiederum würde ja bedeuten, dass ich das Ergebnis der Abgrenzung eigentlich immer schon kenne und es insofern bei dieser Frage stets nur um die ordentliche Herleitung würde gehen können. Und ich wollte nun wissen, ob diese Schlussfolgerung stimmt/in welcher Form die Abgrenzung sonst in der Klausur auftauchen könnte/was der Mehrwert dann wäre

Sebastian Schmitt
26.4.2025, 11:51:50
Hallo @[Findet
Nemo Tenetur](254807), der Hinweis von @[schwemmely](114183) ist schon genau richtig: Eine gut gestellte Klausur wird kaum darauf ausgelegt sein, dass es direkt zu Beginn ins Hilfsgutachten geht. So gesehen wird das Ergebnis der Abgrenzung in der Tat häufig klar sein. Ausnahmen kann es aber immer geben und diejenigen, die Eure Klausuren erstellen, bringen teilweise ordentlich Fantasie mit, wenn sie bestimmte Sachen prüfen wollen, ohne das Ergebnis quasi vorweg zu nehmen. Ich habe spontan kein Beispiel für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem Vertrag und privatrechtlichem Vertrag, aber eines für eine ZivilR-Klausur mit IPR-Einstieg (keine bloße Zusatzfrage). Das war eine Übungsklausur im Klausurenkurs vor dem 1. Examen, konkret in Betracht kam österreichisches oder deutsches Recht. Eigentlich sollte klar sein, dass wir materiell im deutschen Recht landen, sonst wären wir ja statt im BGB im ABGB (Österreich) und könnten die Klausur nicht lösen. Nun stand aber unter der Klausur sinngemäß der Bearbeitervermerk: "Falls Sie zum Ergebnis kommen, dass österreichisches
materielles Rechtanwendbar ist, tun Sie so, als sei es inhaltlich deckungsgleich zum deutschen Recht und die Normen identisch." Das kann natürlich auch bloß der Hinweis an diejenigen mit dem Ergebnis "Österreich" sein, die Klausur an der Stelle nicht abzubrechen. Das sollte aber ohnehin klar sein, denn man wäre dann nach einem Bruchteil der Zeit fertig und hätte die materiellen Probleme des Falls mit keinem Wort angesprochen. Dementsprechend konnte man also nicht sicher wissen, welches Recht materiell anwendbar ist. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Findet Nemo Tenetur
26.4.2025, 14:14:19
Danke!