Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Der öffentlich-rechtliche Vertrag

Subordinationsrechtliche und koordinationsrechtliche Verträge

Subordinationsrechtliche und koordinationsrechtliche Verträge

19. Mai 2025

6 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Behörde B verpflichtet sich vertraglich gegenüber Unternehmerin U, ihr eine Baugenehmigung für eine neue Fabrik zu erteilen, wenn U drei Ausbildungsplätze pro Jahr in ihrem Unternehmen schafft.

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Einordnung des Falls

Subordinationsrechtliche und koordinationsrechtliche Verträge

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B und U haben einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen.

Genau, so ist das!

Ein Vertrag setzt zunächst zwei übereinstimmende Willenserklärungen voraus. Der Vertrag ist öffentlich-rechtlich i.S.v. § 54 VwVfG, wenn er sich auf einen Sachverhalt bezieht, der sich nach öffentlich Normen richtet. Normen sind öffentlich-rechtlich, wenn sie in jedem denkbaren Anwendungsfall einen Träger öffentlicher Gewalt berechtigen oder verpflichten. Hier liegen zwei korrespondierende Willenserklärungen der B und U vor. Die Erteilung einer Baugenehmigung richtet sich nach dem (öffentlich-rechtlichen) Bauordnungsrecht der Bundesländer. B und U haben einen öffentlich-rechtlichen Vertrag geschlossen. Die Prüfung, ob ein öffentlich-rechtlicher Vertrag vorliegt, kann auch knapper ausfallen, wenn diese - so wie hier - unproblematisch ist.
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2. § 54 S. 2 VwVfG nennt den subordinationsrechtlichen Vertrag als spezielle Form des öffentlich-rechtlichen Vertrags.

Ja, in der Tat!

Die §§ 54ff. VwVfG nennen einige Typen von öffentlich-rechtlichen Vertragsarten, enthalten aber keine abschließende Ausführung. Das Gesetz unterscheidet jedoch die zwischen dem subordinationsrechtlichen Vertrag und dem koordinationsrechtlichen Vertrag. Subordinationsrechtlich sind nach § 54 S. 2 VwVfG insbesondere alle öffentlich-rechtlichen Verträge, die eine Behörde mit einem Vertragspartner schließt, an den sie in der konkreten Sache auch einen Verwaltungsakt richten dürfen. Der Vertrag tritt an die Stelle des ansonsten zu erlassenden Verwaltungsakts. Es besteht ein Über-/Unterordnungsverhältnis. Demgegenüber stehen die Vertragspartner bei einem koordinationsrechtlichen Vertrag einander gleichrangig gegenüber.Die Vorschriften der §§ 55, 56, 59 Abs. 2 und 61 VwVfG nehmen ausdrücklich Bezug auf diesen Vertragstypus und geltend daher auch nur, wenn dieser vorliegt.

3. Bei einem koordinationsrechtlichen Vertrag stehen die Vertragspartner in einem gleichwertigen Rangverhältnis zueinander. Ist dies vorliegend der Fall?

Nein!

Um bestimmen zu können, welche Vorschriften der §§ 54ff. VwVfG auf den konkreten öffentlich-rechtlichen Vertrag Anwendung finden, muss zwischen dem subordinationsrechtlichen Vertrag und dem koordinationsrechtlichen Vertrag unterschieden werden. Die Vertragstypen unterscheiden sich vor allem darin, dass beim subordinatonsrechtlichen Vertrag ein Über-Unterordnungs-Verhältnis zwischen den Parteien besteht, d.h. die Behörde auch einseitig hätte handeln können. Bei einem koordinationsrechtlichen Vertrag hingegen besteht ein solches Rangverhältnis nicht. B kann einseitig Regelungen gegenüber U treffen, insbesondere durch den Erlass eines Verwaltungsakts. B und U stehen in einem Über-Unterordnungs-Verhältnis zueinander.

4. Scheidet ein subordinationsrechtlicher Vertrag aus, wenn der Vertrag lediglich den späteren Erlass eines Verwaltungsakts verspricht?

Nein, das ist nicht der Fall!

Subordinationsrechtlich sind nach § 54 S. 2 VwVfG insbesondere alle öffentlich-rechtlichen Verträge, die eine Behörde mit einem Vertragspartner schließt, an den sie in der konkreten Sache auch einen Verwaltungsakt richten dürfte. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Vertrag selbst den Verwaltungsakt ersetzt (= verwaltungsaktersetzender Vertrag) oder sich die Behörde lediglich verpflichtet, später einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen (= verwaltungsaktvorbereitender Vertrag). B hat sich vertraglich gegenüber U verpflichtet, später eine Baugenehmigung (= Verwaltungsakt) zu erlassen. U und B haben einen subordinationsrechtlichen Vertrag - hier in Form des verwaltungsaktvorbereitenden Vertrags - geschlossen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FW

FW

23.11.2024, 15:03:29

Wäre hier nicht die Zusicherung nach § 38 VwVfG spezieller?

HARD

hardymary

4.12.2024, 16:42:55

push

PK

P K

16.12.2024, 14:50:40

Würde sagen nein, weil auch die Zusicherung letztlich ein einseitiges - wenn auch begünstigendes -

Behörde

nhandeln ist. Entsprechend wird sie zumindest wie ein VA behandelt (§ 38 Abs. 2 VwVfG). Bei einem Vertrag einigen sich zwei Parteien auf eine bestimmte Regelung. Selbst wenn der Vertragsinhalt faktisch eine Zusicherung ist, ist er doch Ergebnis einer übereinstimmenden Willensbildung. Dadurch soll eine höhere Akzeptanz erreicht werden, was auch bei einer Zusicherung relevant sein kann, etwa bzgl. den Details und etwaigen

Nebenbestimmung

en eines VA.

_Andor_

_Andor_

16.1.2025, 13:50:16

Ich würde auch sagen, dass kein Fall von Spezialität, sondern eher ein Fall von Parallelität vorliegt; Stichwort: Formwahlfreiheit der Verwaltung. Handelt es sich um etwas einseitiges, könnte eine Zusicherung gegeben sein, handelt es sich um zwei ausgetauschte Willenserklärungen, kommt ein öffentlich-rechtlicher Vertrag in Betracht. 

FTE

Findet Nemo Tenetur

31.1.2025, 17:41:59

Ich verstehe irgendwie nicht so richtig, weswegen man die Figur des verwaltungsaktvorbereitenden Vertrags überhaupt braucht, wenn es die Zusicherung gibt, die ein VA ist und es demnach auch einfach ein Fall vom verwaltungsaktersetzender Vertrag wäre?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

15.5.2025, 09:59:43

Hallo @[FW](139488), hallo @[hardymary](202321), @[P K](196201) und @[Andor](184372) haben die Frage schon genau richtig beantwortet: Eine Zusicherung iSd § 38 VwVfG haben wir nur bei rein einseitigem

Behörde

nhandeln. Hier haben wir aber auch eine versprochene Gegenleistung, nämlich die Schaffung von 3 Ausbildungsplätzen pro Jahr. Deswegen sind hier nur §§ 54 ff VwVfG einschlägig. Inhaltlich läuft das Versprechen einer

Behörde

bei einem Verpflichtungsvertrag aber natürlich auf eine Zusicherung hinaus. Die Abgrenzung ist deswegen nicht immer einfach, wir müssen im Zweifelsfall eben auslegen, was gewollt ist (näher zur Abgrenzung Schoch/Schneider/Schröder, VerwR, Werkstand 6. EL November 2024, § 38 VwVfG Rn 32 f). Und Deine Frage, @[Findet

Nemo Tenetur

](254807), verstehe ich leider nicht ganz. Der verwaltungsaktvorbereitende Vertrag ist ja letztlich keine "Figur", sondern eine Bezeichnung für öffentlich-rechtliche Verträge, bei denen die Verpflichtung der

Behörde

zum Erlass eines konkreten VA eben zeitlich aufgeschoben ist. Die Abgrenzung zur Zusicherung ergibt sich aus meinem ersten Absatz. Wenn gleichzeitig eine Verpflichtung des Bürgers festgeschrieben werden soll, kann sich ein öffentlich-rechtlicher Vertrag anbieten, anderenfalls eine Zusicherung. Beim verwaltungsaktersetzenden Vertrag trifft die

Behörde

die Regelung über den begehrten VA-Inhalt dagegen schon unmittelbar im Vertrag. Es kann aber eben aus verschiedenen Gründen für die

Behörde

sinnvoll sein, den VA letztlich erst später zu erlassen (zB wegen verbleibender interner Abstimmungs- oder Umsetzungsfragen), die Verpflichtung des Bürgers aber schon jetzt festzuhalten. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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