Öffentliches Recht

Grundrechte

Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)

Betretungs- und Besichtigungsrechte bei Geschäftsräumen – Schutzbereich Art. 13 GG

Betretungs- und Besichtigungsrechte bei Geschäftsräumen – Schutzbereich Art. 13 GG

16. April 2025

3 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Handwerker H betreibt allein eine kleine Werkstatt. Ein Beamter des Ordnungsamtes möchte die Einhaltung gewerblicher und baulicher Standards in der Werkstatt überprüfen. H lehnt dies mit Verweis auf Art. 13 Abs. 1 GG ab.

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Einordnung des Falls

Betretungs- und Besichtigungsrechte bei Geschäftsräumen – Schutzbereich Art. 13 GG

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Art. 13 Abs. 1 GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Ja!

Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt: "Die Wohnung ist unverletzlich." Unter Wohnung versteht man solche Räume, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung entzogen und zur Stätte privaten Lebens und Wirkens gemacht sind. Art. 13 GG hängt eng mit der freien Entfaltung der Persönlichkeit zusammen. Er soll dem Einzelnen einen elementaren Lebens- und Rückzugsraum sichern, in dem er vor staatlichen Eingriffen geschützt ist.
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2. Da Art. 13 Abs. 1 GG den Bereich der individuellen Privatsphäre des Bürgers schützt, ist davon nach BVerfG und h.M. ausschließlich die privat genutzte Wohnung erfasst.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Einbeziehung von Arbeits- und Geschäftsräumen in Art. 13 Abs. 1 GG ist umstritten: Dagegen spricht die allgemeine Wortbedeutung des Begriffs "Wohnung" (Wortlaut) sowie der Zweck des Art. 13 Abs. 1 GG, einen Raum für die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schützen (Telos). Dafür spricht, dass Beruf, Arbeit und Gewerbe nach der Verfassung (Art. 12, 14 GG) wichtige Bedeutung für die Selbstverwirklichung des Einzelnen zukommt (Systematik, Telos). Zudem wurde der Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 GG aus der Preußischen Verfassung und der Frankfurter Reichsverfassung übernommen, die damit nicht nur Wohnräume meinten, weil historisch gerade der Arbeitsplatz Gegenstand von Eingriffen der öffentlichen Gewalt war (Historie). Angesichts dessen schützt Art. 13 Abs. 1 GG nach BVerfG und h.M. die "räumliche Privatsphäre" und damit im Grundsatz auch Arbeits- und Geschäftsräume. Wenn es in der Klausur darauf ankommt, regnet es bei einer solchen Darstellung Punkte.

3. Der Öffentlichkeit nicht zugängliche Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume von Einzelunternehmern werden nach BVerfG und h.M. vom Schutz des Art. 13 GG erfasst.

Ja, in der Tat!

Wegen der verfassungsrechtlich hohen Bedeutung von Beruf, Arbeit und Gewerbe für die Selbstverwirklichung des Einzelnen sind Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume nach BVerfG und h.M. im Grundsatz von Art. 13 Abs. 1 GG geschützt. Während das BVerfG diese Räume ohne Einschränkung von Art. 13 Abs. 1 GG erfasst sieht, kommt es nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur darauf an, dass die Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume - wie die private Wohnung - räumlich abgeschottet und für die Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Bei Einzelunternehmern ist überdies der Bezug zur individuellen Selbstverwirklichung und damit zum Zweck des Art. 13 Abs. 1 GG besonders hoch.

4. Die Werkstatt des H fällt in den sachlichen Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG.

Ja!

Art. 13 Abs. 1 GG erfasst auch Geschäftsräume, die der Öffentlichkeit entzogen sind, um das Wirken und die berufliche Entfaltung zu schützen. Die Werkstatt des H, welche räumlich abgeschottet ist, fällt in den sachlichen Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

OKA

okalinkk

4.2.2025, 16:36:31

habe ich es richtig verstanden, dass Betriebs und Geschäftsräume selbst dann nach BverfG eine Wohnung sind, wenn sie öffentlich zugänglich sind?

CAN

cann1311

4.2.2025, 16:55:14

Ja hast du richtig verstanden

LELEE

Leo Lee

13.2.2025, 09:40:02

Hallo okalinkk, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Genauso ist es: Auch Betriebs- und Geschäftsräume, die öffentlich(!) zugänglich sind - etwa Verkaufsflächen - werden vom Schutzbereich erfasst. Dies ist auch konsequent, da das BVerfG den Schutzbereich im Zweifel bejaht, da eine Korrektur später (vor allem bei der Vhmk) möglich ist (das ist der Grds. "in dubio pro libertate"). Das BVerfG geht dann beim Eingriff restriktiv vor und sagt, dass öff. zugängliche Orte zwar Wohnungen sind, dann aber keine Eingriffe vorliegen (dies ist etwas umstritten, weshalb es sich in der Klausur empfiehlt, abweichend hiervon den Eingriff zu bejahen, da man nicht schon ganz oben rausfliegen will). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom Jarass/Pieroth 18. Auflage, Jarass Art. 13 Rn. 5 und 10a sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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