Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Der Kaufmannsbegriff

Kaufmann kraft Betrieb eines Handelsgewerbes, Handelsgewerbe iSv § 1 Abs. 2 HGB

Kaufmann kraft Betrieb eines Handelsgewerbes, Handelsgewerbe iSv § 1 Abs. 2 HGB

5. Juli 2025

13 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

H ist Hausmeister an einer Schule. Nebenbei betreibt er in den Pausen einen Kiosk, an dem er Snacks und Getränke an Schüler und Lehrer verkauft. Mitarbeiter hat er keine. Er macht durchschnittlich einen Umsatz von €3.000 und einen Gewinn von €900 pro Monat. Die Abrechnung macht er am Wochenende zu Hause selbst.

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Einordnung des Falls

Kaufmann kraft Betrieb eines Handelsgewerbes, Handelsgewerbe iSv § 1 Abs. 2 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem H den Kiosk betreibt, ist er offen tätig (§ 1 Abs. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Ein Gewerbe (§ 1 Abs. 1 HGB) ist nach herrschender Meinung jede (1) offene, (2) planmäßige, (3) selbständige, (4) erlaubte, (5) von der Absicht dauernder Gewinnerzielung getragene Tätigkeit mit (6) Ausnahme freiberuflicher, wissenschaftlicher oder künstlerischer Tätigkeit Eine Tätigkeit ist offen, wenn sie am Markt in Erscheinung tritt. Dadurch wird der geschäftliche Bereich vom privaten Handeln unterschieden. H bietet mit dem Kiosk den Verkauf von Snacks und Getränken an Schüler und Lehrer an. Der Kiosk ist einem bestimmten Personenkreis öffentlich zugänglich.
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2. H betreibt den Kiosk planmäßig (§ 1 Abs. 1 HGB).

Ja!

Eine planmäßige Tätigkeit ist während eines bestimmten Zeitraums auf eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften gerichtet und wird nicht nur gelegentlich ausgeübt. H betreibt den Kiosk regelmäßig in den großen Pausen und nicht nur bei Gelegenheit. Er beabsichtigt, eine möglichst hohe Anzahl an Snacks und Getränken zu verkaufen (§ 433 BGB) und zu übereignen (§ 929 S. 1 BGB).

3. H betreibt den Kiosk als Selbstständiger (§ 1 Abs. 1 HGB).

Genau, so ist das!

Rechtlich selbstständig (§ 1 Abs. 1 HGB) ist, wer über Gestaltung, Einteilung und Dauer der Tätigkeit ohne rechtliche Einschränkungen frei entscheidet (§ 84 Abs. 1 S. 2 HGB). Die Abgrenzung erfolgt anhand der Vertragsgestaltung und Handhabung im Einzelfall. H betreibt den Kiosk allein. Er ist in keinem rechtlichen Abhängigkeits- oder Weisungsverhältnis, das seine Gestaltungsfreiheit bezüglich der Tätigkeit einschränkt. Dass es sich um eine nebenberufliche Tätigkeit handelt, schadet nicht.

4. Indem H den Kiosk betreibt, übt er eine erlaubte Tätigkeit aus (§ 1 Abs. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Nach herrschender Meinung können verbotene oder sittenwidrige Tätigkeiten (§§ 134, 138 BGB) kein Gewerbe sein. Den Betreibern sollen nicht die privilegierenden Rechte eines Kaufmanns zustehen. Handelsrechtliche Pflichten können ihn nach den Grundsätzen zum Scheinkaufmann trotzdem treffen, sodass auch keine Benachteiligung der Geschäftspartner entsteht. Das Verkaufen von Speisen und Getränken an einem Kiosk ist weder sittenwidrig noch verstößt es gegen ein gesetzliches Verbot. Auf eine öffentlich-rechtliche Genehmigung kommt es nicht an (§ 7 HGB).

5. H betreibt den Kiosk mit Gewinnerzielungsabsicht (§ 1 Abs. 1 HGB).

Ja!

Eine Tätigkeit ist nach der Rechtsprechung auf Gewinnerzielung gerichtet, wenn die Absicht besteht, einen Gewinn, also einen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben zu erzielen. Dies wird bei Privatunternehmern vermutet, bei Unternehmen der öffentlichen Hand muss es im Einzelfall festgestellt werden. H möchte sich mit dem Kiosk eine zusätzliche Einnahmequelle schaffen. Der Kiosk ist ein privates Unternehmen, demnach wird Gewinnerzielungsabsicht widerleglich vermutet.

6. Indem H den Kiosk betreibt, übt er eine freiberufliche, künstlerische oder wissenschaftliche Tätigkeit aus (§ 1 Abs. 1 HGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Freiberufliche, wissenschaftliche oder künstlerische Tätigkeiten fallen nicht unter den Gewerbebegriff (vgl. die Aufzählung der Berufsgruppen in § 1 Abs. 2 PartGG). Hier steht nicht der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, sondern die Erbringung individueller höchstpersönlicher Dienstleistungen im Vordergrund. Bei H‘s Kiosk handelt es sich um ein Verkaufsgeschäft, das den Handel mit Konsumgütern zum Gegenstand hat (ein im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb typisches Austauschgeschäft). Es handelt sich nicht um einen freien Beruf, bei dem die höchstpersönliche Dienstleistung im Vordergrund steht.

7. Erfordert der Kiosk eine kaufmännische Einrichtung (§ 1 Abs. 2 HGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Handelsgewerbe ist ein Gewerbe, das nach Art und Umfang eine kaufmännische Einrichtung erfordert (§ 1 Abs. 2 HGB). Kaufmännische Einrichtungen sind solche, die nötig sind, um ein kaufmännisches Unternehmen ordnungsgemäß zu führen und auf die ein Kleingewerbetreibender (§ 2 HGB) aufgrund der Überschaubarkeit seiner Geschäftsverhältnisse verzichten kann. Maßgeblich ist das Gesamtbild des Betriebs. Liegt ein Gewerbe vor, wird dieses Erfordernis vermutet (§ 1 Abs. 2 HGB). Der Kiosk ist ein Gewerbe. Das Erfordernis einer kaufmännischen Einrichtung wird vermutet. H hat jedoch keine Mitarbeiter und keine kaufmännische Buchhaltung. Auch die Umsatzzahlen sind überschaubar. Es handelt sich um ein Kleingewerbe (§ 2 HGB), bei dem eine kaufmännische Einrichtung nicht erforderlich ist.
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