+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K und B sind in einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Sie beenden das Verfahren durch einen Vergleich. Dieser kommt durch einen schriftlichen Vergleichsvorschlag zustande, den K und B dem Gericht unterbreitet haben. In diesem Vergleich verpflichtet sich B, dem K ein Grundstück zu übereignen.
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Einordnung des Falls
Gerichtlicher Vergleich ersetzt notarielle Form
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der gerichtliche Vergleich ist rein prozessualer Natur.
Nein!
Ein Vergleich vor Gericht wird auch Prozessvergleich genannt und ist in § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geregelt. Im Prozess geschlossene Vergleiche haben eine Doppelnatur. Sie sind eine Prozesshandlung, die auf Verfahrensbeendigung abzielt. Gleichzeitig handelt es sich um einen materiell-rechtlichen Vergleich (§ 779 BGB) der die Rechte und Pflichten festlegt. Folge dieser Doppelnatur: Die Wirksamkeit des Vergleichs setzt voraus, dass die prozessualen und die materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.
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2. Die Verpflichtung, ein Grundstück zu übereignen, bedarf der notariellen Beurkundung.
Genau, so ist das!
Für das schuldrechtliche Geschäft folgt dies aus § 311b Abs. 1 S. 1 BGB. Die notarielle Beurkundung ist in § 128 BGB normiert. Allerdings kommt eine Heilung nach § 311b Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht, wenn ein formunwirksamer Vertrag vollzogen wird. BEACHTE: Die Auflassung (§§ 873, 925 Abs. 1 BGB) setzt materiell-rechtlich eine notarielle Beurkundung nicht voraus! In der Praxis wird dennoch regelmäßig auch die Auflassung notarielle beurkundet, weil dies Voraussetzung für die Eintragung im Grundbuch ist (§§ 20, 29 Abs. 1 GBO).
3. Gerichtliche Vergleiche kommen immer durch Schriftsätze zustande.
Nein, das trifft nicht zu!
Gerichtliche Vergleiche kommen zustande
(1) in der mündlichen Verhandlung, wenn der Vergleich in das Sitzungsprotokoll aufgenommen wurde (§§ 160 Abs. 3 Nr. 1 Var. 3 ZPO) oder
(2) durch einen schriftlichen Vergleichsvorschlag der Parteien (§ 278 Abs. 6 Alt. 1 ZPO) oder
(3) durch Annahme eines schriftlichen Vergleichsvorschlags des Gerichts durch Schriftsatz (§ 278 Abs. 6 Alt. 2 ZPO).
4. Der gerichtliche Vergleich nach § 278 Abs. 6 Alt. 1 ZPO wahrt das Formerfordernis der notariellen Beurkundung, § 127a BGB.
Ja!
Während diese Frage für den Vergleich nach § 278 Abs. 6 Alt. 2 ZPO bislang überwiegend bejaht wurde, weil das Gericht hier mitwirkt und die Beratungsfunktion des Notars erfüllt, war dies für den schriftlichen Vergleich ohne Mitwirkung des Gerichts gemäß § 278 Abs. 6 Alt. 1 ZPO bislang umstritten. Der BGH hat die Frage nun dahingehend beantwortet, dass § 127a BGB analog anwendbar ist. Eine unmittelbare Anwendung scheidet aus, weil im Verfahren nach § 278 Abs. 6 Alt. 2 ZPO kein Protokoll errichtet wird. Eine planwidrige Regelungslücke besteht, weil § 127a BGB vor § 278 Abs. 6 ZPO in Kraft trat. Eine vergleichbare Interessenlage liegt vor, weil § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht zwischen den verschiedenen gerichtlichen Vergleichen differenziert. Dies ergibt sich auch aus § 491 Abs. 4 BGB. Auch der Übereilungsschutz und die Beweisfunktion gebieten die Beratungsfunktion keine Differenzierung, weil § 127a BGB gerichtliche Vergleiche in ihrer Wirkung der notariellen Beurkundung gleichstellt, besondere Belehrungspflichten des Gerichts aber nicht vorsieht (BGH RdNr. 31ff.).
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