Öffentliches Recht

VwGO

Allgemeine Leistungsklage

Qualifiziertes Rechtsschutzinteresse: Vorbeugende Unterlassungsklage bei erstmaligen Handeln (Fall 2)

Qualifiziertes Rechtsschutzinteresse: Vorbeugende Unterlassungsklage bei erstmaligen Handeln (Fall 2)

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Zauberer Z hat ein seit Jahren unbenutztes Grundstück im Wald. Gemeinde G erklärt öffentlich, das Grundstück zwei Monate lang für eine Corona-Teststation für Elfen und Kobolde im Wald nutzen zu wollen. Z will das verhindern, weil er Coronaleugner ist.

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Einordnung des Falls

Qualifiziertes Rechtsschutzinteresse: Vorbeugende Unterlassungsklage bei erstmaligen Handeln (Fall 2)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Z klagt. Er wendet sich gegen ein zukünftiges Verwaltungshandeln. In Betracht kommt die allgemeine Leistungsklage.

Genau, so ist das!

Wendet sich der Kläger gegen zukünftiges Verwaltungshandeln (= vorbeugender Rechtsschutz), muss auf die in der VwGO genannten Klagearten zurückgegriffen werden. In Betracht kommt insbesondere die allgemeine Leistungsklage in Form einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage gegen hoheitliches Handeln. Diese ist der subsidiären und meist weniger rechtsschutzintensiveren Feststellungsklage vorzuziehen. Gs geplante Nutzung des Grundstücks als Testzentrum der Gemeinde ist hoheitliches Realhandeln. Statthaft ist die vorbeugende Unterlassungsklage. Sollte in der Klausur die Behörde den Z per Verwaltungsakt zur Duldung der Nutzung des Grundstücks verpflichten wollen (vorbeugender Rechtsschutz gegen drohenden Verwaltungsakt), ist ebenfalls die allgemeinen Leistungsklage statthaft. Eine vorbeugende Anfechtungsklage gibt es nicht.
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2. Für den vorbeugenden Rechtsschutz reicht es aus, dass Z allgemein rechtsschutzbedürftig ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Im repressiven Rechtsschutz wird im Normalfall unterstellt, dass der Kläger rechtsschutzbedürftig ist. Begehrt der Kläger jedoch präventiven (= vorbeugenden) Rechtsschutz, egal in welcher Form, muss ein besonderes (= qualifiziertes) Rechtsschutzbedürfnis vorliegen. Das besondere Rechtsschutzbedürfnis liegt bei Klagen gegen erstmalig zu erwartendes Handeln der Verwaltung vor, wenn (1) eine tatsächliche Begehungsgefahr besteht und es dem Kläger unzumutbar ist, auf repressiven Rechtsschutz verwiesen zu werden. Z will gegen erstmaliges Handeln der Verwaltung präventiv vorgehen. Er muss besonders rechtsschutzbedürftig sein.

3. Das besondere Rechtsschutzbedürfnis des Z scheitert bereits an der erforderlichen Begehungsgefahr.

Nein!

Damit ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis bejaht werden kann, muss im Rahmen einer vorbeugenden Klage gegen erstmaliges Verwaltungshandeln zunächst eine tatsächliche Begehungsgefahr bestehen. Das bedeutet, dass die Vornahme des Handelns der Verwaltung wahrscheinlich ist. G hat öffentlich angekündigt, das Grundstück des Z nutzen zu wollen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie das auch tun wird. Damit besteht die erforderliche Begehungsgefahr.

4. Wendet sich der Kläger gegen bevorstehendes Realhandeln der Verwaltung, kann es ihm in der Regel zugemutet werden, auf repressiven Rechtsschutz verwiesen zu werden.

Nein, das ist nicht der Fall!

Gegen künftige Verwaltungsakte oder Rechtsnormen kann der Kläger grundsätzlich effektiv repressiven Rechtsschutz erlangen (§ 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO, § 47 VwGO) - ggf. i.V.m. vorläufigem Rechtsschutz (§§ 80f. VwGO, § 47 Abs. 6 VwGO). Bei Verwaltungsakten haben Widerspruch und Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Anders verhält es sich bei bevorstehendem rein tatsächlichem Verhalten der Behörde. Hier ist repressiver Rechtsschutz häufig unzureichend. Denn der Kläger kann auf geschehenes Realhandeln nur mithilfe einer Leistungsklage - gerichtet auf die Beseitigung der Folgen - oder eines Feststellungsklage - gerichtet auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Handelns - reagieren. In der Regel ist die Klausur in diesen Fällen darauf angelegt, dass das Rechtsschutzbedürfnis bejaht werden kann.

5. Es dürfte Z nicht zumutbar sein, auf repressiven Rechtsschutz verwiesen zu werden. Das ist hier der Fall. Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis besteht.

Nein, das trifft nicht zu!

Es ist unzumutbar, den Kläger auf repressiven Rechtsschutz zu verweisen, wenn das behördliche Verhalten vollendete Tatsachen schafft oder es Folgen hat, die nicht oder nur schwer rückgängig zu machen sind oder einen besonders schweren Nachteil für den Betroffenen bedeuten. Beginnt G mit dem Aufbau der Teststation, wird Z dadurch weder vor vollendete Tatsachen gestellt, noch schafft G damit irreparable Folgen für Z. Z nutzt das Grundstück seit Jahren nicht, sodass Gs Pläne auch keinen großen Nachteil für ihn begründen. Es ist Z zumutbar, repressive eine Leistungsklage - ggf. i.V.m. einem Antrag gemäß § 123 Abs. 1 VwGO - zu erheben, sobald G mit dem Aufbau des Zentrums beginnt. Das ist mit entsprechenden Argumenten auch anders vertretbar.
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