Öffentliches Recht
VwGO
Fortsetzungsfeststellungsklage
Statthaftigkeit der FFK bei rechtsverletzenden Verwaltungsakten, deren Aufhebung ausgeschlossen ist: analoge Anwendung
Statthaftigkeit der FFK bei rechtsverletzenden Verwaltungsakten, deren Aufhebung ausgeschlossen ist: analoge Anwendung
20. Mai 2025
9 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die zuständige Baubehörde B erlässt einen materiell rechtmäßigen Baustopp gegenüber A. Allerdings fehlt in dem Bescheid eine Begründung. B hat sich ausführlich mit den Gründen des Baustopps auseinandergesetzt, die Begründung nur versehentlich nicht mitgeschickt. A möchte feststellen lassen, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist.
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Einordnung des Falls
Statthaftigkeit der FFK bei rechtsverletzenden Verwaltungsakten, deren Aufhebung ausgeschlossen ist: analoge Anwendung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO findet ausschließlich Anwendung, wenn sich ein Verwaltungsakt nach Klageerhebung erledigt hat.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine analoge Anwendung von § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO kommt auch in Betracht, wenn die Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ausgeschlossen ist.
Genau, so ist das!
3. Der belastete Adressat hat immer einen Anspruch auf Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts.
Nein, das trifft nicht zu!
4. B hat den Baustopp ohne Begründung erlassen. A hat schon aus diesem Grund einen Anspruch darauf, dass der Baustopp aufgehoben wird.
Nein!
5. Eine gerichtliche Aufhebung des Baustopps scheidet aus. In Betracht kommt nur ein Antrag nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO analog auf Feststellung der (formellen) Rechtswidrigkeit des Baustopps.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Praetor
19.5.2022, 19:44:20
Aber würde hier nicht gerade die Subsidiarität der
FFKgelten, bzw. liegt doch hier ein zwar nach §46 nicht nichtiger, aber doch offensichtlich formell rechtswidriger Verwaltungsakt vor. Dieser wäre doch mit der Anfechtungsklage effektiver zu beseitigen, auch wenn die
Behördewohl ihre Begründung zur Heilung nachreichen würde. Irgendwie erschließt sich mir aus dieser Aufgabe die Notwendigkeit einer
FFKnicht.

Praetor
19.5.2022, 19:47:44
Bzw. würde euer Fall besser funktionieren, wenn bspw. nur die Anfechtungsfrist verstrichen wäre, da mir das Argument der fehlenden Nichtigkeit irgendwie nicht einleuchten will.

Dominik
1.6.2022, 15:04:37
Hey Praetor, klar der VA ist formell rechtswidrig, aber eben
materiell rechtmäßig. Die fehlende Begründung sorgt nicht für Nichtigkeit nach §
44 VwVfG, ist potentiell heilbar nach § 45 I Nr. 2 VwVfG, kann aber gerade wegen § 46 VwVfG auch bei fehlender Heilung bei einem ansonsten rechtmäßigen VA nicht zur Aufhebung führen. Mit der Anfechtungsklage ist der VA nicht zu beseitigen. Das heißt nicht, dass eine Anfechtungsklage ausgeschlossen ist, sie hätte aber keinen Erfolg.

Praetor
1.6.2022, 21:41:55
Danke für die Bestätigung, jetzt weiß ich auch wie es zu verstehen ist. Diese „
Sperrwirkung“ des 46 VwVfG war mir tatsächlich bisher nicht geläufig und der Bezug zur AK drängt sich aus dem Wortlaut ja auch nicht auf 😅

Juraddicted
2.12.2024, 18:38:45
Wo in der Klausur würde man das ausführen? Nur in der
Statthaftigkeit? Oder kommt das später bei der Form, beim
Rechtsschutzbedürfnisund in der
Begründetheitebenso? Vielen Dank :)

Linne_Karlotta_
14.4.2025, 15:27:28
Hey @[Juraddicted](96780), danke für Deine Frage. Generell gilt: Du musst die Probleme überall dort ansprechen, wo sie relevant sind. I.d.R. bietet es sich an, eine ausführliche Darstellung an der ersten Stelle in der Prüfung vorzunehmen, wo ein Problem relevant ist. Im Verwaltungsrecht ist dies oftmals der Prüfungspunkt der statthaften Klageart. Denn, um heraus zu finden, welche Klageart dem Begehren und dem Rechtsschutzinteresse des Klägers entspricht, muss man sich oftmals bereits i.R.d. statthaften Klageart konkret Fragen, welches Handeln der Kläger von der
Behördeverlangen kann (bzw. ob er überhaupt einen Anspruch gegen die
Behördegeltend machen kann). Hätte der Kläger in diesem Fall einen Anspruch darauf, dass die
Behördeden Verwaltungsakt aufhebt, dann wäre vorrangig die
allgemeine Leistungsklagestatthaft. Nachfolgend prüfst Du „ganz normal“ die Zulässigkeit der
Feststellungsklage. I.R.d.
Feststellungsinteressesolltest Du auf das berechtigte Interesse an der
Feststellungzu sprechen kommen. Darunter ist zunächst jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse, sei es rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, zu verstehen (Schoch/Schneider/Marsch, 46. EL August 2024, VwGO § 43 RdNr. 32, beck-online). In diesem Fall kannst Du darauf verweisen, dass es der effektive Rechtsschutz gebietet, dass der Kläger gegen einen rechtswidrig ergangenen Verwaltungsakt vorgehen kann. Sofern er keinen Anspruch auf Aufhebung des Verwaltungsakt hat, muss er zumindest die
Rechtswidrigkeitfeststellen lassen können. An dieser Stelle überschneiden sich die Argumente für die
Statthaftigkeitder
Feststellungsklagemit der Argumentation für das berechtigte Interesse. Du kannst insoweit teilweise auf Deine vorherigen Ausführungen verweisen. Wichtig ist dennoch, dass Du nicht „losgelöst“ nach oben verweist, sondern das berechtigte Interesse zunächst sauber definierst und so deutlich machst, dass Du weißt, was Du prüfst und nicht einfach nur ein Problem auswendig gelernt hast. Im Rahmen der
Begründetheitprüfst Du dann nur noch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ergangen ist. Hier kommst Du also nicht mehr auf das Problem zu sprechen, ob der Kläger einen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts hat oder nicht. Denn dies wäre Gegenstand der
Begründetheitsprüfung der allgemeinen
Leistungsklage, deren
StatthaftigkeitDu ja gerade verneint hast. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

Linne_Karlotta_
14.4.2025, 15:41:13
Hey @[Juraddicted](96780), danke für Deine Frage. Generell gilt: Du musst die Probleme überall dort ansprechen, wo sie relevant sind. I.d.R. bietet es sich an, eine ausführliche Darstellung an der ersten Stelle in der Prüfung vorzunehmen, wo ein Problem relevant ist. Im Verwaltungsrecht ist dies oftmals der Prüfungspunkt der statthaften Klageart. Denn, um heraus zu finden, welche Klageart dem Begehren und dem Rechtsschutzinteresse des Klägers entspricht, muss man sich oftmals bereits i.R.d. statthaften Klageart konkret Fragen, welches Handeln der Kläger von der
Behördeverlangen kann (bzw. ob er überhaupt einen Anspruch gegen die
Behördegeltend machen kann). Hätte der Kläger in diesem Fall einen Anspruch darauf, dass die
Behördeden Verwaltungsakt aufhebt, dann wäre vorrangig die
allgemeine Leistungsklagestatthaft. Nachfolgend prüfst Du „ganz normal“ die Zulässigkeit der
Fortsetzungsfeststellungsklage. I.R.d.
Rechtsschutzbedürfnisses solltest Du auf das berechtigte Interesse an der
Feststellung, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ergangen ist, zu sprechen kommen. In diesem besonderen Fall kannst Du das
Feststellungsinteressebereits darauf stützen, dass der Kläger ansonsten weitereichend in seinen Rechtsschutzmöglichkeiten eingeschränkt ist, da eine Anfechtungsklage wegen § 46 VwVfG vermutlich ohne Erfolg bleiben wird. Nach der Ansicht, die die
Statthaftigkeitder Fortsetzungsklage in diesem Fall annimmt, gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, dass der Bürger zumindest feststellen lassen kann, dass die
Behörderechtswidrig gehandelt hat. Auch, wenn der Verwaltungsakt im Endeffekt bestehen bleibt und der Adressat ihm Folge zu leisten hat. Falls weitere Anhaltspunkt im Sachverhalt sind, die Du für das
Feststellungsinteresseverwenden kannst, z.B. „der Bauherr plant weitere Bauprojekte und befürchtet, die
Behördewird weiterhin unbegründete Baustopps erlassen“ (= Wiederholungsgefahr), solltest Du zusätzlich darauf abstellen. Generell gilt – wie immer: Schaue, worauf Dich der Sachverhalt stoßen soll. Im Rahmen der
Begründetheitprüfst Du dann nur noch, ob der Verwaltungsakt rechtswidrig ergangen ist. In diesem Fall würdest Du dann die formelle
Rechtswidrigkeitbejahen. Hier kommt es - im Gegensatz zur Anfechtungsklage – gerade nicht auf die §§ 45, 46 VwVfG an. Denn es geht nicht darum, den Verwaltungsakt aufzuheben. Im Rahmen der
Begründetheitkommst Du also nicht mehr auf das Problem zu sprechen, ob der Kläger einen Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsakts hat oder nicht. Denn dies wäre Gegenstand der
Begründetheitsprüfung der allgemeinen
Leistungsklage, deren
StatthaftigkeitDu ja gerade verneint hast. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

Juraddicted
16.4.2025, 11:37:25
Liebe Linne, vielen Dank für Deine Mühe! Das hat mir wirklich sehr geholfen. Damit habe ich den Fall und das Problem noch besser verorten und somit noch mehr lernen können. Generell kann es für mich nie genug „Klausurhinweise“ und Einbindungen in eine Klausurlösung geben, denn darauf kommt es ja im Examen (leider 😅) an. Liebe Grüße
okalinkk
16.5.2025, 11:24:42
ich verstehe nicht so ganz, wo der Va sich hier erledigt haben soll? Er besteht doch weiterhin?