Öffentliches Recht

Grundrechte

Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)

Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Schutz auch vor nur kurzzeitiger Datenerhebung bei sofortiger anschließender Löschung

Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Schutz auch vor nur kurzzeitiger Datenerhebung bei sofortiger anschließender Löschung

4. Juli 2025

6 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bundesland B nimmt an seinen Autobahnen automatisierte KFZ-Kennzeichenkontrollen im Rahmen von Personenfahndungen vor. Soweit ein nicht bei der Fahndung gesuchtes Kennzeichen erfasst wird, werden diese "Nichttreffer" sofort nach Erfassung wieder gelöscht.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Schutz auch vor nur kurzzeitiger Datenerhebung bei sofortiger anschließender Löschung

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer 2021

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Auch die Automodelle werden teilweise erfasst. Sie werden aber stets automatisch aus den Fotos geschnitten. Die Erfassung der Modelle stellt dennoch einen Grundrechtseingriff dar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Grundsätzlich stellt jede Erfassung personenbezogener Daten einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. An der Eingriffsqualität fehlt es jedoch, sofern Daten ungezielt und technikbedingt zunächst miterfasst, aber unmittelbar nach der Erfassung technisch wieder automatisch, anonym und ohne Erkenntnisinteresse für die Behörden ausgesondert werden. Die Modelle werden nur technisch bedingt mit erfasst. Sie werden danach stets und damit unabhängig von etwaigen Erkenntnisinteressen automatisch ausgesondert. Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liegt damit nicht vor.
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2. Das Kennzeichen von Autofahrer F wird als "Nichttreffer" sofort gelöscht. Die vorige Erfassung greift dennoch in seine Grundrechte ein.

Ja, in der Tat!

Ob ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei der sofortigen Löschung nach Erfassung vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob sich ein behördliches Interesse an den Daten bereits spezifisch verdichtet hat. Die "Nichttreffer" werden mit erfasst, um aus einer größeren Datenmenge eine kleinere Datenmenge an "Treffern" herauszufiltern. Sie werden in diesem Rahmen auch konkret verwendet und mit bereits bestehenden Fahndungsdaten abgeglichen. Die Behörde hat somit ein besonderes Interesse an den Daten, welches sich durch die konkrete Verwendung auch spezifisch verdichtet hat. Ein Eingriff in die Grundrechte des F liegt somit vor.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

REDP

RedPrometheus

15.2.2023, 10:33:17

Dieser Fall kam beim 1. Examen in Niedersachsen im Frühjahr 2021 dran.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.2.2023, 11:08:37

Hallo RedPrometheus, danke für die Information! Wir haben den Fall entsprechend getaggt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

ASA

asanzseg

7.3.2023, 14:10:17

und in NRW... spreche aus eigener Erfahrung :D

QUIG

QuiGonTim

27.6.2024, 11:20:37

Liebes Jurafuchsteam, vielen Dank für die Aufbereitung des Falls. Allerdings sind bei mir ein paar Fragen offen geblieben. (1) Eingriffsbegriff Der Schwerpunkt des Falls liegt anscheinend auf der Eingriffsqualität der kurzfristigen Datenspeicherung (und ggf.

Verwendung

im Rahmen des Datenabgleichs). Hat das Gericht einen bekannten Eingriffbegriff zugrundegelegt, um einen Maßstab zu bilden? Und wie sollte man diesbezüglich der Klausur sinnvollerweise vorgehen? (2) Schutzbereichsbestimmung durch die

Behörde

Anscheind wird die Eingriffsqualität der Datenspeicherung durch das Vorliegen eines behördlichen Interesses an den Daten begründet. Führt dies nicht letztlich zu dem systemwidrigen Ergebnis, dass die grundrechtsverpflichtete

Behörde

druch die Formulierung ihres Dateninteresses die Eingriffsschwelle selbst bestimmt?

SM2206

SM2206

5.2.2025, 00:16:24

Was einen Grundrechtseingriff darstellt, ist eines der umstrittensten Themen im öffentlichen Recht. Das unterschlagen viele Lehrbücher leider. Zwar besteht beim klassischen Eingriff noch weitgehend Einigkeit, beim modernen ist aber ausnahmslos alles heillos umstritten. Manche orientieren sich daran, wie viele Voraussetzungen des klassischen Eingriffsbegriffs noch erfüllt sind, manche zusätzlich daran, wie weit die Kausalkette zwischen Staatshandeln und Grundrechtsbeeinträchtigung ist oder und wie intensiv die Schutzbereichsbeeinträchtigung. Streitig ist dann auch, ob der Eingriff immer ein Handeln, also aktives Tun, voraussetzt, oder ob auch ein Unterlassen ausreichen kann. Dann ist zweifelhaft, wann überhaupt eine relevante Grundrechtsbeeinträchtigung vorliegt. Letztlich geht es um eine Wertungsfrage. Diese Formel vom Staatshandeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht, ist bestenfalls eine Annäherung. Vertreten kann man also so ziemlich alles, solange man irgendwie nachvollziehbar argumentiert. An der Rspr. des BVerfG kann man sich dabei auch nicht wirklich orientieren, weil auch hier mit unterschiedlichen Maßstäben und Begriffen gearbeitet wird. Als Richtlinie kann dienen, dass man im Zweifel einen Eingriff annehmen sollte, weil die Klausur sonst zuende wäre bzw. ein Hilfsgutachten erforderlich würde. Die meisten Klausuren sind aber so aufgebaut, dass sie "durchgehen", ein Hilfsgutachten also möglich, aber nicht der Musterlösung entspricht.

LS2024

LS2024

17.1.2025, 12:50:26

Der für mich springende Punkt in diesem Fall ist folgender: "Die Einbeziehung der Daten auch von Personen, deren Abgleich letztlich zu Nichttreffern führt, erfolgt nicht ungezielt und allein technikbedingt, sondern ist

notwendige

r und gewollter Teil der Kontrolle und gibt ihr als Fahndungsmaßnahme erst ihren Sinn."


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