+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B sucht auch jemanden zur Aktualisierung der Instagram Seite ihrer Bar. In der Stellenanzeige verlangt sie, dass die Bewerber:innen „Deutsch als Muttersprache“ sprechen. B lehnt S' Bewerbung ab. S spricht fließend Deutsch, ist aber in Madrid aufgewachsen.
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Einordnung des Falls
Stellenanzeige – Deutsch als Muttersprache
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist der Anwendungsbereich des AGG eröffnet?
Ja!
Die Vorschriften des AGG sind nur anwendbar, wenn der sachliche (§ 2 Abs. 1 AGG) und persönliche Anwendungsbereich (§ 6 AGG) eröffnet ist und keine anderen Gesetze vorrangig sind (§ 2 Abs. 2-4 AGG).Die Stellenanzeige regelt die Einstellungsbedingungen der B und fällt damit in den sachlichen Schutzbereich des AGG (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG). S ist Bewerberin und unterliegt damit dem persönlichen Schutzbereich (§ 6 Abs. 1 S. 2 AGG).
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2. Hat B die S durch die Stellenanzeige und die spätere Ablehnung unmittelbar benachteiligt?
Nein, das ist nicht der Fall!
Der Begriff der unmittelbaren Benachteiligung ist in § 3 Abs. 1 AGG legaldefiniert. Sie liegt vor, wenn jemand aufgrund eines in § 1 AGG pönalisierten Merkmals (z.B. Alter) eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.Die Sprache ist nicht explizit als pönalisiertes Merkmal in § 3 Abs. 1 AGG genannt, weshalb eine unmittelbare Beeinträchtigung ausgeschlossen ist.
3. Hat B die S durch die Stellenanzeige und die spätere Ablehnung mittelbar benachteiligt?
Ja, in der Tat!
Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn ein dem Anschein nach neutrales Kriterium geeignet ist, eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise zu benachteiligen (§ 3 Abs. 2 Hs. 1 AGG). Der Begriff „Muttersprache“ betrifft den primären Spracherwerb. „Muttersprache“ ist die Sprache, die man von Kind auf oder als Kind – typischerweise von den Eltern – gelernt hat. Die Muttersprache betrifft mithin in besonderer Weise den Sprachraum und damit die ethnische Herkunft eines Menschen. Damit liegt eine mittelbare Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft der S vor.
4. Da es bei der Pflege des Instagram-Accounts besonders auf die deutsche Sprache ankommt, ist die Benachteiligung gerechtfertigt.
Nein!
Die mittelbare Benachteiligung ist gerechtfertigt, wenn ein rechtmäßiges Ziel vorliegt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und angemessen sind.B hat zwar ein berechtigtes Interesse an einem fehlerfreien Internetauftritt. Nicht ersichtlich ist aber, wofür es hierfür eines Muttersprachlers bedarf. Vielmehr können auch Nicht-Muttersprachler ausreichend gute Sprachkenntnisse zur Pflege der Seite mitbringen. Damit ist das Kriterium Deutsch als Muttersprache bereits nicht erforderlich.Als alternative Formulierung bietet sich insoweit an, „sehr gute“ Deutschkenntnisse zu verlangen.
5. Aufgrund der mittelbaren Benachteiligung kann S Ersatz für die Kosten ihrer erfolglose Bewerbung verlangen.
Nein, das ist nicht der Fall!
§ 15 Abs. 1 AGG gewährt dem Benachteiligten einen Anspruch auf Ersatz der durch die Benachteiligung erlittenen Schäden. Der Schaden muss allerdings kausal durch die Benachteiligung verursacht werden.Die Bewerbungskosten wären S auch dann entstanden, wenn B ihre Bewerbung angenommen hätte. Somit war die Ablehnung nicht kausal für die entstandenen Bewerbungskosten.Auch hier kann S aber unabhängig von konkreten Schadensposten einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen.