Stellenanzeige - m/w/d

7. Juli 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Dachdeckermeisterin D benötigt Personal und inseriert im Internet: „Dachdecker (m/w) gesucht“. Als sich die intersexuelle B meldet, lehnt D ab, weil sie Mitbewerberin M sympathischer findet.

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Einordnung des Falls

Stellenanzeige - m/w/d

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D unterliegt bei der Einstellung von Personal den Vorschriften des AGG.

Ja, in der Tat!

Die Vorschriften des AGG sind nur anwendbar, wenn der sachliche (§ 2 Abs. 1 AGG) und persönliche Anwendungsbereich (§ 6 AGG) eröffnet ist und keine anderen Gesetze vorrangig sind (§ 2 Abs. 2-4 AGG).Die Stellenanzeige regelt die Einstellungsbedingungen der D und fällt damit in den sachlichen Schutzbereich des AGG (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG). B bewirbt sich auf die Stelle und unterliegt damit dem persönlichen Schutzbereich (§ 6 Abs. 1 S. 2 AGG).Auf vorrangige andere Gesetze (§ 2 Abs. 2-4 AGG) ist beim sachlichen Anwendungsbereich nur einzugehen, wenn im Sachverhalt entsprechende Anhaltspunkte vorliegen.
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2. Wenn D B wegen Bs Status als intersexuelle Person nicht eingestellt hat, liegt darin eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts (§ 3 Abs. 1, 1 Abs. 1 AGG).

Ja!

Der Begriff der unmittelbaren Benachteiligung ist in § 3 Abs. 1 AGG legaldefiniert. Sie liegt vor, wenn jemand aufgrund eines in § 1 AGG pönalisierten Merkmals (z.B. Geschlecht) eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Ausweislich der Rechtsprechung des BVerfG geht die deutsche Rechtsordnung nicht von einem rein binären Geschlechtssystem aus. Intersexualität ist insoweit vom Begriff „Geschlecht“ in § 1 AGG erfasst. Sofern die Ablehnung hieran anknüpft, liegt darin eine Schlechterstellung aufgrund des Geschlechts. Liegt kein Ausnahmetatbestand vor (§ 8, 10 AGG), so ist diese Benachteiligung verboten (§ 7 AGG).

3. Muss B nachweisen, dass die Ablehnung erfolgte, weil es sich bei B um eine intersexuelle Person handelt (§ 22 AGG)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Während im Zivilrecht grundsätzlich der Anspruchssteller sämtliche für ihn günstigen Umstände beweisen muss, enthält § 22 AGG eine Beweislastumkehr zugunsten des potentiell Benachteiligten. Kann er Indizien beweisen, die auf eine Benachteiligung aufgrund eines pönalisierten Merkmals schließen lassen, wird die Beweislast umgekehrt. Dann muss vielmehr die andere Partei beweisen, dass sie ihn nicht benachteiligt hat.Dass D lediglich Dachdecker (m/w) und nicht (m/w/d) sucht, indiziert, dass Personen des dritten Geschlechts benachteiligt werden. D muss deshalb nachweisen, dass sie B aus anderen Gründen abgewiesen hat (z.B. mangelnde Erfahrung) oder für die Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts eine Rechtfertigung besteht (§§ 8, 10 AGG).

4. Kann B die D gerichtlich zur Einstellung zwingen, wenn die Ablehnung der Bewerbung gegen das Benachteiligungsverbot verstößt (§ 7 AGG)?

Nein, das trifft nicht zu!

§ 15 Abs. 6 AGG ordnet explizit an, dass auch bei einer ungerechtfertigten Benachteiligung kein Anspruch auf Einstellung besteht.Allein das Vorbringen, dass D die M sympathischer findet, genügt zwar nicht, um die Vermutungswirkung der fehlerhaften Stellenanzeige (§§ 22 iVm 11 AGG) zu entkräften. Nichtsdestotrotz kann D nicht dazu gezwungen werden, B einzustellen. Es droht in diesem Fall aber zumindest die Pflicht eine Entschädigung in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern zu leisten (§ 15 Abs. 2 AGG).
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