Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Umfang des Bereicherungsanspruchs

Auf welche Kenntnis ist bei der Leistungskondiktion im Rahmen von § 819 Abs. 1 BGB beim Minderjährigen abzustellen

Auf welche Kenntnis ist bei der Leistungskondiktion im Rahmen von § 819 Abs. 1 BGB beim Minderjährigen abzustellen

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

E hat sich gerade eine Brezel gekauft. Diese legt sie kurz neben sich, um ihr Portemonnaie einzupacken. Der 15-jährige M stiehlt in diesem Moment die Brezel. M will gerade mit der Brezel weglaufen, als ein Adler kommt, ihm die Brezel aus der Hand pickt und damit wegfliegt.

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Einordnung des Falls

Auf welche Kenntnis ist bei der Leistungskondiktion im Rahmen von § 819 Abs. 1 BGB beim Minderjährigen abzustellen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) sind erfüllt.

Ja!

M hatte die Brezel in sonstiger Weise (nicht durch Leistung) auf Kosten der E, also durch einen Eingriff in ein fremdes Recht, erlangt. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt.
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2. In Fällen der Unmöglichkeit der Herausgabe des Bereicherungsgegenstands ist grundsätzlich Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Kann das Erlangte, die Nutzungen oder das Surrogat nicht (mehr) so, wie es erlangt worden sind, herausgegeben werden, ist nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Voraussetzung ist, dass das Erlangte wegen seiner Beschaffenheit oder aus einem anderen Grunde nicht (mehr) herausgegeben werden kann. Die Wertersatzpflicht steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Einwendung der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) nicht greift.

3. M ist noch bereichert (§ 818 Abs. 3 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

§ 818 Abs. 3 BGB greift nur, wenn (1) der Schuldner nicht mehr bereichert ist und (2) der Schuldner schutzwürdig ist (vgl. §§ 818 Abs. 4, 819 BGB). Der Schuldner ist nicht mehr bereichert, wenn der erlangte Gegenstand untergegangen ist, der Schuldner in verbraucht oder verschenkt hat. Dafür muss geprüft werden, ob das Erlangte selbst oder sein Wert noch im Vermögen des Schuldners ganz oder teilweise vorhanden ist. Der erlangte Gegenstand (Brezel) ist untergegangen. Er ist in keiner Weise mehr in Ms Vermögen vorhanden. M ist nicht mehr bereichert.

4. Der Bereicherungsschuldner kann sich nicht auf eine Entreicherung berufen, wenn er nicht schutzwürdig ist (§§ 819 Abs. 1, 2, 820 BGB).

Ja!

Der Schuldner ist nicht schutzwürdig, wenn (1) Rechtshängigkeit eingetreten ist (§ 818 Abs. 4 BGB), (2) er den fehlenden Rechtsgrund kennt (§ 819 Abs. 1 BGB), (3) die Bereicherung auf einem Gesetzes- oder Sittenverstoß beruht (§§ 819 Abs. 2, 820 BGB) oder (4) er von vornherein mit einer Rückgewährpflicht rechnen musste. Bei Minderjährigen ist für die Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit nach h.M. analog § 828 Abs. 3 BGB bei Deliktsfähigkeit des Minderjährigen auf dessen Kenntnis abzustellen.

5. M ist schutzwürdig (vgl. §§ 819, 820 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Schuldner ist nicht schutzwürdig, wenn er en fehlenden Rechtsgrund kennt (§ 819 Abs. 1 BGB). Bei Minderjährigen ist nach h.M. für die Kenntnis der Rechtsgrundlosigkeit bei Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen auf dessen Kenntnis abzustellen (§ 828 Abs. 3 BGB analog). M hat Es Brezel gestohlen (Diebstahl, § 242 StGB). Dieses bewusste Handeln und auch die Deliktsfähigkeit des M sprechen für eine Einsichtsfähigkeit. Es ist daher auf seine Kenntnis abzustellen. M wusste von der Rechtsgrundlosigkeit (§ 819 Abs. 1 BGB). Er ist daher nicht schutzwürdig hat an E vollen Wertersatz für die Brezel (§ 818 Abs. 2 BGB) zu leisten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAV

David.

25.8.2023, 13:07:51

Ich verstehe nicht ganz was die Funktion eines SE-Anspruchs aus 818 IV, 819, 292, 989, 990 ist, wenn sich der Bösgläubige ohnehin nicht auf

Entreicherung

berufen kann. Grds. ist im Rahmen eines Anspruchs aus §§ 989, 990 ein Verschulden erforderlich, auch wenn der Bösgläubige regelmäßig auch für Zufall haftet (287 S. 2), ist dies ja nicht zwangsläufig der Fall. Wäre es also nicht ein Wertungswiderspruch, wenn man ausnahmslos, ohne Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften, dem bösgläubigen Schuldner es verwehrt sich auf die

Entreicherung

nach §

818 III

zu berufen?

Dogu

Dogu

13.6.2024, 17:39:56

Aber der von Dir genannte Anspruch aus dem Verweis aufs EBV ist doch ein Schadensersatzanspruch.

818 III BGB

bezieht sich auf Bereicherungsansprüche. Das ist doch nicht dieselbe Rechtsfolge, insofern sehe ich da keine Wertungswiderpsrüche. Beim SE aus EBV muss ich ja ggfs. auch noch den entgangenen Gewinn etc. ersetzen.

EVA

evanici

8.9.2023, 14:46:45

Dies aber nur im Rahmen der NLK wegen Deliktsähnlichkeit, bei der LK würde man wegen Vertragsähnlichkeit ja eher auf die gesetzlichen Vertreter abstellen, oder?

NI

Nils

24.6.2024, 09:57:53

Ja genau

mkrg

mkrg

6.11.2024, 15:15:37

Genau, dann geht es über § 166 I BGB analog

WO

Wolli

1.4.2024, 13:24:27

Wie verhält sich hier die

Sperrwirkung des EBV

zur Eröffnung der Ansprüche aus dem Bereicherungsrecht? Der Minderjährige ist zum Zeitpunkt der

Verletzungshandlung

Besitzer ohne Recht zum Besitz.

CR7

CR7

1.4.2024, 18:22:17

So, wie ich es in Erinnerung habe, wird hier

§ 988 BGB

analog angewandt (Fallgruppe

rechtsgrundlos

= unentgeltlich). Demnach wären die § 812 ff. BGB hier anwendbar!

JJO

JJO

16.5.2024, 14:42:30

@[Wolli](208773) Woraus entnimmst du vorliegend die

Sperrwirkung des EBV

? M.E. ist hier keine gegeben. Weder § 993 I BGB noch § 992 BGB sind einschlägig bzw. sperren nicht das Bereicherungsrecht.

WO

Wolli

16.5.2024, 18:54:24

@[JJO](160002) ja stimmt hast recht, 993 sperrt Schadensersatzansprüche und nicht Herausgabe des objektiven Wertes über BeR. Aber angenommen der Typ hätte die Bretzel für 20 Euro weiterveräußern können (252), dann läge doch die Sperrwirkung vor, oder nicht?


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