Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Umfang des Bereicherungsanspruchs

Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB: Luxusaufwendungen

Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB: Luxusaufwendungen

26. April 2025

16 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Studentin S lebt von BAföG. Regelmäßig kauft sie Sachen, um sie teurer weiterzuverkaufen, so auch mit einer Spielekonsole. Von dem Erlös geht sie in ein schickes Restaurant, was sie sich sonst nicht leisten könnte. Verkäufer V ficht den Kaufvertrag über die Konsole wirksam an.

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Einordnung des Falls

Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB: Luxusaufwendungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat gegen S einen Anspruch aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

S hat die Konsole durch Leistung erlangt. Der Rechtsgrund dafür ist aufgrund der Anfechtung als von Anfang an nichtig zu betrachten (h.M.). S hat also etwas durch Leistung und ohne Rechtsgrund erlangt. Der Anspruch besteht.
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2. In Fällen der Unmöglichkeit der Herausgabe des Bereicherungsgegenstands ist grundsätzlich Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Kann das Erlangte, die Nutzungen oder das Surrogat nicht (mehr) so, wie es erlangt worden sind, herausgegeben werden, ist nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Voraussetzung ist, dass das Erlangte wegen seiner Beschaffenheit oder aus einem anderen Grunde nicht (mehr) herausgegeben werden kann. Die Wertersatzpflicht steht allerdings unter dem Vorbehalt, dass die Einwendung der Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) nicht greift.

3. Der Bereicherungsschuldner kann sich grundsätzlich nicht auf die Einwendung der Entreicherung berufen, soweit er Aufwendungen erspart hat.

Ja!

§ 818 Abs. 3 BGB greift nur, wenn (1) der Schuldner nicht mehr bereichert ist und (2) der Schuldner schutzwürdig ist (vgl. §§ 818 Abs. 4, 819 BGB). Selbst wenn das ursprünglich Erlangte weggefallen ist, ist die Bereicherung noch vorhanden, wenn der Schuldner Aufwendungen erspart hat, die er sonst hätte tätigen müssen. Dann ist der Schuldner in Höhe der ersparten Aufwendungen bereichert. Nicht bereichert ist der Schuldner bei sog. Luxusaufwendungen. Hierbei handelt es sich um Ausgaben, die der Schuldner ohne die Verwertung des Bereicherungsgegenstands nicht getätigt hätte.

4. S ist noch bereichert, da sie sich eigene Aufwendungen erspart hat (§ 818 Abs. 2 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Schuldner ist immer noch bereichert, soweit er sich eigene Aufwendungen erspart hat. Allerdings sind Luxusaufwendungen keine ersparten Aufwendungen. Denn das Geld hätte der Schuldner ohne die Bereicherung nicht aufgewandt. Studentin S hätte das Geld für das Restaurant nicht selbst aufgewandt. Das hätte sie sich mit dem ihr zur Verfügung stehenden Geld nicht leisten können. Gemessen an dem normalen Verlauf der Dinge ohne Bereicherung hätte sich S also keine Aufwendungen erspart. Es handelt sich um Luxusaufwendungen. S ist nicht mehr bereichert (§ 818 Abs. 3 BGB). Sie hat keinen Wertersatz zu leisten.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Helena

Helena

1.2.2022, 14:58:44

Vielen Dank für dieses Kapitel! Der Umfang des Bereicherungsanspruchs ist sehr kompliziert, deshalb bin ich froh, dass es jetzt ein Kapitel Pop gibt. Es wäre toll, wenn noch ein paar mehr Fälle hinzu kommen könnten.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

1.2.2022, 16:24:53

Das freut uns, Helena. Wir werden den Bereich gerne noch weiter ausbauen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

FELIXB

FELIXBAYERN123

20.2.2025, 18:12:18

Um auch nochmals meinen lieben Jurafreunden das Lernen zu erleichtern:

Luxusaufwendungen

sind das Gegenteil von ersparten Aufwendungen. Eine Differenzierung ist anhand des

§ 818 III BGB

zu unternehmen. Zudem ist noch darauf hinzuweisen, dass ein Gebrauchsvorteil (§ 100) nicht mit ersparten Aufwendungen gleichzusetzen ist.

ANY

ANY

27.5.2022, 13:45:51

Nicht „wenn er sich eigene Aufwendungen erspart hat“ sondern „soweit“. Demnach müssten doch auch hier ca. 2,50 Euro herausverlangt werden können?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

21.6.2022, 15:34:09

Hallo ANY, danke dir für den Hinweis. Die Formulierung haben wir präzisiert. Der Sachverhalt gibt keine weiteren Informationen über die Höhe der ersparten Aufwendungen, sodass wir in den Antworten auch nicht weiter darauf eingehen. Daher immer im Kopf behalten, das in der Klausur gilt: Der Sachverhalt ist heilig. Vielleicht wäre S ja auch gar nicht essen gegangen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

WH

Why

19.2.2024, 19:09:29

Hat der V also keinerlei Ansprüche gegen S und geht "leer" aus?

LS2024

LS2024

19.5.2024, 11:33:20

Das Frage ich mich auch. Ich antworte mal so wie es meinem Verständnis entspricht. Falls das nicht richtig ist, freue ich mich aber natürlich über eine Richtigstellung: Nein, nach der

Saldotheorie

wären beide Ansprüche zu verrechnen bevor die

Entreicherung

berücksichtigt wird. Wenn die Konsole 400 € wert war und der Käufer 400 € gezahlt hat, dann wäre also der Saldo null. V könnte dann also weder die Konsole herausverlangen, noch könnte K den Kaufpreis zurückverlangen. Nach der eingeschränkten Zweigkondiktionentheorie ist auf die Wertung der §§ 346 f. BGB abzustellen. Da die §§ 346 f. keine

Entreicherung

für gezahlte

Geld

beträge kennen, wäre demnach dem Bereicherungsschuldner (hier der V) die Berufung auf die

Entreicherung

verwehrt. Auch danach müsste K also die Konsole zurückgeben und würde dafür von V 400 € zurückbekommen.

VALA

Vanilla Latte

21.7.2024, 16:14:28

Nach der

Zweikondiktionenlehre

wäre sie entreichert und der Anspruch auf Rückzahlung (-). Könnte aber ihren

Anspruch auf Herausgabe

der Konsole geltend machen. Gerade das Problem will die

Saldotheorie

lösen. So habe ich das immer gedacht. Stimmt das?

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

1.2.2025, 13:56:36

Hallo @[Why](178473), @[LS2024](144077) und @[Vanilla Latte](217055), wie die Ansprüche sich verhalten, hängt vom Meinungsstreit zwischen der

Zweikondiktionenlehre

und der

Saldotheorie

ab: Für die

Zweikondiktionenlehre

sind die gegenseitig bestehenden Ansprüche voneinander unabhängig. Der V hätte also im Grundsatz keinen Anspruch gegen die S und die S hätte Anspruch gegen den V auf Rückzahlung der 400 €. Dass dieses Ergebnis offensichtlich unbillig wäre, haben aber eigentlich alle gesehen. Deswegen hat die Rechtsprechung als Antwort auf dieses Problem die

Saldotheorie

entwickelt, nach der bei gegenseitigen Verträgen die Ansprüche zu saldieren sind, bevor man sich die Frage nach der

Entreicherung

stellt. Demzufolge würden hier insgesamt keine Ansprüche bestehen, da beide gegenseitige Ansprüche in Höhe von 400 € vorliegen und somit ein Saldo von 0 ergeben. Dadurch geht der V jedoch nicht "leer" aus, sondern er darf vielmehr die ursprünglich für die Konsole durch die S gezahlten 400 € behalten. Auch die Literatur, die die

Saldotheorie

ablehnt und die

Zweikondiktionentheorie

vertritt, hat das erkannt und schränkt daher die

Zweikondiktionenlehre

ein, indem sie

§ 818 III BGB

teleologisch reduziert und hier nicht anwendet, da die

Unmöglichkeit

der Herausgabe der S zuzurechnen ist. Vertiefend folgende Übersicht: https://lorenz.userweb.mwn.de/skripten/

saldotheorie

.htm Im Grundsatz hat @[LS2024](144077) die Lage daher richtig dargestellt. Allerdings müsste die S in keinem Fall die Konsole herausgeben, die Herausgabe ist ja gerade durch den Weiterverkauf unmöglich ist und nur noch Wertersatz nach §

818 II

BGB in Betracht kommt. Viele Grüße, Tim - für das Jurafuchs-Team @[Wendelin Neubert](409)

Zogoy

Zogoy

30.9.2024, 14:28:26

Hi , was wäre, wenn S zwar mit dem

Geld

irgendeinen Luxus gekauft hat z.B. Restaurantbesuch oder eine Reise aber eben noch nicht angetreten ist. Dann ist sie weiterhin entreichert oder? Auch wenn die Reise erst noch ansteht?

SCH

Schrobl

9.10.2024, 09:17:38

In einem vergangenen Thread wurde mir mitgeteilt, dass hier ausschließlich die Ansicht vertreten wird, nach der die Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts als Wirksamkeitshindernis betrachtet wird, weswegen die

condictio indebiti

("ohne Rechtsgrund") greift. Hier wird allerdings in der ersten Frage auf die

condictio indebiti

abgestellt, im Erläuterungstext allerdings wörtlich vom "späteren Wegfall" gesprochen, was der Gegenauffassung entspricht und sich auf die condictio ob causam finitam bezieht. Auch wenn ich es schöner fände, wenn generell beide Ansichten gelehrt würden, sollte anderenfalls wenigstens einheitlich und jedenfalls in sich fehlerfrei bei einer Kondition geblieben werden.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

24.1.2025, 16:39:26

Hey @[Schrobl](197591), danke für den Hinweis. Die sprachliche Ungenauigkeit in der Aufgabe habe ich jetzt korrigiert. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team


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