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V, die von BAföG lebt, verkauft alte Schuhe im Internet, um in Restaurants essen zu gehen, die sie sich sonst nicht leisten kann. Dabei täuscht sie Käuferin K arglistig über den Zustand der Schuhe. Bevor K dies bemerkt, gibt V das ganze Geld im Restaurant aus. K ficht wirksam an.

Einordnung des Falls

Kenntnis des fehlenden Grundes – Anfechtbarkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat gegen V einen Anspruch aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

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Ja!

V hat den Kaufpreis durch Leistung erlangt. Der Rechtsgrund dafür ist aufgrund der Anfechtung später weggefallen. V hat also etwas durch Leistung und ohne Rechtsgrund erlangt. Der Anspruch besteht.

2. Der Bereicherungsschuldner kann sich grundsätzlich nicht auf die Einwendung der Entreicherung berufen, wenn er Aufwendungen erspart hat.

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Genau, so ist das!

§ 818 Abs. 3 BGB greift nur, wenn (1) der Schuldner nicht mehr bereichert ist und (2) der Schuldner schutzwürdig ist (vgl. §§ 818 Abs. 4, 819 BGB). Selbst wenn das ursprünglich Erlangte weggefallen ist, ist die Bereicherung noch vorhanden, wenn der Schuldner Aufwendungen erspart hat, die er sonst hätte tätigen müssen. Dann ist der Schuldner in Höhe der ersparten Aufwendungen bereichert. Nicht bereichert ist der Schuldner bei sog. Luxusaufwendungen. Hierbei handelt es sich um Ausgaben, die der Schuldner ohne die Verwertung des Bereicherungsgegenstands nicht getätigt hätte.

3. V ist nicht entreichert, da sie sich eigene Aufwendungen erspart hat (§ 818 Abs. 2 BGB).

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Nein, das trifft nicht zu!

Der Schuldner ist immer noch bereichert, wenn er sich eigene Aufwendungen erspart hat. Allerdings sind Luxusaufwendungen keine ersparten Aufwendungen. Denn das Geld hätte der Schuldner ohne die Bereicherung nicht aufgewandt. V hätte das Geld für das Restaurant nicht selbst aufgewandt. Das hätte sie sich mit dem ihr zur Verfügung stehenden Geld nicht leisten können. Gemessen an dem normalen Verlauf der Dinge ohne Bereicherung hätte sich V also keine Aufwendungen erspart. Es handelt sich um Luxusaufwendungen.

4. V ist nicht schutzwürdig, da bereits Rechtshängigkeit eingetreten ist (§ 818 Abs. 4 BGB).

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Nein!

Der Schuldner kann sich nur auf eine Entreicherung berufen, wenn er auch schutzwürdig ist. Er ist nicht schutzwürdig, wenn (1) bereits Rechtshängigkeit eingetreten ist (§ 818 Abs. 4 BGB). Rechtshängigkeit tritt mit Klageerhebung – hier einer Leistungsklage (§ 261 Abs. 1 ZPO) – und Zustellung der Klageschrift (§ 253 Abs. 1 ZPO) ein. Der Schuldner ist auch nicht schutzwürdig, wenn (2) der Schuldner den fehlenden Rechtsgrund kennt (§ 819 Abs. 1 BGB) oder (3) die Bereicherung auf einem Gesetzes- oder Sittenverstoß beruht (§§ 819 Abs. 2, 820 BGB). Es wurde noch keine Klage erhoben. Rechtshängigkeit ist noch nicht eingetreten.

5. V war zum Zeitpunkt der Luxusaufwendung aus anderem Grund schutzwürdig (§§ 819 Abs. 1, 2, 820 BGB).

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Nein, das ist nicht der Fall!

Der Schuldner ist nicht schutzwürdig, wenn (1) Rechtshängigkeit eingetreten ist (§ 818 Abs. 4 BGB), (2) er den fehlenden Rechtsgrund kennt (§ 819 Abs. 1 BGB), (3) die Bereicherung auf einem Gesetzes- oder Sittenverstoß beruht (§§ 819 Abs. 2, 820 BGB) oder (4) er von vornherein mit einer Rückgewährpflicht rechnen musste. Der positiven Kenntnis vom Mangel des Rechtsgrunds steht die Kenntnis der Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts gleich. V hat hier bewusst getäuscht, wusste also von dem Mangel des Rechtsgeschäfts. V ist nicht schutzwürdig. V kann sich nicht auf eine Entreicherung berufen und muss den vollen Kaufpreis an K herausgeben.

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INDUB

InDubioProsecco

10.6.2023, 20:56:47

Hier könnte man super einen Verweis auf § 142 Abs. 2 BGB einbauen; dieser fehlt im Lösungstext.

CR7

CR7

31.12.2023, 19:00:58

Ja, das fiel mir eben auch auf! :-)

Dogu

Dogu

1.4.2024, 15:10:24

Bitte den Paragraphen noch ergänzen wie in dem anderen Thread vorgeschlagen...

HAR

HarvineSpecter

15.4.2024, 21:08:28

Muss hier nicht danach differenziert werden, wer zur Anfechtung berechtigt ist? Denn V wusste ja bis zur Anfechtung nicht, dass er nicht verpflichtet war.


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