Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Betrug (§ 263 StGB)

Individueller Schadenseinschlag II – Getäuschte zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt

Individueller Schadenseinschlag II – Getäuschte zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt

16. April 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Vertreterin V verkauft Bauer B eine Melkmaschine zum „einmaligen Sonderpreis“ von €350.000, was dem objektivem Wert entspricht. B nimmt wegen des vermeintlichen Sonderangebots ein ungünstiges Darlehen auf. Hätte B gewusst, das dies dem Listenpreis entspricht, hätte er das Darlehen nicht aufgenommen.

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Einordnung des Falls

Individueller Schadenseinschlag II – Getäuschte zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Da der objektive Wert der Melkmaschine dem von B gezahlten Kaufpreis entspricht, liegt kein Vermögensschaden vor.

Nein!

Ein Vermögensschaden ist ein negativer Saldo, welcher im Wege einer Gesamtbetrachtung aller Zu- und Abflüsse im Zusammenhang mit der Vermögensverfügung ermittelt wird. Ein Vermögensschaden entfällt grundsätzlich, wenn die Sache objektiv ihren Preis wert ist und auch zum vertraglich vereinbarten Zweck verwendet werden kann. Allerdings kann ein Vermögensschaden auch darin liegen, dass der Erwerber zu vermögensschädigenden Maßnahmen- wie der Aufnahme eines ungünstigen Darlehens - genötigt wird. B hat nur wegen des „einmaligen Sonderangebots“ das ungünstige Darlehen aufgenommen, sodass er zu einer vermögensschädigenden Maßnahme genötigt wurde.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

N00B

n00b

7.9.2022, 11:47:16

Wie ist das Definitionsmerkmal "nörigen" denn auazulegen? Man könnte ja auch sagen: B wurde zu nichts genötigt sondern hat sich autonom dazu entschieden anlässlich des Sonderangebots ein Darlehen aufzunehmen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.9.2022, 11:20:26

Hallo n00b, "nötigen" ist hier nicht im strafrechtlichen Sinne zu verstehen. Der BGH erklärt das folgendermaßen: " Es kommt vor allem in Betracht, wenn der Getäuschte, um die erforderlichen Mittel zur Erfüllung des Vertrages zu beschaffen, ein anderes wirtschaftlich ungünstiges Geschäft abschließen muss, etwa durch Aufnahme eines hoch zu verzinsenden Darlehens oder durch unvorteilhafte Veräußerungen eines Wertpapiers oder durch den wirtschaftlich ungünstigen Verkauf eines Sachwerts, oder wenn er den Abschluß eines vorteilhaften anderen Geschäfts unterlassen muß. Auch hier kommt es aber auf die Gestaltung der jeweiligen Umstände an." (BGH NJW 1962, 309, 311). Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

juramen

juramen

28.12.2022, 03:24:32

Aber ist das dann nicht sehr vom Zufall abhängig, ob jetzt ein Vermögensschaden eintritt oder nicht? Der Verkäufer weiß ja im Zweifelsfall gar nichts von dem Darlehen… oder fällt das dann auf die Ebene des subjektiven Tatbestandes und der

Vorsatz

entfällt dann ggf.?

AMA

Amastris

22.12.2023, 12:54:42

Ich finde das auch sehr zweifelhaft, ob man in allen Fällen einen Vermögensschaden bejahen kann. Man muss ja nicht unbedingt einen Kredit aufnehmen. Dann kann man den angebotenen Gegenstand eben nicht kaufen. Es obliegt doch einem selbst ob man einen solchen Kreditvertrag abschließt und sich nicht über die überhöhten Zinsen erkundigt hat. Ist morgen ein TV im Angebot und ich nehme dazu einen Kredit mit hohen Zinsen auf, kann ich doch auch keinen Dritten in die Haftung nehmen wenn sich raustellt ein vergleichbarer TV wäre 50 Euro günstiger gewesen. Dann würde es ja nur noch Klagen regnen denn es gibt ja unendlich viele solcher angeblichen Schnäppchen 🤔 Vielleicht könnt ihr das nochmal genauer erklären?

JO

JohnnyLbd

1.7.2024, 13:41:10

Ich kann die Fallgruppe wirklich nur schwer nachvollziehen. Ob ein "Opfer" einen schlecht verzinsten Kredit aufnimmt um ein vermeintliches Sonderangebot abzuschließen ist meiner Ansicht nach nicht der Fehler des Verkäufers. Es wäre ja praktisch uferslos, wenn man dies gerade auch im Kontext der heutigen Möglichkeiten für Kleinkredite etc. betrachtet. Klar geht es hier um 350k, aber im Ergebnis kommt es ja auch auf den individuellen Schadenseinschlag an, d.h. bei Personen mit geringem Einkommen würde ein Kredit für kleinere Beträge mit schlechten Zinsen bedeuten, dass ein Vermögensschaden vorliegen würde. Finde ich schwierig gerade in Anbetracht des

Normzweck

s welcher das Vermögen schützen soll und nicht die Dispositionsfreiheit. Meinungen dazu ?

PET

Petrus

2.1.2024, 12:03:56

Wenn der Vermögensschaden dann in dem ungünstigen Darlehen liegt, dann muss der Verkäufer aber auch

Vorsatz

diesbezüglich haben, dass der Käufer dieses ungünstige Darlehen aufnehmen muss oder? Weil wenn der täuschende Verkäufer keine Ahnung über die finanziellen Verhältnisse des Opfers hat, ihm aber eine objektiv werthaltige Maschine verkauft, dann hat er doch keinen Schädigungs

vorsatz

oder?

Skra8

Skra8

7.2.2024, 10:58:04

Das würde mich auch interessieren! Gegebenenfalls liegt hier

dolus eventualis

vor, weil der Handelnde durch den Zeitdruck und ang

esi

chts der hohen Summe billigend in Kauf nimmt, dass das Opfer ein ungünstiges Darlehen aufnehmen muss. Das kommt mir allerdings doch sehr gekünstelt daher!

FO

forste35

10.2.2025, 11:38:04

auch das würde mich interessieren @jurafuchs :)

Linda

Linda

16.5.2024, 14:11:54

Wenn der Schaden in der Aufnahme des ungünstigen Darlehens liegt, wie steht es dann um die

stoffgleiche Bereicherung

? Schließlich geht es dem Täter ja um den Kaufpreis der Maschine.

FO

forste35

10.2.2025, 11:37:23

Würde mich auch interessieren @jurafuchs :)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

24.2.2025, 15:40:13

Hallo @[Linda](159515), eine absolut berechtigte Frage, danke auch an @[forste35](257528) für die Erinnerung. Unserer verkürzten Sachverhaltsdarstellung lässt sich eine

Absicht stoffgleicher Bereicherung

in der Tat kaum entnehmen. Ohnehin war die Täterin V danach aber "Vertreterin", was nahe legt, dass sie nicht unmittelbar vom Verkaufspreis profitierte. Im Originalfall des BGH, nach der wir unseren Fall grob modelliert haben (BGH NJW 1962, 309), bekam V Provisionszahlungen von der Lieferfirma, auf die man die

Bereicherungsabsicht

hätte stützen können. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

MAG

Magnum

23.1.2025, 16:15:15

Ich meine, dass im parallelen Fall zur

Erpressung

hier kein Vermögensschaden angenommen wurde, weil das relevante Kriterium dort die Existenzgefährdung war. Also die Aufnahme des Darlehens ist nur ein Vermögensschaden, wenn dieses wirtschaftlich existenzgefährdend ist. Ich dachte, der Vermögensschaden bei Betrug und

Erpressung

würde gleichlaufen. Ist das nur unsauber herausgearbeitet oder irre ich mich? Vielen Dank!


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