+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Arbeitnehmer und gleichzeitiger Bandenchef B sitzt aufgrund eines Raubes, den er verübt hat, für ein paar Tage in Untersuchungshaft. Er kann deswegen nicht zur Arbeit erscheinen. Arbeitgeber A teilt ihm daraufhin mit, dass er ihm für die Fehlzeit keinen Lohn zahlen wird.

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Einordnung des Falls

Verschuldete Arbeitsverhinderung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Für einen Anspruch aus § 616 S.1 BGB muss die Arbeitsverhinderung ohne Verschulden des Arbeitnehmers eingetreten sein.

Ja!

Der Lohnanspruch bleibt nach § 616 S.1 BGB nur erhalten, wenn der Arbeitnehmer (1) für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit, (2) durch einen in seiner Person liegenden Grund (3) ohne Verschulden (4) am Erbringen der Arbeitsleistung verhindert ist. Durch dieses Erfordernis des fehlenden Verschuldens des Arbeitnehmers wird ein Ausgleich zwischen den beiderseitigen Pflichten zur Rücksichtnahme von Arbeitgeber und Arbeitgeber erreicht. Es wäre unbillig, die Folgen eines gröblichen Verstoßes gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartenden Verhalten auf den Arbeitgeber abzuwälzen.
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2. Verschulden im Sinne des § 616 S.1 BGB meint ein Verschulden gegenüber dem Arbeitgeber.

Nein, das ist nicht der Fall!

Es handelt sich nicht um ein Verschulden gegenüber dem Arbeitgeber, sondern um ein Verschulden gegen sich selbst. Ein Verschulden im Sinne der Norm liegt somit vor, wenn grob gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartenden Verhalten verstoßen wird. Es gilt daher nicht der Maßstab des § 276 BGB, sondern Grundlage der tatbestandlichen Einschränkung bildet der Rechtsgedanke der Mitverantwortung (§ 254 BGB).

3. B hat einen Anspruch auf Lohnzahlung aus §§ 611a Abs.2, 616 S.1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 S.1 BGB scheidet aus, wenn die Arbeitsverhinderung mit Verschulden des Arbeitnehmers eingetreten ist. Dies meint ein Verschulden gegen sich selbst. B hat mit seinem Verhalten (Raub) gegen das von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhalten verstoßen. Insbesondere musste er aufgrund seines Verhaltens mit der Verurteilung zur Strafhaft rechnen. Somit hat er schuldhaft gehandelt. Ein Anspruch auf Lohnzahlung aus §§ 611a Abs.2, 616 S.1 BGB scheidet folglich aus.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BASA

Barbara Salesch

24.12.2023, 14:06:42

Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn sich später herausstellt, dass B die Tat doch nicht begangen hat und zu unrecht in Untersuchungshaft genommen wurde? Es läge dann ja kein Verschulden gegen sich selbst des B vor. Müsste der Arbeitgeber dann wegen § 616 den Lohn zahlen und hätte ggf. einen Regressanspruch gegen den Staat (Amtshaftung oÄ)?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.2.2024, 14:49:05

Hallo Barbara Salesch, in der Tat wäre in diesem Fall ein Verschulden ausgeschlossen. Zu beachten ist dann aber, dass der Vergütungsanspruch lediglich fortgezahlt wird, wenn die Verhinderung nur eine verhältnismäßig nicht unerhebliche Zeit andauert. Dies wird regelmäßig nicht der Fall sein. Der Arbeitnehmer hat dann aber einen eigenen Anspruch aus § 7 Abs. 2 StrEG gegen den Staat für den Ersatz seines Verdientsausfalls (hierzu auch: BeckOK StPO/Cornelius, 50. Ed. 1.10.2023, StrEG § 7 Rn. 4). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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