Öffentliches Recht

Grundrechte

Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG)

Träger der Menschenwürde: Schutz der Menschenwürde über den Tod hinaus

Träger der Menschenwürde: Schutz der Menschenwürde über den Tod hinaus

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Anhänger einer Sekte möchten den Leichnahm ihres verstorbenen Gurus G ausstellen. G hatte einer solchen Ausstellung zu Lebzeiten allerdings ausdrücklich widersprochen. Die Familie des G sieht die Menschenwürde des G durch die Ausstellung missachtet.

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Einordnung des Falls

Träger der Menschenwürde: Schutz der Menschenwürde über den Tod hinaus

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zu Lebzeiten war G vom persönlichen Schutzbereich der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) erfasst.

Ja, in der Tat!

Die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) schützt in persönlicher Hinsicht jeden Menschen und damit jede natürliche Person. Zu Lebzeiten war G eine natürliche Person und damit durch die Menschenwürde geschützt. Er war somit vom persönlichen Schutzbereich erfasst.
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2. Ist der Leichnam des G vom persönlichen Schutzbereich der Menschenwürde erfasst?

Nein!

Vom persönlichen Schutzbereich der Grundrechte ist nur erfasst, wer grundrechtsfähig ist. Grundrechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Grundrechtsträger sein zu können. Nur Lebende haben die Fähigkeit, Grundrechtsträger zu sein.Beim Leichnam handelt es sich nicht um eine lebende Person. Er ist somit nicht grundrechtsfähig. Mithin ist er nicht vom persönlichen Schutzbereich der Grundrechte inklusive der Menschenwürde erfasst. Die Frage der Grundrechtsfähigkeit von Toten ist ein beliebtes Klausurproblem.

3. Zwar ist der Leichnam des G nicht Träger eines eigenen Würdeschutzes. Ist G gleichwohl auch nach seinem Tod durch die Menschenwürde geschützt?

Genau, so ist das!

Für Tote gilt die staatliche Pflicht zum Schutz der Menschenwürde fort: Nach der Rechtsprechung des BVerfG endet die staatliche Verpflichtung, den Einzelnen vor Angriffen auf seine Menschenwürde zu schützen, nicht mit dem Tod (postmortaler Persönlichkeitsschutz). G ist also auch nach seinem Tod noch durch die staatliche Verpflichtung zum postmortalen Persönlichkeitsschutz und somit durch die Menschenwürde geschützt. Grundlage dieser Rechtsprechung ist der Gedanke, dass Würdeschutz auch das Wissen um die Respektierung des Lebensbildes in der unmittelbaren Erinnerungsfähigkeit der Nachwelt umfasst. Der postmortale Persönlichkeitsschutz verliert deshalb mit Zeitablauf und verblassender Erinnerungsfähigkeit nach und nach an Intensität. In der Klausur wird von Dir hier erwartet, dass Du nicht schreibst, G ist auch als Toter von der Menschenwürde geschützt, dass Du aber erkennst, dass der postmortale Persönlichkeitsschutz als Ausprägung einer staatlichen Schutzpflicht fortbesteht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Pilea

Pilea

16.11.2023, 13:02:47

Ich dachte immer, das postmortale Persönlichkeitsrecht sei Bestandteil des

APR

. Ergibt es sich "nur" aus der Menschenwürde?

Haughty Onion

Haughty Onion

10.12.2023, 12:10:11

Würde ich auch gerne wissen. Vermisse hier die konkrete Normanbindung

BI

Bilbo

27.12.2023, 19:57:18

Hatte hier genau das gleiche Problem, hätte ich ebenfalls nicht an die Menschenwürde direkt angeknüpft.

MEP

Mephisto

1.1.2024, 16:48:06

Der grundrechtliche Anknüpfungspunkt für den postmortale Persönlichkeitsschutz wird nicht einhellig gleich vertreten. Das BVerfG leitet den Schutzanspruch allein aus der Menschenwürde her (Art. 1 I GG), vgl. BVerfGE 30, 173 (194). Demgegenüber plädieren Teile der Literatur für die Anerkennung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes aus Art. 2 I iVm. Art. 1 I GG.

FL

Flohm

13.6.2024, 10:29:44

Wie schreibe/ prüfe ich das in einer Klausur? Der persönliche Schutzbereich ist bei Toten nicht eröffnet. Schreibe ich dann trotzdem beim persönlichen Schutzbereich, dass der Postmortalpersönlichekeit-Schutz vorliegt, weil der persönliche Schutzbereich vor dem Tod eröffnet war ?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

14.6.2024, 16:27:32

Hallo Flohm, danke für deine Frage! Grundsätzlich endet das

APR

und der Grundrechtsschutz mit dem Tod eines Menschen. In seiner Ausprägung als postmortales Persönlichkeitsrecht, abgeleitet aus der Menschenwürde, wirkt es aber über den Tod hinaus. Dabei ist die Intensität des Schutzes abhängig von der verstrichenen Zeit und der Bedeutung der Person im kollektiven Gedächtnis. Letzteres wiederum ist keine Frage des Schutzbereichs sondern des Eingriffs und der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Rechtfertigung. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

FL

Flohm

17.6.2024, 10:27:04

Und wie würde ich das in eienr Klausur schreiben?

G0D0FM

G0d0fMischief

8.8.2024, 09:37:39

Zu prüfen sind in der Begründetheit Schutzbereich - Eingriff - Rechtfertigung Vorliegend würde man aber nicht über den persönlichen Schutzbereich hinauskommen, wenn man annimmt, dass dieser nur für Lebende Menschen eröffnet ist. Wird dann eine Schutzbereichseröffnung zugunsten des postmortalen Persönlichkeitsschutzes soweit fingiert wie dies zur Eröffnung des Schutzbereiches notwendig ist? Und wenn der Schutzbereich des Art. 1 GG eröffnet ist, darf doch keine Abwägung stattfinden, da dies ein absolut geschütztes Grundrecht ist.


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