Abgabe einer eigenen WE/Abgrenzung zur Botenschaft
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Mutter M schickt ihren 5-jährigen Sohn S zum Einkaufen auf den Wochenmarkt. Dabei gibt sie ihm eine Einkaufsliste und Geld mit. S gibt beides an den Händler H weiter. H übergibt S die Einkäufe.
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Einordnung des Falls
Abgabe einer eigenen WE/Abgrenzung zur Botenschaft
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. S hat eine eigene Willenserklärung abgegeben (§ 164 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. S hat H die Willenserklärung seiner Mutter übermittelt.
Ja, in der Tat!
3. S kann Erklärungsbote sein.
Genau, so ist das!
4. Zwischen M und H ist ein Kaufvertrag zustande gekommen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
CharlieHunnam
12.2.2020, 10:47:06
Das S als Minderjähriger im Rahmen der Stellvertretung keine eigene wirksame Willenserklärung abgeben kann stimmt in meinen Augen mit Verweis auf 165 BGB nicht (Stichwort:
rechtlich neutrales Geschäft)
Bellicoder
20.2.2020, 20:00:27
S kann gem. §§ 104 f. BGB keine wirksame Willenserklärung abgeben.
Tr(u)mpeltier
22.3.2020, 16:29:01
@CharlieHunnam: Bei der Gruppe der Minderjährigen musst du differenzieren zwischen Geschaftsunfähigen und beschränkt Geschaftsfähigen. Da ein 5-jähriger geschäftsunfähig (104 Nr. 1 BGB)ist, weist Bellicoder zurecht darauf hin, dass er weder Willenserklärungen annehmen, noch abgeben kann. Nichts anderes folgt aus der von dir zitierten Norm, die eben nur für beschränkt geschäftsfähige gilt.
iustus
11.10.2020, 16:25:56
vielleicht eine banale Frage: kann man die Punkte „Offenkundigkeit“ und „im Rahmen seiner Vertretungsmacht“ in der Prüfungsreihenfolge tauschen, also wie im Wortlaut von §164 I prüfen? Wenn nein: Warum nicht?
Christian Leupold-Wendling
12.10.2020, 11:44:53
Hi Justus, danke für die Frage. Kann man machen. Die Reihenfolge ist an dem Punkt nicht entscheidend.
Dave K. 🦊
20.12.2021, 00:06:09
Könnte man für den Zugang der Annahme auch auf § 151 S. 1 abstellen und sagen, dass der Händler auf den Zugang -nicht auf die Abgabe ;)- verzichtet? LG
Lukas_Mengestu
20.12.2021, 10:35:56
Hallo Dave, das kann man sich natürlich überlegen. Dieser Lösungsweg ist aber bei einem solchen Sachverhalt absolut nicht ratsam. Zum einen liegt hier relativ klar die Initiative bei M. Geht man stattdessen davon aus, dass H hier das Angebot abgegeben hat und lediglich auf den Zugang der Annahmeerklärung der M verzichtet hat, schafft man sich zudem zahlreiche Folgeprobleme. So stellt "Schweigen" grundsätzlich keine (Annahme-)Erklärung dar. Auch wenn Ms Annahmeerklärung H nicht zugehen müsste, müsste die Annahme dennoch nach außen hin in irgendeiner Form kundgetan werden. In Betracht kommt hier allenfalls eine
konkludente Handlung, zB durch Nutzung der Einkäufe. Dann wäre weiter zu fragen, ob hier die Ansprüche des H nach § 241a Abs. 1 BGB ausgeschlossen wären. Dies ist natürlich nicht der Fall, weil M hier die Einkäufe ja bestellt hat. Damit dreht man sich aber im Kreis und räumt letztlich doch ein, dass M das Angebot abgegeben hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Stella2244
5.11.2024, 19:25:32
@[Dave K. 🦊](8949) meint glaub ich Annahme des H. Nur Verzicht auf den Zugang bei M oder?
paul1ne
16.7.2024, 23:17:15
Die Eselsbrücken, auch die zu Abkürzungen, sind wirklich immer einprägsam und hilfreich! Vielen Dank🥰
Foxxy
19.7.2024, 13:28:36
Hallo, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team
Thomas
11.11.2024, 15:41:40
Leo Lee
16.11.2024, 08:37:48
Hallo Thomas, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat könnte man sich hier diese Frage stellen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der Bote - gleichviel, ob Empfangs- oder Erklärungsbote - demjenigen zuzurechnen ist, der sie auch eingesetzt eingesetzt hat, die Erklärung abzugeben bzw. entgegenzunehmen. Dies kann man auch daran erkennen, dass in 120 BGB der Bote "zur..." eingesetzt wird, was impliziert, dass der Einsetzende die Wirkungen daraus zieht. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Schubert § 164 Rn. 79 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
benjaminmeister
16.11.2024, 11:13:17
@[Thomas](
273576) Top Frage! Der H wird den S nicht als Erklärungsboten bestellen wollen, weil damit das Übermittlungsrisiko in seinen Bereich fallen würde. Die Bestellung des S als Boten durch M muss man aber nach dem
objektiven Empfängerhorizontso auslegen müssen, dass er sowohl als Erklärungs-, als auch als
Empfangsbotefungieren soll.