Abgabe einer eigenen WE/Abgrenzung zur Botenschaft


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Mutter M schickt ihren 5-jährigen Sohn S zum Einkaufen auf den Wochenmarkt. Dabei gibt sie ihm eine Einkaufsliste und Geld mit. S gibt beides an den Händler H weiter. H übergibt S die Einkäufe.

Einordnung des Falls

Abgabe einer eigenen WE/Abgrenzung zur Botenschaft

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S hat eine eigene Willenserklärung abgegeben (§ 164 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine wirksame Stellvertretung setzt nach § 164 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung abgibt. Die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig (§ 105 Abs. 1 BGB). Geschäftsunfähig ist, wer das siebente Lebensjahr nicht vollendet hat (§ 104 Nr. 1 BGB). Da ein Geschäftsunfähiger keine eigenen Willenserklärungen abgeben kann, kann er somit kein Stellvertreter nach den §§ 164ff. BGB sein. S ist 5 Jahre alt und damit geschäftsunfähig. Er kann kein Stellvertreter sein.

2. S hat H die Willenserklärung seiner Mutter übermittelt.

Ja, in der Tat!

Ob eine Hilfsperson eine eigene Willenserklärung abgibt oder nur diejenige seines Geschäftsherrn überbringt, beurteilt sich aus Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB). Hat die Hilfsperson hiernach ein gewisses Maß an Entschließungsfreiheit und Handlungsspielraum, so ist sie Vertreter, andernfalls ist sie Erklärungsbote. S hat dem H die Einkaufsliste seiner Mutter ausgehändigt. Es war nach außen hin erkennbar, dass er keinerlei Entscheidungsfreiheit in Bezug auf den Einkauf hatte. Er trat als Bote auf, der die Willenserklärung seiner Mutter übermittelt.

3. S kann Erklärungsbote sein.

Genau, so ist das!

Auch ein Geschäftsunfähiger kann Bote sein. Merke: „Und ist das Kindlein noch so klein, so kann es doch schon Bote sein.“

4. Zwischen M und H ist ein Kaufvertrag zustande gekommen.

Ja, in der Tat!

Überbringt ein Erklärungsbote dem Erklärungsempfänger eine fremde Willenserklärung, geht diese sofort zu. Gibt dagegen jemand eine Willenserklärung gegenüber einem Empfangsboten ab, so geht sie dem Erklärungsempfänger nicht schon mit der Abgabe gegenüber dem Boten, sondern erst dann zu, wenn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit der Weiterleitung zu rechnen ist (sog. menschlicher Briefkasten). S war bei der Übermittlung des Angebots der M Erklärungsbote und bei Empfang der Annahme des H Empfangsbote. Es war damit zu rechnen, dass S die Annahmeerklärung des H an M weiterleitet, sobald er wieder zu Hause ist. In dem Moment kam der Kaufvertrag zustande. Eine gegenüber einem Vertreter abgegebene Willenserklärung geht dagegen direkt mit der Abgabe zu (§§ 164 Abs. 3, 164 Abs. 1 BGB).

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CHA

CharlieHunnam

12.2.2020, 10:47:06

Das S als Minderjähriger im Rahmen der Stellvertretung keine eigene wirksame Willenserklärung abgeben kann stimmt in meinen Augen mit Verweis auf 165 BGB nicht (Stichwort: rechtlich neutrales Geschäft)

Bellicoder

Bellicoder

20.2.2020, 20:00:27

S kann gem. §§ 104 f. BGB keine wirksame Willenserklärung abgeben.

TR

Tr(u)mpeltier

22.3.2020, 16:29:01

@CharlieHunnam: Bei der Gruppe der Minderjährigen musst du differenzieren zwischen Geschaftsunfähigen und beschränkt Geschaftsfähigen. Da ein 5-jähriger geschäftsunfähig (104 Nr. 1 BGB)ist, weist Bellicoder zurecht darauf hin, dass er weder Willenserklärungen annehmen, noch abgeben kann. Nichts anderes folgt aus der von dir zitierten Norm, die eben nur für beschränkt geschäftsfähige gilt.

IUS

iustus

11.10.2020, 16:25:56

vielleicht eine banale Frage: kann man die Punkte „Offenkundigkeit“ und „im Rahmen seiner Vertretungsmacht“ in der Prüfungsreihenfolge tauschen, also wie im Wortlaut von §164 I prüfen? Wenn nein: Warum nicht?

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

12.10.2020, 11:44:53

Hi Justus, danke für die Frage. Kann man machen. Die Reihenfolge ist an dem Punkt nicht entscheidend.

Dave K. 🦊

Dave K. 🦊

20.12.2021, 00:06:09

Könnte man für den Zugang der Annahme auch auf § 151 S. 1 abstellen und sagen, dass der Händler auf den Zugang -nicht auf die Abgabe ;)- verzichtet? LG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.12.2021, 10:35:56

Hallo Dave, das kann man sich natürlich überlegen. Dieser Lösungsweg ist aber bei einem solchen Sachverhalt absolut nicht ratsam. Zum einen liegt hier relativ klar die Initiative bei M. Geht man stattdessen davon aus, dass H hier das Angebot abgegeben hat und lediglich auf den Zugang der Annahmeerklärung der M verzichtet hat, schafft man sich zudem zahlreiche Folgeprobleme. So stellt "Schweigen" grundsätzlich keine (Annahme-)Erklärung dar. Auch wenn Ms Annahmeerklärung H nicht zugehen müsste, müsste die Annahme dennoch nach außen hin in irgendeiner Form kundgetan werden. In Betracht kommt hier allenfalls eine konkludente Handlung, zB durch Nutzung der Einkäufe. Dann wäre weiter zu fragen, ob hier die Ansprüche des H nach § 241a Abs. 1 BGB ausgeschlossen wären. Dies ist natürlich nicht der Fall, weil M hier die Einkäufe ja bestellt hat. Damit dreht man sich aber im Kreis und räumt letztlich doch ein, dass M das Angebot abgegeben hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PAUL1

paul1ne

16.7.2024, 23:17:15

Die Eselsbrücken, auch die zu Abkürzungen, sind wirklich immer einprägsam und hilfreich! Vielen Dank🥰

Foxxy

Foxxy

19.7.2024, 13:28:36

Hallo, vielen Dank für dein Lob! Deine positive Rückmeldung motiviert uns, weiterhin unser Bestes zu geben. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team


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