+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Dressurreiterin R beobachtet heimlich, wie Stallmeisterin S aus ihrem Spind ihr Portemonnaie an sich nimmt und einsteckt. Später erstattet sie bei der Polizei Strafanzeige wegen Diebstahls mit der Behauptung, sie habe beobachtet, dass Pferdepfleger P ihre Brieftasche entwendet hat.
Einordnung des Falls
Grundfall Tathandlung 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die falsche Verdächtigung (§ 164 Abs. 1 StGB) muss bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder einem militärischen Vorgesetzten oder öffentlich erfolgen.
Ja!
Der objektive Tatbestand der falschen Verdächtigung (§ 164 Abs. 1 StGB) setzt voraus, dass der Täter (1) einen anderen (Tatobjekt) (2) bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder einem militärischen Vorgesetzten oder öffentlich (Tatort) (3) einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht verdächtigt hat (Tathandlung).
§ 164 Abs. 1 StGB verdrängt den Auffangtatbestand des § 164 Abs. 2 StGB. Wenn in der Klausur eine rechtswidrige Tat (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) oder eine Dienstpflichtverletzung den Gegenstand der Verdächtigung bildet, musst Du ausschließlich § 164 Abs. 1 StGB prüfen.
2. R hat P "verdächtigt" (§ 164 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
Verdächtigen ist das Unterbieten oder Zugänglichmachen von Tatsachenmaterial, das einen Verdacht gegen eine bestimmte andere Person begründen oder einen schon bestehenden Verdacht verstärken kann. Dies kann nicht nur durch eine Tatsachenbehauptung, sondern auch dadurch geschehen, dass eine Beweislage geschaffen wird, die einen Dritten in Verdacht bringt.
Indem R mit der Behauptung, gesehen zu haben, dass P ihr Portemonnaie eingesteckt hat, Strafanzeige erstattet hat, hat sie den Verdacht auf P gelenkt.