Blockieren des Firmeneingangs

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Im Kampf um die Erhaltung von Arbeitsplätzen setzen sich etwa 150 streikende, aggressiv wirkende Arbeiter aus Protest in den Eingang des Firmensitzes, so dass niemand passieren kann. Sie lassen niemanden passieren. Etliche Kunden treten den Heimweg an.

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Einordnung des Falls

Blockieren des Firmeneingangs

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. In dem Verwehren des Eintritts anderer Personen liegt eine Gewaltanwendung (§ 240 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Der klassische Gewaltbegriff setzt voraus, dass der Täter (1) durch körperliche Kraftentfaltung (2) Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, (3) um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. Indem die Arbeiter in der Gesamtheit für andere Leute den Zugang verwehren, liegt physisch wirkender Zwang vor.
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2. Diese Handlung seitens der Arbeitnehmer ist auch als verwerflich anzusehen (§ 240 Abs. 2 StGB).

Ja!

Die Nötigung durch einen Streik ist grundsätzlich nicht als verwerflich anzusehen, wenn sie sich noch in den Grenzen des Arbeitskampfes bewegt, also sich zum Anlass des Arbeitskampfes nicht als unverhältnismäßig darstellt. Das verfassungsrechtliche garantierte Streikrecht (Art. 9 Abs. 3 GG) gewährt den Mitarbeitern die Möglichkeit der Arbeitsniederlegung. Nicht umfasst ist hiervon dagegen die Blockade des Firmeneingangs. Dieses (unfriedliche) Mittel steht dabei außer Verhältnis zum Zweck, den die Arbeitnehmer durch die Maßnahme erreichen möchten. Somit ist das Verhalten der Arbeiter als verwerflich einzustufen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

Jose

25.1.2022, 16:56:29

Inwiefern ist der Streik denn nicht friedlich? Und muss man das wirklich so sehen, dass Arbeiter, die um ihre Existenzgrundlage kämpfen sozial unerträglich handeln? Finde das steht in keinster Weise auf einer Stufe mit anderen Fällen der

Verwerflich

keit.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.1.2022, 13:20:40

Hallo Jose, danke für die Nachfrage. Wir haben den Hinweistext hier noch etwas präzisiert. Im Arbeitskampf ist der Streik im Grundsatz selbstverständlich ein zulässiges Arbeitskampfmittel und dient auch einem legitimen Zweck. Allerdings ist ein Streik kein Freifahrtschein. Vielmehr berechtigt er die Arbeitnehmer:innen in erster Linie dazu, ihre Arbeit niederzulegen. Darüber hinausgehende Maßnahmen, die den Arbeitgeber aktiv schädigen, wie zB das Versperren der Zugänge zu dem Laden, überschreitet insoweit die Grenzen des Streikrechts und verstößt gegen den Grundsatz der fairen Kampfführung. In diesen Fällen kann dann auch die Schwelle zur Nötigung erreicht sein. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

HAGE

hagenhubl

12.10.2024, 11:03:28

Das erinnert mich an die Landwirte, die das Lager von Edeka blockiert haben als Otto Werbung für Edeka machte. Er benutzte den Spruch: "Lebensmittel verdienen einen Preis. Den niedrigsten."

HAGE

hagenhubl

12.10.2024, 11:10:45

Wie war denn der Flashmob zu bewerten, wo die Gewerkschaft bessere Arbeitsbedingungen für Supermarktmitarbeiter erreichen wollte und Kunden dazu aufrief zum Beispiel Einkaufswagen vollzupacken und im Gang stehen zu lassen oder einzelne Centartikel zu kaufen. Damit wollten sie den Betrieb in den Filialen lahm legen.

Juliaa

Juliaa

23.3.2023, 19:00:24

Hallo liebes Jurafuchs-Team, Warum wird bei den Arbeitern hier die Gewalt bejaht und bei den Sitzblockaden im Rahmen der 2. Reihe Rechtsprechung des BGH nicht? Es ist doch eigentlich in beiden Konstellationen (bei den Sitzblockaden zumindest bei der 1. Reihe) nur psychisch wirkender Zwang.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

24.3.2023, 10:03:22

Hallo Juliaa, der maßgebliche Unterschied sind die Kräfteverhältnis. Ein sitzender Demonstrant stellt für einen Autofahrer, in einem 2 Tonnen schweren Wagen letztlich kein relevantes physisches Hindernis dar. Wenn er wollte, könnte er ohne weiteres über den Demonstrant hinwegrollen. Es halten ihn vielmehr psychische Gründe (Strafrechtliche Konsequenzen, Moral, grds. Hemmung andere Menschen zu töten....) davon ab, auf das Gaspedal zu drücken. Anders verhält es sich hier im "Kampf Mann gegen Mann". Den Kunden wäre es - selbst wenn sie dies wollten - nur unter erschwerten Bedingungen sich zum Eingang "durchzukämpfen". Dieser faktische Unterschied kann insoweit eine unterschiedliche Behandlung durchaus rechtfertigen. Wobei man auch ergänzend erwähnen muss, dass der hier besprochene Fall knapp 40 Jahre vor der 2.Reihe-Rechtsprechung des BVerfG entschieden wurde. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Juliaa

Juliaa

1.4.2023, 19:43:11

Vielen Dank für die Antwort :)


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