Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Besondere öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen
Anspruchsgrenze: Rechtliche Unzulässigkeit
Anspruchsgrenze: Rechtliche Unzulässigkeit
30. Juni 2025
9 Kommentare
4,7 ★ (14.437 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Behörde B hat in der leerstehenden Wohnung des Immobilienhais H den geflüchteten G untergebracht. Gegenüber H erging eine befristete Duldungsverfügung. Nach Ablauf der Frist wird G nirgendwo anders untergebracht, weil es keine alternative Unterkunft gibt. H will das nicht hinnehmen.
Diesen Fall lösen 81,3 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Anspruchsgrenze: Rechtliche Unzulässigkeit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Tatbestand des Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs liegt vor.
Genau, so ist das!
2. H kann die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands in jedem Fall von B verlangen.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Ausweisung des G ist schon aus tatsächlichen Gründen unmöglich.
Nein!
4. Eine Ausweisung des G wäre unverhältnismäßig. Hs Anspruch scheitert aufgrund der rechtlichen Unmöglichkeit.
Genau, so ist das!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Sniter
31.3.2023, 09:38:39
Liebes Jurafuchsteam, der FBA des H richtet sich hier -im Kern- auf die Ausweisung des G. Die Ausweisung muss aber die B - und nicht der H- vornehmen. Für die Ausweisung wiederum braucht die B -wie für jeden VA- eine
Ermächtigungsgrundlage; in Betracht kommt hier die polizeiliche
Generalklausel, welche auf Rechtsfolgenseite aber Ermessen einräumt. Nun habe ich gelesen (JuS 2012, 1079), dass in Obdachlosen-Drittbeteiligungsfällen das Ermessen der
Behördezugunsten des Eigentümers auf Null zu reduzieren ist; der FBA des H scheitert folglich nicht an der rechtlichen
Unmöglichkeit. Wahrscheinlich ist beides vertretbar, ich finde es nur schwierig, dass in beiden Fällen die Lösung jeweils als eindeutig präsentiert wird. Vielen Dank und BG

Falsus Prokuristor
31.3.2023, 19:44:24
Der FBA des H führt grundsätzlich erst zur Ermessensreduzierung in Bezug auf die Ausweisung als Ordnungsverfügung, da die
Behördeinsofern die sog. Folgenbeseitigungslast trifft, sie hat den
rechtswidrigen Zustand schließlich herbeigeführt durch die Einweisung. Allerdings ist diese Rechtsfolge des FBA hier rechtlich unmöglich aufgrund der Grundrechte des G. Es tritt also gerade keine Ermessensreduzierung ein. Tatsächlich ist aufgrund der Situation das Ermessen der
Behördewenn überhaupt in andere Richtung reduziert, sodass sie den G nicht ausweisen darf, da dies unverhältnismäßig wäre.

Sebastian Schmitt
15.4.2025, 12:24:16
Hallo @[Sniter](188129), darüber kann man sicherlich diskutieren. In dem von Dir zitierten Aufsatz steht zunächst mal nicht, dass das
Ermessen auf Null reduziertist, sondern dass es sich regelmäßig (!) darauf reduzieren wird (Voßkuhle/Kaiser, JuS 2012, 1079, 1081). Ausnahmen sind also selbst nach Auffassung der Verf möglich, zumal sie konkret zu dieser Aussage keine sonstigen Quellen nennen. Im Übrigen dürften die Umstände des Einzelfalls hier eine wichtige Rolle spielen. Geht es um die Ausweisung eines gesunden und alleinstehenden jungen Mannes bei sommerlichen Temperaturen, wird man eine
Ermessensreduzierung auf Nullgut annehmen können. Geht es um die Ausweisung einer minderjährigen Mutter mit mehreren Kleinkindern im Säuglingsalter mitten im Winter, sieht das schon wieder anders aus. Bei weniger eindeutigen Fällen muss man also ohnehin genauer hinschauen. Die im Aufsatz genannte Folgenbeseitigungslast ist dabei sicherlich ein wichtiges Kriterium. Einen Automatismus dahingehend, dass wir wegen dieser Last stets eine
Ermessenreduzierung auf Nullhaben, halte ich aber für rechtlich zweifelhaft (ähnlich Sodan/Ziekow/Wolff, VwGO, 5. Aufl 2018, § 114 Rn 134). Umgekehrt sehe ich allerdings ebenfalls (vor dem Hintergrund der unstreitigen Folgenbeseitigungslast: erst recht) keinen Automatismus in die andere Richtung. Auch insoweit sollten wir also eher zurückhaltend sein, @[Falsus Prokuristor](203103). Jedenfalls können die Grundrechte des Betroffenen nicht pauschal rechtfertigen, dass wir einen
rechtswidrigen Zustand aufrecht erhalten. Wir haben in der Antwort zur letzten Frage jetzt einen (weiteren) Vertiefungshinweis eingefügt, in dem wir darauf der Vollständigkeit kurz eingehen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

F. Rosenberg 🦅
6.4.2024, 11:40:12
Könnte man den
Folgenbeseitigungsanspruchbejahen und auf der Rechtsfolgenseite dem H eine Billigkeitsentschädigung einräumen? Oder ergibt sich der Entschädigungsanspruch zwingend aus anderen Anspruchsgrundlagen?
Geldhatmanzuhaben
18.7.2024, 08:13:25
Soweit du mit der h.L. gehst, kannst du bei (rechtlicher) Unmöglichekit eine Billigkeitsentschädigung annehmen. Lehnst du dies mit entsprechender Begründung ab, folgt das Staatshaftungsrecht.
Julia_2802
11.12.2024, 22:35:50
Wäre hier die Verpfl.klage in der Hauptsache statthaft?

c_p
13.12.2024, 14:55:07
Nach meinem Verständnis käme eine allgem.
Leistungsklagein Betracht. Der ursprüngliche VA war befristet, wonach sich dieser mit Zeitablauf erledigt hat. Nun richtet sich das Begehr des Klägers auf eine Maßnahme der
Behörde, die jedoch ein schlichtes Handeln in Form eines Realaktes und nicht in Form eines VA-Erlasses zu sehen sein dürfte.

Sebastian Schmitt
15.4.2025, 13:20:08
Hallo @[Julia_2802](274030), letztlich hängt das sehr von den Einzelheiten des Falls ab. Jedenfalls dann, wenn die ursprüngliche Unterbringung durch weiteren VA erst noch aufgehoben werden müsste, bräuchten wir einen darauf gerichteten Verpflichtungsantrag. Hier dürften sich sowohl die Unterbringung als auch die an H gerichtete Duldungsverfügung aber schon durch Zeitablauf erledigt haben, eine Aufhebungsverfügung brauchen wir insoweit also nicht. Die verbleibende Räumung des G ist dann auf den ersten Blick rein tatsächliches Tätigwerden der Verwaltung,
statthafte Klageartalso die
allgemeine Leistungsklage. Dabei können aber weitere VA erforderlich sein (zB wegen einer nötigen An
drohungder
Verwaltungsvollstreckung, § 13 (B)VwVG, weil G nicht freiwillig ausziehen will), die wiederum einen Verpflichtungsantrag nötig machen können. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
okalinkk
11.3.2025, 16:26:54
welchen allg staatshaftungsrechtlichen Anspruch könnte H hier geltend machen? ein Anspruch aus
839 BGBivm 34 GG scheitert jedenfalls daran, dass keine
rechtswidrige
Amtspflichtverletzungvorliegt. Bleiben also nur Ansprüche aus Aufopferungsrecht. ein Anspruch aus Aufopferungsrecht setzt aber doch ungeschrieben einen unmittelbaren hoheitlichen Eingriff durch AKTIVES, also POSITIVES Tun voraus. hier ist der Eingriff ja aber nur ein Unterlassen - die
Behördeunterlässt es, die Person auszuweisen? Oder ist für den rechtmäßigen Eingriff auf den Erlass der Duldungsverfügung abzustellen ? dann läge ja ein positives Tun vor