§ 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB: Kein Kraftfahrzeug

6. Juli 2025

8 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T nimmt im Zuge eines e-Bike-Festivals an einem Rennen teil, das mit handelsüblichen Pedelecs ausgetragen wird. Die dafür nötigen Straßen hat der Veranstalter gesperrt.

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Einordnung des Falls

§ 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB: Kein Kraftfahrzeug

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Rennen fand im „öffentlichen Straßenverkehr“ statt (§ 315d Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Der Täter muss die Tat im öffentlichen Straßenverkehr begehen. An der Öffentlichkeit fehlt es, wenn die betroffene Verkehrsfläche lediglich einem engen, genau umschriebenen Personenkreis offensteht, indem mit einer eindeutigen, äußerlich manifestierten Handlung des Verfügungsberechtigten unmissverständlich erkennbar ist, dass ein öffentlicher Verkehr nicht (mehr) geduldet wird. Eine der Allgemeinheit gewidmete Straße bleibt jedoch auch dann öffentlich, wenn sie vom Veranstalter oder den Teilnehmern eines Rennens gesperrt wird. Der Veranstalter hat zwar die für das Rennen nötigen Straßen gesperrt. Da diese jedoch der Allgemeinheit gewidmet sind, bleiben sie trotz Sperrung öffentlich. Der Öffentlichkeit ist genügt.
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2. T hat an einem „Kraftfahrzeugrennen“ teilgenommen (§ 315d Abs. 1 Nr. 2 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Erforderlich für § 315d Abs. 1 StGB sind Kraftfahrzeuge. Dies sind mit Maschinenkraft angetriebene, zur Beförderung von Personen im Straßenverkehr geeignete Fortbewegungsmittel. Die Antriebsart (Benzin, Gas, Batterie) ist ohne Belang. Ein Pedelec ist ein Fahrrad mit elektrischer Tretunterstützung, wobei der Motor bei maximal 25 km/h abschaltet. Da § 315d StGB auf den tradierten Begriff des Kraftfahrzeuges rekurriert, bleibt ein Rückgriff auf § 1 Abs. 3 StVG erlaubt. Deshalb werden Pedelecs nach h.M. - aufgrund der „führenden“ Muskelkraft - nicht den Kraftfahrzeugen, sondern den Fahrrädern zugeordnet. Radrennen wurden jedoch bewusst ausgeklammert. T nutzt ein Pedelec. Er hat somit nicht an einem Kraftfahrzeugrennen teilgenommen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ISA

isa_hh

26.4.2023, 17:50:08

Ich verstehe in der Erklärung nicht ganz, wieso genau der Rückgriff auf § 1 Abs. 3 StVG möglich ist.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

27.4.2023, 13:25:58

Hallo , danke für deine Frage. In § 1 Abs. 3 StVG findet sich eine Legaldefinition für Kraft

fahrzeug

e. Diese wäre grundsätzlich nicht auf andere Gesetze anzuwenden, wenn diese nicht selber Bezug darauf nehmen. Durch die Wortwahl und die althergebrachte Konnotation wird der §

315 d

StGB so gelesen, dass er ein Kraft

fahrzeug

im Sinne des § 1 Abs. 3 StVG meint. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Kind als Schaden

Kind als Schaden

13.11.2023, 15:56:12

Bedeutet das nicht auch, dass jede Rallye (die regelmäßig auf öffentlichen Straßen stattfindet) unter den Tatbestand fallen? Ist im Fällen des erlaubten Motorsports die "Einwilligung" der Gemeinde dann auf Rechtfertigungsebene zu prüfen?

Kind als Schaden

Kind als Schaden

13.11.2023, 16:07:42

*sry, sehe gerade, dass der Gesetzgeber ja "nicht erlaubt" in § 315d hineingeschrieben hat. Wobei es mich natürlich nach wie vor nicht überzeugt, dass ein vollständig abgesperrtes Stück Asphalt als "Straßenverkehr" gilt, aber ein LKW Rastplatz auf dem eine klapprige Schranke den Eingang "sperrt" nicht mehr

tatbestandlich

erfasst sein soll :D

Sege

Sege

22.5.2025, 15:17:38

Die Begründung, dass trotz der Sperrung noch der öffentliche Straßenverkehr vorliegt halte ich für nicht ausreichend. Wenn die Straßen extra für ein Rennen abgesperrt werden, in der Regel auch mit Genehmigung der zuständigen Behörde, ist die Straße ja offensichtlich für diesen Zeitraum nicht mehr für den öffentlichen Straßenverkehr zugänglich. Man kann meiner Meinung nach durchaus sagen, dass hier eine (temporäre) Entwidmung vorliegt. Ich meine mich erinnern zu können, dass tagsüber öffentlich zugängliche Betriebsparkplätze nach Betriebsschluss und Absperrung auch nicht mehr zum öffentlichen Straßenverkehr zählen.

Schutzzweck

des § 315d ist ja auch der öffentliche Straßenverkehr und nicht die spezielle Straße. Wenn also durch Absperrungen der Zugang für Veranstaltungsfremde verhindert wird, verstehe ich nicht, wie man die Straße trotzdem als schutzwürdigen Bereich i.S.d. § 315d ansehen kann. Ginge man trotzdem von einem öffentlichen Straßenverkehr aus, stellt sich mir die Frage, wie dann damit umgegangen wird, dass sich bei einem Kfz-Rennen alle Rennfahrer höchstwahrscheinlich im Laufe des Rennens mindestens einmal nach § 315d I Nr. 3 strafbar machen würden. Scheitert es dann an der groben Verkehrswidrigkeit oder Rücksichtslosigkeit?

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

20.6.2025, 15:23:24

Hallo @[Sege](241995), deine Ansicht würde dazu führen, dass auch ein ungenehmigtes Kraft

fahrzeug

rennen auf Straßen im öffentlichen Eigentum nicht nach § 315d StGB strafbar wäre, wenn der Veranstalter die Straße absperrt. Das soll jedoch gerade im Zusammenspiel mit § 29 Abs. 2 StVO umfasst sein. Insofern ist der herrschenden Meinung meines Erachtens zuzustimmen, dass

öffentlicher Straßenverkehr

in dem Sinne weiterhin vorliegt. Von dem Betriebsparkplatz unterscheidet sich das insofern, als dass dies ein privates Grundstück ist. Dort sind Beschränkungen der Eigenschaft als Straßenverkehr nach der Rechtsprechung einfacher möglich, als auf öffentlichem Grund. Du hast aber natürlich Recht, dass genehmigte Rennen den Tatbestand dann nicht erfüllen dürfen, auch nicht Nr. 3. Wie genau die herrschende Meinung zu diesem Ergebnis kommt, habe ich in den Kommentaren nicht finden können. Ich halte es aber für gut vertretbar, es an der groben Verkehrswidrigkeit scheitern zu lassen. Die Genehmigung des Rennens hebt die Verkehrsregeln für die Strecke unter den Rennumständen auf, sodass man meines Erachtens dann nicht mehr verkehrswidrig handelt. Das dürfte dann auch einer Strafbarkeit nach §

315c StGB

entgegenstehen. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

Sege

Sege

21.6.2025, 22:22:29

Alles klar, @[Tim Gottschalk](287974), danke für die Antwort! Könnte man, um das von dir genannte Problem mit der Entwidmung unerlaubter Rennen zu vermeiden, nicht auch die Entwidmungsfähigkeit begrenzen, indem man nur die zuständige Behörde als entwidmungsfähig sieht? Ein privater Parkplatz wird ja auch nicht durch Absperrungen eines Dritten der nicht in irgendeiner Form berechtigt ist entwidmet, oder? So könnte man mMn immer noch von einer Entwidmung der Straßen reden, aber nur, wenn sie von der genehmigenden, zuständigen Behörde abgesperrt wurde (oder mit ihrer Genehmigung bzw. aufgrund der entsprechenden Nebenbestimmung).

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

23.6.2025, 09:45:43

Hallo @[Sege](241995), das klingt für mich auch gut vertretbar. Eine solche Einschränkung findet sich in Rechtsprechung und Kommentaren aber nicht. Wobei man da aber auch anmerken muss, dass es ja wahrscheinlich keine Gerichtsentscheidungen über genehmigte Rennen geben wird, wo die Rechtsprechung darlegen kann, ob es dann am Straßenverkehr, an der Verkehrswidrigkeit/Rücksichtslosigkeit oder einfach aufgrund der Genehmigung an der

Rechtswidrig

keit fehlt. Ich halte alles für vertretbar. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team


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