Zivilrechtliche Nebengebiete
Rechtsprechung im Arbeitsrecht
Entscheidungen von 2019
Zugang der Kündigung im Hausbriefkasten
Zugang der Kündigung im Hausbriefkasten
25. Januar 2025
11 Kommentare
4,7 ★ (11.224 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Chef C will Arbeitnehmer A kündigen. Dazu schickt er am 05.02. einen Angestellten zum Haus des A in B. Der Mitarbeiter wirft das Kündigungsschreiben um 13:25 Uhr in den Hausbriefkasten des A. Die Postzustellung in B ist bis gegen 11:00 Uhr vormittags beendet. A war am 5.2. nicht zu Hause und liest den Brief erst am 06.02. und erhebt am 27.02. Kündigungsschutzklage.
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Einordnung des Falls
Zugang der Kündigung im Hausbriefkasten
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage beträgt 3 Wochen ab Zugang der Kündigung (§ 4 KSchG).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Zugang bestimmt sich nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB.
Ja!
3. Mit der Leerung des Hausbriefkastens ist üblicherweise nach Feierabend, mithin 18 Uhr zu rechnen.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Findet die Postzustellung im Bereich des A gewöhnlich bis 11 Uhr statt, ist unmittelbar im Anschluss daran mit der Leerung zu rechnen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Saufen_Fetzt
6.2.2023, 02:29:32
Trifft den AN hinsichtlich dieser frühen Postzustellungszeit dann wenigstens eine sekundäre
Darlegungslast?
Philipp Paasch
6.2.2023, 11:05:41
Gute Frage
nadineundercover
13.2.2023, 09:43:49
Was ist denn eine
Darlegungslast? Dass der AN beweisen muss, dass die Post unter regelmäßigen Umständen bereits 11 Uhr zustellt und später eingeworfene Briefe i.d.R. am nächsten Tag bemerkt werden (wegen der frühen Zustellzeit)?
Saufen_Fetzt
13.2.2023, 10:31:28
Nein. tl;dr: wenn Du gerade für das erste Examen lernst, ist das Folgende für Dich egal. BGH, Urteil vom 10.02.2015 - VI ZR 343/13 „Grundsätzlich muss zwar der Kläger alle
Tatsachenbehaupten und beweisen, aus denen sich sein Anspruch herleitet. […] In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei
substantiiertzu äußern. Eine solche sekundäre
Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder
nicht zumutbarist, während der Bestreitende alle wesentlichen
Tatsachenkennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen.“ —> Im folgenden Fall könnte es dann so aussehen, dass die einfache Behauptung des AG, das Schreiben sei an Tag x zugegangen, nicht mit einem einfachen Bestreiten streitig gestellt werden kann, sondern der AN schon etwas mehr „liefern“ muss, als ein einfaches Bestreiten (Der einfache Satz, „nö, die Post kommt bei mir früher“ ist mE noch als einfaches bestreiten zu werten), um der Fiktion des § 138 III ZPO zu entgehen (ich glaube, so rum passt’s, ich hab den Fall nicht mehr im Kopf).
Lukas_Mengestu
16.2.2023, 13:30:21
Hallo Saufen_Fetzt, sehr gute Nachfrage! Grundsätzlich trägt derjenige, der sich auf den Zugang beruft, auch die Darlegungs- und Beweislast dafür (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81.A.2022, § 130 RdNr. 21). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei dem rechtzeitigen Zugang um einen für C günstigen Umstand, sodass er darlegungs- und beweispflichtig ist. Dies bezieht sich nicht nur auf den Umstand, dass der Brief um 13.25 Uhr zugegangen ist. Vielmehr muss C auch darlegen und beweisen, dass um diese Uhrzeit am Zustellungsort eine entsprechende Verkehrsanschauung besteht, dass um diese Zeit noch der Briefkasten geleert wird. Eine sekundäre
Darlegungslastweist das BAG dem Empfänger hier nicht zu (vgl. BAG NJW 2019, 3666 Rn. 30 bzw. https://www.bundesarbeitsgericht.de/wp-content/uploads/2021/01/2-AZR-111-19.pdf ebenfalls RdNr. 30). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team