+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Gemeinde G hat kurzfristig eine Grünfläche der A genutzt, um dort Corona-Tests durchzuführen, weil das daneben liegende Testzentrum überlastet war. A will, dass G dies in Zukunft unterlässt. Es gibt keine Rechtsgrundlage für Gs Handeln.

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Einordnung des Falls

TB Merkmale

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. In Betracht kommt der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch. Dafür müsste zunächst ein subjektives Recht der A betroffen sein.

Ja!

Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs wird zunächst die Betroffenheit eines subjektiv-öffentlichen Rechts als Bezugspunkt des hoheitlichen Eingriffs geprüft. Das subjektive Recht folgt häufig aus den Grundrechten. Grundsätzlich ist allein A berechtigt, ihr Eigentum zu nutzen (Art. 14 Abs. 1 GG, einfachgesetzlich ausgestaltet in § 903 S. 1 BGB). Dass G das Grundstück der A nutzt, berührt A in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht.
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2. Für den Unterlassungsanspruch ist es unerheblich, ob die Maßnahme privater oder hoheitlicher Natur ist.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch kommt nur in Betracht, wenn hoheitliches Handeln vorliegt. Liegt privates Handeln vor, richtet sich der Anspruch nach dem Zivilrecht (§§ 1004, 862 BGB). Steht die Handlung im Zusammenhang mit einer öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung und gibt es keine Indizien dafür, dass die Aufgabe ausnahmsweise privatrechtlich wahrgenommen wird, ist das Handeln hoheitlich. Die Nutzung von Grundstücken zur Durchführung von Corona-Tests ist eine öffentliche Aufgabe, die von der Gemeinde G wahrgenommen wird. Es handelt sich um hoheitliches Handeln.

3. Die Benutzung von As Grünfläche ist ein Eingriff.

Ja, in der Tat!

Es ist ausreichend, wenn ein hoheitlicher Eingriff nach dem modernen Eingriffsbegriff bejaht werden kann. Ein Eingriff liegt danach vor, wenn die hoheitliche Maßnahme zurechenbar eine grundrechtliche Gewährleistung verkürzt. Die Durchführung der Tests aufs As Grünfläche verkürzen die Eigentumsgewährleistung der A dadurch, dass A ihr Eigentum (für die Dauer der Tests) nicht im vollen Umfang nutzen kann.

4. Weil die Gemeinde G die Grünfläche inzwischen wieder freigegeben hat, scheidet der Unterlassungsanspruch aus.

Nein!

Im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch, der einen noch andauernden Eingriff voraussetzt, ist der Unterlassungsanspruch auf zukünftiges hoheitliches Handeln gerichtet. Der Eingriff muss gerade nicht aktuell bestehen, sondern es muss eine Erstbegehungs- bzw. Wiederholungsgefahr bestehen. Eine vorangegangene rechtswidrige Handlung des Hoheitsträgers indiziert die Wiederholungsgefahr. A muss darlegen, dass die Gefahr besteht, dass G (wieder) rechtswidrig in ihr Eigentum eingreift. Ausreichend dafür ist die Darlegung, dass G eine solche Maßnahme bereits in der Vergangenheit vorgenommen hat. Letztlich prüfst Du also die Rechtswidrigkeit der vergangenen Maßnahme des Hoheitsträgers. Kannst Du diese bejahen, besteht grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch für die Zukunft.Die Anspruchsgegnerin kann die Wiederholungsgefahr durch konkreten Sachvortrag entkräften, etwa indem sie darlegt, warum eine Wiederholung tatsächlich ausgeschlossen ist.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IA

Iris A

7.7.2023, 14:42:44

Welche Klageart wäre hier vor dem Verwaltungsgericht statthaft? Die

Feststellungsklage

?

Antonia

Antonia

28.7.2023, 14:47:40

Ich würde auf die

allgemeine Leistungsklage

tippen. Die

Feststellungsklage

ist gegenüber Leistungsklagen ja subsidiär und hier würde es mMn das

Rechtsschutzinteresse

besser mit der Leistungsklage verfolgt werden können

Busches Bester

Busches Bester

4.1.2024, 13:27:29

Wenn es um hoheitliches Handeln geht, ist nach BVerwG-Ansicht die

Feststellungsklage

der allgemeinen Leistungsklage gegenüber nicht subsidiär, weil Voraussetzungen von AK nicht umgangen zu werden drohen und auch davon auszugehen ist, dass die Verwaltung sich an eine festgestellte Rechtswidrigkeit der Nutzung der Grünfläche halten wird. Deswegen besteht hier freie Wahl zwischen FK und LK, wobei die LK nach Jurafuchs-Ansicht trotzdem rechtsschutzintensiver und damit vorzugsweise ist, weil der Gemeinde ein konkretes Verbot ausgesprochen wird und die Verwaltung sich im realen Leben über gerichtliche Feststellung manchmal hinwegsetzt.


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