Rechtsweg und Statthafte Klageart

3. Dezember 2024

4,7(9.092 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

N wird immer noch durch die Baustelle der Gemeinde G zur Erhaltung der Gemeindestraße belästigt. N will, dass G beim Bau die Werte der TA-Lärm einhält. Gespräche mit der G blieben erfolglos. N erhebt Klage zum Verwaltungsgericht.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Rechtsweg und Statthafte Klageart

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Mangels aufdrängender Sonderzuweisung ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO erfüllt sind.

Genau, so ist das!

Gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet für alle öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, für die nicht die Zuständigkeit anderer Gerichte gesetzlich vorgesehen ist. Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, wenn die streitentscheidenden Normen öffentlich-rechtlich sind. In einer verwaltungsrechtlichen Klausur ist die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs typischerweise der erste inhaltliche Kontakt, den Du mit der Prüferin hast. Hier solltest Du Dich der Prüferin positiv ins Gedächtnis schreiben - durch sprachliche Klarheit, knappe Ausführungen und eine strikte Beschränkung auf Rechtsprobleme. Wenn Du hier lange Ausführungen zu Unproblematischem - etwa zu den Theorien im Rahmen von § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO - von Dir gibst, ist die Prüferin bereits am Anfang Deiner Klausur von Dir genervt.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Die Geltendmachung von Abwehransprüchen gegen den Staat ist immer öffentlich-rechtlicher Natur.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich i.S.d. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, wenn die streitentscheidenden Normen öffentlich-rechtlich sind. Bei der Geltendmachung von Abwehr- und Unterlassungsansprüchen bedarf es der Einordnung, ob die Ansprüche öffentlich-rechtlicher Art sind. Denn ein Abwehr- und Unterlassungsanspruch gegen den Staat kann auch privatrechtlicher Natur sein (§§ 906, 1004 BGB), sofern der Staat privatrechtlich handelt. Entscheidend ist daher die Qualität des staatlichen Handelns, auf dem der Abwehranspruch beruht. Das Problem solltest Du in der Klausur sehen und ganz knapp abhandeln.

3. Die Baustelle ist privater Natur. Ns Abwehr- und Unterlassungsanspruch ist damit privatrechtlicher Natur, sodass N den ordentlichen Rechtsweg beschreiten muss.

Nein!

Bei Streitigkeiten um Eingriffsakte kommt es für den Verwaltungsrechtsweg darauf an, ob der Eingriff privatrechtlicher oder hoheitlicher Natur ist. Maßgeblich für den Rechtscharakter eines Realhandelns sind Zielsetzung der Handlung und der Sachzusammenhang. Stehen die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Aufgabe ausnahmsweise privatrechtlich wahrgenommen wird, liegt eine öffentliche-rechtliche Streitigkeit vor. G ist als Gemeinde Trägerin der Straßenbaulast für die Gemeindestraße (z.B. § 44 Abs. 6 StrG NRW, § 9a Abs. 1 S. 2 BbgStrG, § 13 Abs. 4 StrWG MV). Die Erhaltung der öffentlichen Straße ist eine öffentliche Aufgabe. Die streitentscheidenden Normen - Regelungen des Immissionsrechts - sind öffentlich-rechtlicher Art. Die Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich, der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. In einer verwaltungsrechtlichen Klausur, in der es um die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs geht, brauchst Du kein Wort dazu zu verlieren, dass die Streitigkeit mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit auch nicht-verfassungsrechtlicher Art ist. Trau Dich, Unnötiges einfach wegzulassen.

4. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage.

Genau, so ist das!

Die allgemeine Leistungsklage ist statthaft, wenn der Kläger ein hoheitliches Realhandeln oder Unterlassen begehrt. Die Unterlassungsklage ist ein Unterfall der allgemeinen Leistungsklage. N begehrt, dass G es unterlässt, die Werte der TA-Lärm zu überschreiten. Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage. Ausnahmsweise kann zur Geltendmachung eines Abwehranspruchs die Verpflichtungsklage statthaft sein, wenn der Kläger begehrt, dass die Tätigkeit vollständig eingestellt wird und sein Klagebegehren sich damit auf den Erlass einer entwidmenden Allgemeinverfügung richtet. Dafür müssten aber entsprechende Anhaltspunkte im Sachverhalt vorhanden sein.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

M0NAC0

M0NAC0

20.6.2022, 15:28:46

Super hilfreiche Übung, dass man geführt die tatsächliche Klausurprüfung einmal durchgeht! Bitte mehr davon 🙏🏼

frausummer

frausummer

28.7.2022, 16:04:23

Könnte mir jemand erklären, weshalb weiter vorne noch der öfftl.-rechtl.

Abwehranspruch

einschlägig war und wir jetzt eine allg.

Leistungsklage

in Form der Unterlassungsklage erheben?

Simon

Simon

13.8.2022, 23:15:32

Die

allgemeine Leistungsklage

ist nur die prozessuale Einkleidung des öffentl.-rechtl.

Abwehranspruch

s. Der

Abwehranspruch

ist also die Anspruchsgrundlage, die i.R.d. Begründetheit geprüft wird.

Simon

Simon

13.8.2022, 23:52:43

Bei der statthaften Klageart gibt es keine Unterscheidung zwischen allg.

Leistungsklage

in Form der "Abwehrklage" und in Form der "Unterlassungsklage". Hier spricht man allgemein von der "Unterlassungsklage" (s. zB Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 2019, § 18 Rn. 1105). Diese prozessuale Unterlassungsklage umfasst materiell sowohl die Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterlassung, als auch eines Anspruchs auf Beendigung eines rechtswidrigen

hoheitlich

en Handelns, das in subj. Rechte des Klägers eingreift (s. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl. 2021, § 16 Rn. 4).


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community

Weitere für Dich ausgwählte Fälle

Jurafuchs

Abwandlung: Konkret drohender VA

Die zuständige Behörde B teilt Gastwirtin W mit, dass sie beabsichtigt, ihre Gaststättenerlaubnis zu widerrufen. Da W sich zur Zeit finanziell gerade so über Wasser hält, wäre bereits ein Tag, an dem sie ihre Kneipe nicht öffnet, ein großes Problem für sie. Sie will, dass B den Widerruf gar nicht erst erlässt.

Fall lesen

Jurafuchs-Illustration zum Grundfall - Realhandeln: Mann R machte ein Plakat aufhängen, auf dem steht: Rightlingen Demo! Nicht hingehen!

Grundfall: Realhandeln - Jurafuchs

Die Vereinigung „Rightlingen“ veranstaltet von Ausschreitungen geprägte Demos. Im Vorfeld jeder Demo hängt der Gemeinderat der niedersächsischen Gemeinde G Plakate auf, auf denen er vor den Demos warnt. Versammlungsleiter R will, dass G zukünftig keine Plakate mehr aufhängt.

Fall lesen

Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen