Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Besondere öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen

Rechtsfolge Grundfall: Unterlassen der hoheitlichen Maßnahme

Rechtsfolge Grundfall: Unterlassen der hoheitlichen Maßnahme

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gemeinde G beginnt vor Ns Grundstück mit einer Großbaustelle zur Erhaltung der Straße. Die Immissionen der Baustelle übersteigen die Richtwerte der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) erheblich, sodass N sich nicht mehr in seinem Garten aufhalten oder lüften kann. N will, dass G es unterlässt, die Richtwerte dauerhaft zu überschreiten.

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Einordnung des Falls

Rechtsfolge Grundfall: Unterlassen der hoheitlichen Maßnahme

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. In Betracht kommt der öffentlich-rechtliche Abwehranspruch. N ist durch hoheitliches Handeln in seinen subjektiven Rechten betroffen.

Ja!

Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs wird zunächst die Betroffenheit eines subjektiv-öffentlichen Rechts als Bezugspunkt des hoheitlichen Eingriffs geprüft. Dieses folgt regelmäßig aus den Grundrechten. Hoheitlich ist die Maßnahme, wenn sie die Erfüllung öffentlicher Aufgaben bezweckt. Durch den Baulärm kann N sein Eigentum nicht wie gewohnt nutzen, sodass er zumindest in seinem Recht aus Art. 14 Abs. 1 GG betroffen ist. Die Baustelle dient einem öffentlichen Zweck, nämlich der Erhaltung der öffentlichen Straße. Sie ist damit als hoheitliche Maßnahme zu qualifizieren. Denkbar ist auch eine Betroffenheit des Rechts aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Dafür spricht die Überschreitung der Grenzwerte der TA Lärm, die gemäß §§ 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1 BImschG auch dem Gesundheitsschutz dient. Konkrete Anhaltspunkte für gesundheitliche Beeinträchtigungen liegen jedoch nicht vor.
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2. Der Anspruch scheitert an dem Vorliegen eines andauernden rechtswidrigen Eingriffs.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Eingriff liegt nach dem modernen Eingriffsbegriff dann vor, wenn die hoheitliche Maßnahme zurechenbar eine grundrechtliche Gewährleistung verkürzt. Es dürfen keine Rechtfertigungsgründe, insbesondere Duldungspflichten des Betroffenen bestehen. Der Eingriff muss bereits stattfinden und noch andauern. Durch den Lärm wird die Gewährleistung aus Art. 14 Abs. 1 GG verkürzt, dass N sein Eigentum ungestört nutzen kann. Zwar sind Lärmbeeinträchtigungen alltäglich und gerade im Kontext notwendiger Bauarbeiten grundsätzlich zu dulden. Hier übersteigt der Lärm aber die Grenzwerte der nach § 48 BImschG maßgebenden TA Lärm erheblich. N muss die Maßnahme in dieser Intensität nicht dulden. Der Klausursachverhalt wird weitergehende Anhaltspunkte für die Bewertung der Rechtswidrigkeit enthalten.

3. Als Rechtsfolge kann N eine Entschädigung in Geld für die Belastung durch den Baulärm von G verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Rechtsfolge des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs ist die Abwehr des nicht duldungspflichtigen Eingriffs. Bezogen auf Immissionen bedeutet das etwa, dass der Betroffene grundsätzlich keine bestimmten Lärmschutzmaßnahmen verlangen kann (etwa die Errichtung von Schallschutzmaßnahmen), sondern lediglich, dass der Hoheitsträger die Zumutbarkeitsgrenzen einhält. Der Anspruch ist ebenfalls nicht auf Entschädigung gerichtet, sondern nur auf die tatsächliche Beendigung eines Eingriffs. N kann von G verlangen, dass diese dafür sorgt, dass auf der Baustelle die Richtwerte der TA Lärm eingehalten werden. Anders gesagt: N kann ein Unterlassen der Überschreitung der Richtwerte verlangen. Auf Entschädigung sind die Ansprüche des klassischen Staatshaftungsrechts wie der Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff gerichtet. Mehr dazu lernst Du in unserem Kurs Staatshaftungsrecht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PH

Philippe

28.7.2022, 21:14:54

Wäre hier nicht aber auch so eine Art Gesamtbetrachtung über einen längeren Zeitraum geboten, über welchen die Immissionen gemittelt werden? Ansonsten dürften ja ganz viele Baustellen, vor allem in der Nacht an Gleisen etc., nicht stattfinden.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

3.8.2022, 14:48:38

Hallo Philippe, dieses Problem hat der Gesetzgeber schon Recht früh erkannt und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm erlassen im Jahre 1970. Dort sind ganz genaue Grenzwerte sowie Strafen für den Fall eines Verstoßes geregelt. Je nach Tageszeit, Gewerbe-, Wohn- oder Mischgebiet gelten unterschiedliche Grenzwerte. Außerdem sind Bauherrn, -unternehmer und Bauleiter dazu verpflichtet, möglichst lärmarme Baumaschinen zu nutzen, ihren Einsatz effizient zu planen, Krach bestmöglich abzuschirmen, notfalls mobile Schallschutzwände aufzustellen. Eine Gesamtbetrachtung ist nicht erforderlich, wohl aber eine Berücksichtigung der konkreten Situation. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

ISAB

Isabelle.Sophie

28.12.2023, 19:45:03

Ich verstehe den Zusammenhang zwischen § 48 I

BImSchG

und TA Lärm nicht ganz. Wäre es möglich, diesen noch näher zu erläutern? Zudem frage ich mich, ob die Überschreitung der Grenzwerte der TA Lärm in der Klausur vorgegeben wäre, da sich diese ja nicht aus dem Gesetz ergeben?

/Q

/qwas

17.1.2024, 15:21:11

Soweit ich weiß, ist die TA (Technische Anleitung) Lärm so eine Art präventives Sachverständigengutachten (inhaltlich). (Formell ist die TA Lärm eine Verwaltungsvorschrift.) Darin stehen also Werte, die als gesundheitsschädlich ermittelt wurden. § 48 I

BImSchG

ermächtigt die BReg zum Erlass von Verwaltungsvorschriften, die Werte festlegen, die zum Gesundheitsschutz nicht überschritten werden dürfen. Die TA-Lärm ist eine solche VV.


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