Zivilrecht
Sachenrecht
Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis
Verhältnis zu Vertrag & Delikt- Fremdbesitzerexzess im Zweipersonenverhältnis
Verhältnis zu Vertrag & Delikt- Fremdbesitzerexzess im Zweipersonenverhältnis
29. März 2025
18 Kommentare
4,7 ★ (40.030 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

G leidet unerkannt an einer manischen Depression, die ihre freie Willensbestimmung ausschließt. G vermietet dem M für eine Party einige ihrer teuren Champagnergläser. Als M grob fahrlässig versucht, die Gläser jeweils mit einem Finger zu balancieren, gehen alle zu Bruch.
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Einordnung des Falls
Verhältnis zu Vertrag & Delikt- Fremdbesitzerexzess im Zweipersonenverhältnis
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M haftet der G aus dem Vertragsverhältnis (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).
Nein!
2. Zum Zeitpunkt des schadensbegründenden Ereignis bestand eine Vindikationslage zwischen M und G.
Genau, so ist das!
3. G hat gegen M einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Aufgrund der Sperrwirkung des EBV ist das Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) unstreitig nicht anwendbar.
Nein!
5. Ein Teil der Literatur lehnt die teleologische Reduktion des § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB beim Fremdbesitzerexzess ab. Stünden G nach dieser Ansicht damit keine deliktischen Ansprüche gegen M zu?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philippe
5.7.2022, 22:59:22
Aber wenn ich mich recht erinnere besteht doch ein Unterschied, wenn ein Dritter die Verschlechterung oder den Untergang zu ver
schulden hat, weil im Rahmen des
§ 991 BGBauch
§ 278 BGBAnwendung findet, nicht hingegen bei der "blanken" Anwendung von §§ 823 ff infolge einer Ausnahme von der Sperrwirkung.
Philippe
5.7.2022, 23:11:47
Das gilt zumindest dann, wenn man § 991 als teilweisen Rechtsgrundverweise auf § 989 sieht (so Staudinger/Thole, § 991 Rn. 27).

Nora Mommsen
23.7.2022, 11:24:34
Hallo Philippe, das ist genau das Argument mit dem die andere Meinung eine analoge Anwendung des § 991 Abs. 1 BGB befürwortet. Danach sei es nicht gerechtfertigt, dass der gutgläubige unberechtigte
Fremdbesitzerim Drei-Personen-Verhältnis schärfer haften soll als der gutgläubige unberechtigte Besitzer im Zwei-Personen-Verhältnis. Die herrschende Meinung hält daran fest, dass § 991 Abs. 2 BGB eben auf Drei-Personen-Verhältnisse zugeschnitten ist und die HAftung des unmittelbaren Besitzers an die Haftung aus dem Vertrag mit dem mittelbaren Besitzer anknüpft. Dies sei nicht auf Zwei-Personen-Verhältnisse übertragbar, denen jede vertragliche Haftungsgrundlage fehlt. Wir haben einen entsprechenden Hinweis auf die abweichende Meinung in der Aufgabe ergänzt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
24.11.2023, 16:11:24

Lukas_Mengestu
24.11.2023, 16:35:46
Hi LKWeisser, schau Dir hierzu gerne noch einmal die zweite Frage inklusive Hinweis an. Die Voraussetzungen der
Vindikationslagesind hier tatsächlich erfüllt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
25.11.2023, 14:57:19
Upsi danke, war schon spät in der Nacht
Julian
12.1.2024, 18:25:46
Ich verstehe nicht ganz, warum die m.M. auch §§ 823 ff. BGB anwendet. Würde man §
991 II BGBanalog anwenden, hätten wir doch einen Anspruch aus §§
991 II,
989 BGBanalog. Oder sagt die Mindermeinung, dass im Rahmen des Anspruches gem. §§
991 II,
989 BGBanalog im Rahmen der Verantwortlichkeit die §§ 823 ff. BGB inzident zu prüfen sind?

CR7
21.1.2024, 12:53:20
Die mM konstruiert aus einem Zwei-Personenverhältnis (hier G und M) quasi ein Drei-Personenverhältnis (fiktive dritte Person wird hinzugefügt, aber ohne nennenswerte Merkmale). Dann wird geschaut, wie denn in diesem Fall hier M gegenüber G haften würde. M würde zum einen aus §§ 280 I, 241 II BGB haften, aber da der Vertrag unwirksam ist, bleibt nur noch § 823 I BGB übrig, der für G schlechter ist, weil das
Vertretenmüssennicht vermutet wird, sondern das Ver
schulden nachzuweisen ist. Und da zwischen mittelbarem Besitzer und unmittelbaren Besitzer keine
Vindikationslage(denn Eigentümer ist die fiktive dritte Person) bestehen kann, kann auch § 993 I Hs. 2 BGB nicht greifen. So konstruierst du quasi eine Umgehung der Sperrwirkung zugunsten des Eigentümers und zulasten des unverklagten, redlichen Besitzers, der aber nicht besser stehen darf, als wenn der Vertrag wirksam wäre.
Findet Nemo Tenetur
27.3.2025, 23:10:16
@[Julian](291701) ich erkläre es mir so, dass wenn man §
991 IIanalog anwendet, ein Fall von §§ 987–992 vorläge, sodass die aus § 993 I 1 Hs 2 resultierende Sperrwirkung gar nicht greifen würde (weil das von § 993 geforderte “Liegen die in den §§ 987 bis 992 bezeichneten Voraussetzungen nicht vor” gerade nicht zutrifft) , und man deshalb ins Deliktsrecht darf. Stimmt das?
Petrus
10.3.2024, 08:09:57
Käme hier auch ein Anspruch wegen Rücksichtnahmepflichtverletzung aus §§ 280 I, 311 II Nr. 3, 241 II BGB in Betracht? Ich habe irgendwie im Hinterkopf, dass nichtige Verträge als
ähnliche geschäftliche Kontakteangesehen werden können. Oder stünde einem solchen die
Sperrwirkung des EBVentgegen?
Petrus
9.12.2024, 12:46:21
Vielleicht kann jemand aus dem Jurafuchs-Team helfen?

K.Attalla
6.6.2025, 14:09:01
Frage mich das gerade auch. Würde mir eine Antwort wünschen. Push!
ABCD
6.6.2025, 14:33:17
Hallo zusammen im Folgenden ein Auszug zu dieser Frage aus dem damaligen Tutorium Sachenrecht von Prof. Dr. Fervers. Mit dieser Frage hatte ich mich ebenfalls an meinen damaligen AG-Leiter gewendet und dessen Antwort füge ich ebenso an. LG😊 Fervers: Bsp: V vermietet eine Wohnung an M. Bei Abschluss des Mietvertrages war V unerkannt geisteskrank. Als M schlechte Laune hat, beschädigt er die Wohnung und richtet einen Sach
schadenin Höhe von 2.000 € an. Hat V einen Anspruch auf
Schadensersatz? I. § § 280 I, 241 II (-) II. § § 280 I, 241 II, 311 II Nr. 3 BGB (wohl +) • V kann als Geschäftsunfähiger nicht Verpflichteter, wohl aber Berechtigter sein * Contra: War ja wegen geisteskrankheit gerade kein geschäftl Kontakt (nicht geschäftsfähig) * Pro: Ratio der cic: Kommen sich mit Rechtsgütern in die Quere * V kann als Geschäftsunfähiger nicht Verpflichteter, wohl aber Berechtigter sein Notiz: Wenn der Mieter g.unfähig, könnte man das nicht so machen, weil §§ 104, 105 I dient ja dem Schutz des G.unfähigen => mit cic würde man schutz umgehen ⇒ hier ist ja aber zugunsten v Vermieter III. § § 989, 990 (-) AG-Leiter: Zu der Problematik mit dem
Fremdbesitzerexzess: sehr gut, dass du mir das nochmal geschickt hast. Hier müssen zwei Streitpunkte auseinandergehalten werden: 1. Anspruch aus c.i.c. bei
Fremdbesitzerexzessim Zweipersonenverhältnis: ich muss zugeben, dass ich diese Ansicht nicht kenne. Sie scheint gleichwohl vertreten zu werden und ist damit vertretbar. Dennoch habe ich diese Ansicht noch in keiner Klausurlösung gesehen. Wenn du dies also in der Klausur anbringst, solltest du zwei Dinge im Hinterkopf haben. Es scheint vertretbar zu sein, die Klausurlösung wird dies regelmäßig aber nicht enthalten. Wenn sich also ein Korrektor strickt an der Klausurlösung orientiert, die Ansicht nicht kennt und dies nicht nachschlägt, dann wird es dir vermutlich als falsch angestrichen werden, auch wenn es vertretbar ist. Wenn du dennoch Ausführungen hierzu machen willst, dann solltest du dich kurz halten. Wenn diese Konstruktion mit der c.i.c. den vertraglichen Anspruch ersetzen soll – wie es zumindest scheint –, dann müsste hier bei der Zerstörung der Sache – wie du meiner Ansicht nach konsequent richtig ausführst – § 283 einschlägig sein. 2. Der Streit um die c.i.c. bei Vorliegen eines Minderjährigen: der hier in diesem Zusammenhang angeführte Streit wird regelmäßig bei der c.i.c. geführt, wenn eine Partei ein Minderjähriger ist. Der Streit wird hier also unabhängig von der Problematik des
Fremdbesitzerexzesses im Zweipersonenverhältnis geführt. Hierbei geht es um folgendes Problem. (1/2)
ABCD
6.6.2025, 14:33:53
(2/2): Im Gleichlauf zur Problematik beim Vertragsabschluss stellt sich bei
Anbahnung eines Vertragesoder eben in den Fällen der c.i.c. die Frage, kann der Minderjährige einen solchen ähnlichen
rechtsgeschäftlichen Kontakt eingehen oder sind hier ebenfalls §§ 106 ff. BGB anzuwenden. Richtigerweise wird hier – wie du bereits ausgeführt hast – danach unterschieden, wer Anspruchsteller ist. Ist es der Minderjährige, so ist aufgrund des Minderjährigenschutzes ihm ein Anspruch aus c.i.c. zuzusprechen. Richtet sich der Anspruch aus c.i.c. dagegen gegen den Minderjährigen, so müssen nach §
107 BGBanalog die Vertreter mit der Eingehung des
rechtsgeschäftlichen Kontakts einverstanden gewesen sein.