Zivilrecht

Sachenrecht

Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Verhältnis zu Vertrag & Delikt- Fremdbesitzerexzess im Zweipersonenverhältnis

Verhältnis zu Vertrag & Delikt- Fremdbesitzerexzess im Zweipersonenverhältnis

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Die unerkannt geisteskranke G vermietet dem M für eine Party einige ihrer teuren Champagnergläser. Als M grob fahrlässig versucht, die Gläser jeweils mit einem Finger zu balancieren, gehen alle zu Bruch.

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Einordnung des Falls

Verhältnis zu Vertrag & Delikt- Fremdbesitzerexzess im Zweipersonenverhältnis

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M haftet der G aus dem Vertragsverhältnis (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB).

Nein!

Voraussetzung für eine Schadensersatzpflicht aus Vertrag ist zunächst das Vorliegen eines wirksamen Vertrages. Da G jedoch nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, ist der Mietvertrag (§§ 535 ff. BGB) nichtig. Vertragliche Ansprüche scheiden daher aus.
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2. Zum Zeitpunkt des schadensbegründenden Ereignis bestand eine Vindikationslage zwischen M und G.

Genau, so ist das!

G war zu Beginn Eigentümerin der Gläser, ein Eigentumsverlust ist nicht erkennbar. M war zum Zeitpunkt der Beschädigung im Besitz der Gläser. Ein Recht zum Besitz (§ 986 Abs. 1 BGB) würde ein wirksamer Mietvertrag verleihen. Da dieser jedoch nichtig ist, lag kein Besitzrecht zugunsten des M vor.

3. G hat gegen M einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 Abs. 1 BGB.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB sind (1) das Vorliegen einer Vindikationslage, (2) Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe, (3) Bösgläubigkeit, (4) Verschulden des Anspruchsgegners und (5) ein Schaden beim Anspruchssteller. M war nicht bekannt und musste auch nicht bekannt sein, dass G geschäftsunfähig war und er so das Besitzrecht nicht erlangen konnte. Er war daher redlich, weshalb der Schadensersatzanspruch aus §§ 989, 990 BGB ausgeschlossen ist.

4. Aufgrund der Sperrwirkung des EBV ist das Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) unstreitig nicht anwendbar.

Nein!

Grundsätzlich sind deliktsrechtliche Vorschriften bei Vorliegen des EBV durch § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB gesperrt. Dies würde hier aber dazu führen, dass M aufgrund des nichtigen Vertrages nicht haftet, während er bei Wirksamkeit des Vertrages vertraglichen Schadensersatzansprüchen ausgesetzt wäre. Dies wird allgemein als unbillig erachtet. Die h.M. nimmt daher eine teleologische Reduktion des § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB vor. Dies wird damit begründet, dass der Fremdbesitzer, der sein Besitzrecht überschreitet, nicht schutzwürdig sei. Denn er hätte die Sache auch bei bestehendem Besitzrecht nicht beschädigen dürfen. Daher sei die direkte Anwendung der §§ 823 ff. BGB möglich.Das Überschreiten des vermeintlich bestehenden Besitzrechts durch den Besitzer wird als Fremdbesitzerexzes bezeichnet.

5. Ein Teil der Literatur lehnt die teleologische Reduktion des § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB beim Fremdbesitzerexzess ab. Stünden G nach dieser Ansicht damit keine deliktischen Ansprüche gegen M zu?

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach teilweise vertretener Ansicht wird statt der teleologischen Reduktion des § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB die analoge Anwendung des § 991 Abs. 2 BGB befürwortet. Diese gesetzliche Regelung passe auch auf diese Konstellation, obwohl sie nach dem Wortlaut nur für das Dreipersonenverhältnis Anwendung findet. Über diesen Weg finden die §§ 823 ff. BGB ebenfalls Anwendung. Die generelle Ablehnung von deliktischen Schadensersatzansprüchen in der vorliegenden Situation wird aber von keiner Ansicht vertreten, sondern lediglich die rechtliche Begründung ist umstritten.
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