Zivilrechtliche Nebengebiete

Internationales Privatrecht

Besonderer Teil - Rom II-VO

Streuschaden bei APR-Verletzungen und Erfolgsort nach Art. 4 Rom-II-VO

Streuschaden bei APR-Verletzungen und Erfolgsort nach Art. 4 Rom-II-VO

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Reportage der deutschen Zeitung Z über das Liebesleben der spanischen Schauspielerin S verletzt S' allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR). 20% des Absatzes der Zeitschrift erfolgt in Österreich, 15% in Spanien, der Rest in Deutschland. S will in Deutschland die Z auf Schadensersatz verklagen.

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Einordnung des Falls

Streuschaden bei APR-Verletzungen und Erfolgsort nach Art. 4 Rom-II-VO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Umfasst der sachliche Anwendungsbereich der Rom II-VO auch die Verletzung des APR (vgl. Art. 1 Abs. 2 lit. g Rom II-VO)?

Nein, das trifft nicht zu!

In Art. 1 Abs. 2 Rom II-VO finden sich Bereichsausnahmen. Unter anderem werden auch Schuldverhältnisse ausgenommen, die auf einer Persönlichkeitsrechtsverletzung beruhen. Hier liegt eine solche Verletzung des  Persönlichkeitsrechts vor. Diese fällt also nicht unter die Rom II-VO, sondern richtet sich nach nationalem Recht. Da S in Deutschland klagt, ist das anzuwendende Recht nach dem deutschen IPR (EGBGB) zu bestimmen („lex fori“).
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2. Bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts ist nach deutschem IPR an Art. 40 EGBGB anzuknüpfen.

Ja!

Art. 40 EGBGB bestimmt das anwendbare Recht für Ansprüche aus unerlaubter Handlung. Abs. 1 normiert das Ubiquitätsprinzip, nachdem (1) die Ansprüche dem Recht des Staates unterliegen, in dem die unerlaubte Handlung stattgefunden hat (Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB). (2) Alternativ kann der Verletze verlangen, dass stattdessen das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Erfolg eingetreten ist (Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Das EGBGB sieht eine Gesamtverweisung vor (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Die ausländischen Gerichte haben also auch zuerst selbst das anwendbare Recht in ihrem jeweiligen IPR zu ermitteln. Nach h.M. ist der Handlungsort der Sitz des Medienunternehmens, also der Z in Deutschland.

3. Tritt der Erfolg der Rechtsgutsverletzung (vgl. Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB) auch in Spanien ein?

Genau, so ist das!

Bei der Verletzung des APR ist der Erfolgsort überall dort, wo der verletzende Inhalt zur Kenntnis genommen wird (sog. Streudelikt). Aber Achtung: Die vom EuGH für die Frage des Gerichtsstands entwickelte Mosaiktheorie gilt nach herrschender Auffassung auch bei der Bestimmung der Rechtswahl. Danach bestimmt der Erfolgsort das anwendbare Recht lediglich für Schäden, die in diesem Staat entstanden sind (Mosaiktheorie). 15% des Absatzes der Zeitung erfolgt in Spanien. Der Inhalt wurde also auch dort zur Kenntnis genommen. S könnte also verlangen, dass spanisches Recht angewandt wird, allerdings nur im Hinblick auf 15% ihres Schadens. Bezüglich der weiteren 20% wäre auf österreiches Recht abzustellen und für die restlichen 65% auf deutsches Recht. Nach anderer Ansicht ist ein Schwerpunkt zu suchen, an dem die Schädigung sich konzentriert und an diesen anzuknüpfen.

4. Statt der gestückelten Geltendmachung nach der Mosaiktheorie, kann S den ganzen Schaden auch nach deutschem Recht geltend machen (Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB).

Ja, in der Tat!

Bei der Verletzung des APR kann der Geschädigte die Rechtswahl an den Handlungsort oder Erfolgsort anknüpfen. Während der Verletzte aber am Handlungsort den vollen Schaden einheitlich nach dem Recht des Handlungsortes geltend machen kann, bestimmt der Erfolgsort das anzwendende Recht lediglich in der Schadenshöhe, die am Erfolgsort eingetreten ist. Z hat in Deutschland an ihrem Sitz gehandelt. Wenn S also an den Handlungsort anknüpft, könnte sie in Deutschland den gesamten Schaden nach deutschem Recht geltend machen. Aufgrund des hohen Aufwandes der mit der Mosaiktheorie einhergeht (unterschiedliche Klageorte sowie Rechtsordnungen) wird in der Praxis üblicherweise an den Handlungsort angeknüpft.
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