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Kein gutgläubiger Zweiterwerb einer nicht existierenden Anwartschaft

Kein gutgläubiger Zweiterwerb einer nicht existierenden Anwartschaft

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

L leiht sich von E deren Ausgabe von „Jurafuchs – Die zwei Staatsexamen“. Gegenüber K erklärt sie, sie habe es von E unter Eigentumsvorbehalt erworben und könne K deshalb nur ihr Anwartschaftsrecht übertragen. K willigt ein. Kurz darauf fordert E das Buch heraus.

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Einordnung des Falls

Kein gutgläubiger Zweiterwerb einer nicht existierenden Anwartschaft

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L hat K ein Anwartschaftsrecht nach § 929 S. 1 BGB analog rechtsgeschäftlich übertragen.

Nein, das trifft nicht zu!

Grundsätzlich ist es möglich, ein bestehendes Anwartschaftsrecht analog §§ 929ff. BGB zu übertragen. Der Erwerber erwirbt in diesem Fall erst dann das Volleigentum, wenn der ursprüngliche Kaufpreis – entweder von ihm selbst oder von dem ursprünglichen Vorbehaltskäufer – vollständig beglichen ist.L stand selbst kein Anwartschaftsrecht zu. Somit konnte sie dieses auch nicht nach § 929 S. 1 BGB analog übertragen.
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2. Ist es nach hM möglich, ein Anwartschaftsrecht gutgläubig zu übertragen (Zweiterwerb)?

Ja!

Die hM differenziert: (1) Die Übertragung eines tatsächlich bestehenden Anwartschaftsrechts durch einen Nichtberechtigten soll unter den Voraussetzungen der Gutglaubensvorschriften (§§ 932ff. BGB analog) möglich sein. (2) Fehle es dagegen nicht nur an der Berechtigung des Verfügenden, sondern gibt es überhaupt kein Anwartschaftsrecht, so scheide auch ein gutgläubiger Zweiterwerb aus (vgl. hierzu Oechsler, in: MüKo-BGB, 9. A. 2023, § 932 RdNr. 20 f.).(1) Für die Möglichkeit des gutgläubigen Zweiterwerbs bei Veräußerung durch einen Nichtberechtigten wird vor allem angeführt, dass das Anwartschaftsrecht während der Laufzeit der Bedingung ansonsten praktisch nicht verwertbar wäre. (2) Gegen den Erwerb bei Nichtbestehen des Anwartschaftsrechts wird angeführt, dass es hier an einer erfüllbaren Verbindlichkeit fehlt. Die Entstehung dieser Verbindlichkeit könne aber nicht kraft guten Glaubens erworben werden.

3. Hat K nach h.M gutgläubig ein Anwartschaftsrecht an dem Roman erworben (§§ 929 S. 1, 932 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach der h.M. ist ein gutgläubiger Zweiterwerb des Anwartschaftsrechts nur möglich, wenn dieses auch tatsächlich besteht.Es bestand überhaupt kein Anwartschaftsrecht, sodass K nach h.M. dieses auch nicht gutgläubig erwerben konnte.Teilweise wird unter Verweis auf die Ähnlichkeit zum Volleigentum die Möglichkeit des gutgläubigen Zweiterwerbs selbst dann bejaht, wenn überhaupt kein Anwartschaftsrecht besteht, (z. B. Klinck, in: BeckOGK-BGB, 1.9.2022, § 929 RdNr. 180f). Ein anderer Teil der Literatur lehnt dagegen generell den gutgläubigen Zweiterwerb unter Verweis darauf ab, dass es hierfür an einem Rechtsscheinstatbestand fehle (z. B. Kindl, in: BeckOK-BGB, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 929 RdNr. 85).

4. Kann E den Roman von K herausverlangen (§ 985 BGB)?

Ja, in der Tat!

Der Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) setzt voraus: (1) Anspruchsteller ist Eigentümer, (2) Anspruchsgegner ist Besitzer, (3) ohne Recht zum Besitz.E ist nach wie vor Eigentümerin des Romans. K ist demgegenüber Besitzer. Er hat gerade auch kein Anwartschaftsrecht und damit kein Besitzrecht erworben. Er muss E das Buch auf ihr Verlangen herausgeben.Denken könnte man auch noch an ein von L abgeleitetes Besitzrecht (Leihvertrag E und L). Der Leihvertrag ist allerdings jederzeit kündbar (§ 604 Abs. 3 BGB), sodass das Herausgabeverlangen jedenfalls eine konkludente Kündigung darstellt.
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