Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Betrug (§ 263 StGB)
Vermögensbegriff 7 - Täuschungsbedingter Verzicht auf nichtige Ansprüche aus verbotenen oder sittenwidrigen Rechtsgeschäften (§§134, 138 BGB)
Vermögensbegriff 7 - Täuschungsbedingter Verzicht auf nichtige Ansprüche aus verbotenen oder sittenwidrigen Rechtsgeschäften (§§134, 138 BGB)
13. Juni 2025
25 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Die engen Freunde T und M brauchen dringend Geld. M steht Schmiere. T entwendet währenddessen bei Oma O €2.000. Es war vereinbart, dass der Erlös geteilt wird. Gegenüber M behauptet T, dass er nur €1.000 erbeutet habe. M verlangt von T daher nur €500.
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Einordnung des Falls
Vermögensbegriff 7 - Täuschungsbedingter Verzicht auf nichtige Ansprüche aus verbotenen oder sittenwidrigen Rechtsgeschäften (§§134, 138 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat M getäuscht.
Genau, so ist das!
2. Indem M es unterlassen hat, die fehlenden €500 einzufordern, hat er eine Vermögensverfügung getätigt.
Ja, in der Tat!
3. Nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff (h.L.) liegt ein Vermögensschaden vor.
Nein!
4. Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff liegt ein Vermögensschaden vor.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
nae3
5.7.2022, 15:04:50
Eine Frage: Wieso ist hier das
Geldnicht „neutral“ und unterfällt dann doch dem juristisch-ökonomischen
Vermögensbegriff?
Fabio_specter
7.7.2022, 13:46:20
Hier musst du auf die sittenwidrige
Abrededer beiden Freunde abstellen, wobei die daraus für M bestehenden „Forderung“ aufgrund ihrer rechtlichen Nicht-Durchsetzbarkeit nicht schützenswert ist nach dem juristisch-ökonomischen
Vermögensbegriff. Anders wäre der Fall wenn M den T bereits
Geldgegeben hat damit er die Oma beklaut und T das von vorne herein nicht vorhatte. Hier kannst du dann auf das wertneutrale
Geldabstellen.
Benni Bertelmann
30.11.2022, 17:14:21
Ist hier nun § 134 BGB oder § 138 I BGB einschlägig?
annsophie.mzkw
17.4.2025, 12:33:15
@[Benni Bertelmann](163083) § 134 BGB, da spezieller und insofern § 138 I BGB verdrängt
annsophie.mzkw
17.4.2025, 12:34:51
@[Patrick4219](231635) wie schon erläutert kommt es hier auf die Wirksamkeit bzw. das Bestehen einer etwaigen Forderung des M gegen T iHv 1000€ an, sodass zu fragen ist, ob diese rechtlich geschütztes Vermögen darstellt, was wie dargestellt wegen § 134 BGB nicht der Fall ist, wenn man den juristisch-ökonomischen
Vermögensbegriffzugrunde legt

Larzed
23.1.2023, 11:48:02
Ich verstehe nicht, warum die Forderung nach dem ökonomischen
Vermögensbegriffzum geschützten Vermögen gehört. Bei "normalen" Vereinbarungen ist es durchaus verständlich. Aber M hatte ja nie einen Anspruch auf das
Geldwegen Nichtigkeit,
§ 138 BGB. Wenn eine Forderung nicht existiert, kann sie doch keinen wirtschaftlichen Wert haben oder liege ich damit falsch?

Nora Mommsen
25.1.2023, 13:30:25
Hallo Larzed, nach dem ökonomischen Begriff spielt die rechtliche Anerkennung des Guts dabei keine Rolle. Nichtige Forderungen haben dann einen wirtschaftlichen Wert, wenn sie nach den konkreten Umständen aufgrund geschäftlicher, familiärer, freundschaftlicher oder sonstiger Beziehungen faktisch realisierbar erschienen. Mit deinem Punkt bist du ganz bei den Kritikern dieses Begriffs, die einen solch extensiven
Vermögensbegriffablehnen. Diese folgen daher z.T. dem juristisch-ökonomischen
Vermögensbegriff, um solche Widersprüche zu vermeiden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
jc1909
4.2.2023, 13:23:44
Warum bejaht die hL bei dem vorherigen Fall dann einen Vermögensschaden? Die Forderung des Drogenkäufers wäre ja auch wegen § 134 BGB nichtig..

Simon
17.7.2024, 23:40:48
Die Nichtigkeit der Forderung im vorigen Fall ändert nichts daran, dass die
Geldscheine, welches das Opfer an den Täter gezahlt hat, in seinem Eigentum standen und daher in sein Vermögen fielen. Hier standen die
Geldscheine nie im Eigentum des Opfers, sodass man allenfalls auf eine Forderung gegen den Täter abstellen könnte. Diese besteht aber wegen Nichtigkeit der vertraglichen
Abredenach § 134 BGB nicht, sodass nach dem juristisch-ökonomischen
Vermögensbegriffein Schaden entfällt.
Momme
17.6.2023, 20:01:52
Hallo, ich verstehe nicht, warum hier im Unterlassen der Geltendmachung des „Anspruchs“ auf die restlichen 500€ nach beiden
Vermögensbegriffen eine
Vermögensverfügungliegen soll - schließlich wird eine solche ja als „… das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt“ definiert. Nach der hL (juristisch-ökonomischer Begriff) ist ein solcher sittenwidriger Anspruch jedoch nicht Teil des strafrechtlich geschützten Vermögens… Wie kann man nun zunächst unter „
Vermögensverfügung“ feststellen, dass M unmittelbar in seinem Vermögen gemindert wurde und sodann unter „Vermögensschaden“ schreiben, unterstellt man folgt dem
Vermögensbegriffder hL, dass derartige, missbilligte Ansprüche nicht Bestandteil des Vermögens sein können und infolgedessen beim M kein Schaden eingetreten ist? Das wäre nur dann nicht widersprüchlich, wenn dem Vermögen bei der
Vermögensverfügungeine andere (weitergefasste) Definition zu Grunde läge… (aber einen Begriff innerhalb einer Norm verschiedentlich auszulegen erscheint fragwürdig). M.E. nach ist die Aussage, nach der M, indem er es unterließ, die restlichen 500€ einzufordern, eine
Vermögensverfügunggetroffen hat, nicht ohne Weiteres mit „Stimmt“ zu beantworten. Vielmehr wäre bereits an dieser Stelle zu diskutieren, auf welchen
Vermögensbegriffabzustellen ist und eine
Vermögensverfügungdann entsprechend zu bejahen (rein
wirtschaftlicher Vermögensbegriff) oder zu verneinen (juristisch-ökonomischer
Vermögensbegriff). Wie seht ihr das?:)

Tim Gottschalk
19.5.2025, 18:33:58
Hallo @[Momme](139284), das ist eine gute Frage. In der juristischen Literatur ist es eher verbreitet, die
Vermögensbegriffeim Vermögensschaden zu prüfen. Hintergrund ist meiner Meinung nach, dass das Merkmal "
Vermögensverfügung" insbesondere deshalb in den Gesetzeswortlaut hineingelesen wird, um der Qualifizierung des Betruges als Selbstschädigungsdelikt gerecht zu werden. Folglich werden an diesem Prüfungspunkt alle Probleme geprüft, die diese Aspekte betreffen, insbesondere Verfügungsbewusstsein und Unmittelbarkeit als Abgrenzung zu den
Wegnahmedelikten sowie die Probleme des
Dreiecksbetrugs. Es gibt aber auch Stimmen, die den
Vermögensbegriffbei der
Vermögensverfügungprüfen. Falsch dürfte keine der beiden Vorgehensweisen sein. Du hast aber natürlich Recht, dass es dogmatisch stringenter ist, das bereits in der
Vermögensverfügungzu thematisieren und dort nicht etwas zu subsumieren,
was man dann eigentlich wieder anzweifelt. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Diaa
29.8.2023, 23:01:57
Welchem Begriff sollte man im 1. Examen folgen?
Leo Lee
3.9.2023, 20:19:05
Hallo Diaa, im ersten Examen sind die Korrektoren relativ gütig, weshalb du eigentlich - theoretisch zumindest - jeder Ansicht folgen kannst/darfst. Wichtig ist nur, dass du hier hinreichend klar machst, weshalb es ein Problem gibt und welche Argumente weshalb überzeugender sind als die Gegenseite. Allgemein empfehlt es sich jedoch, auch im ersten Examen lieber der praktischeren Meinung zu folgen. D.h., hier würde ich dir persönlich empfehlen, dem wirtschaftlichen Begriff zu folgen. "Totschlagargument" ist dabei, dass auch im Ganovenmilieu es keine straffreien Räume geben darf :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

Cosmonaut
11.2.2024, 19:35:38
@[Leo Lee](213375) Hey, Könntet ihr eine Übersicht der jeweiligen Positionen und streitenden Argumente ergänzen, das würde die Abstraktheit ein wenig konterkarieren! Vielen Dank!
Isabelle.Sophie
9.11.2023, 21:00:32
Im Rep haben wir gelernt, dass die Rspr. zwar den ökonomischen
Vermögensbegriffvertritt, diesen mittlerweile aber durch normative Kriterien ergänzt und daher die Werthaltigkeit von nichtigen Forderungen ablehnt. In de Aufgaben wird aber streng dem ökonomischen Begriff gefolgt ohne Berücksichtigung etwaiger Kriterien. Nun frage ich mich, was richtig ist.
Leo Lee
12.11.2023, 12:07:53
Hallo Isabelle.Sophie, du hast natürlich völlig recht, dass mittlerweile es im Einzelfall Ansätze gibt, die ausgehend von dem ök. Begriff mit normativen Gesichtspunkten den Begriff einschränken wollen. Beachte allerdings, dass mit „juristisch-ökonomisch“ dieser Begriff gemeint ist – grds. wird ökonomisch gewertet, jedoch wird dann etwa wieder eingeschränkt, wenn ein Fall von §§ 134 oder
138 BGBvorliegt. I.Ü. kann ich hierzu die Lektüre von
Fischer StGB70. Auflage, § 263 Rn. 90 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Captain Stupid
20.7.2024, 19:05:01
Gibt es einen Grund, aus dem sich die Frage nach dem
Vermögensbegrifferst beim Vermögensschaden stellt und nicht bereits bei der
Vermögensverfügung?

Tim Gottschalk
19.5.2025, 18:07:00
Hallo @[Captain Stupid ](227614), das ist eine gute Frage. In der juristischen Literatur ist es eher verbreitet, die
Vermögensbegriffeim Vermögensschaden zu prüfen. Hintergrund ist meiner Meinung nach, dass das Merkmal "
Vermögensverfügung" insbesondere deshalb in den Gesetzeswortlaut hineingelesen wird, um der Qualifizierung des Betruges als Selbstschädigungsdelikt gerecht zu werden. Folglich werden an diesem Prüfungspunkt alle Probleme geprüft, die diese Aspekte betreffen, insbesondere Verfügungsbewusstsein und Unmittelbarkeit als Abgrenzung zu den
Wegnahmedelikten sowie die Probleme des
Dreiecksbetrugs. Es gibt aber auch Stimmen, die den
Vermögensbegriffbei der
Vermögensverfügungprüfen. Falsch dürfte keine der beiden Vorgehensweisen sein. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
okalinkk
8.3.2025, 12:09:39
das Verbotsgesetz bei 134 BGB wäre hier 242 BGB?
Leo Lee
10.3.2025, 16:16:32
Hallo okalinkk, vielen Dank für die sehr gute und wichtig Frage! Genauso ist es. Wir sind zwar nicht richtig hierauf eingegangen, allerdings wäre das betroffen (Straf-)Gesetz der
242 StGB, da hier
mittäterschaftlich Diebstahl zulasten der Oma begangen wird :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Macke
21.4.2025, 13:03:07
In abgewandelter Form, Erlöse aus einem Drogengeschäft.

Linne Hempel
24.4.2025, 12:41:07
Hallo Macke, vielen Dank für Deinen Hinweis! Es ist großartig zu hören, dass einer unserer Fälle tatsächlich im Examen dran kam. Wir haben diese Information notiert und werden sie in unserer App entsprechend kennzeichnen, um die Examensrelevanz für die Community sichtbar zu machen. Deine Rückmeldung hilft uns, die Vorbereitung für alle Nutzer zielgerichteter zu gestalten und die Qualität unserer Inhalte stetig zu verbessern. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald die Kennzeichnung in der App sichtbar ist. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team
lin
8.5.2025, 00:20:34
Im Rep hatten wir den Fall auch, dort wurde uns aber gesagt, dass die Forderung den Teil der Beute zu kriegen, gerade nicht realisierbar ist und deswegen nach beiden
Vermögensbegriffen kein Vermögensschaden vorliegt. Kann jemand helfen und es mir erklären, was richtig ist?

Tim Gottschalk
19.5.2025, 18:31:25
Hallo @[lin](152158), einerseits ist das Ganze stark umstritten. Andererseits hängt es vom konkreten Sachverhalt ab. Grundsätzlich sind nichtige Forderungen wirtschaftlich wertlos. Einer Meinung nach gilt das jedoch nicht, wenn aus außerrechtlichen Gründen mit einer
Erfüllungtrotz Nichtigkeit zu rechnen ist. So ist unser Fall hier gebildet, da die beiden Täter enge Freunde sind und deshalb mit einer
Erfüllungausreichend zu rechnen ist. Die Gegenansicht hält nichtige Forderungen immer für wirtschaftlich wertlos, im konkreten Fall hier mit dem Argument, dass die Täuschung das zwischenmenschliche Verhältnis zwischen den Tätern zerstört und daher auch nicht mehr von der erforderlichen Leistungsbereitschaft auszugehen ist. Vergleiche MüKoStGB/Hefendehl, 4. Aufl. 2022, StGB § 263 Rn. 638 - 640. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team