Vermögensbegriff 8 - Schutz des rechtswidrig erlangten Besitzes(Betrug gegenüber dem Dieb oder Hehler?)


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Klassisches Klausurproblem

Dieb D verkauft und übergibt dem K eine gestohlene HiFi-Anlage. Da K knapp bei Kasse ist, bezahlt er - wie von Anfang an geplant - nicht und flüchtet mit der Anlage.

Einordnung des Falls

Vermögensbegriff 8 - Schutz des rechtswidrig erlangten Besitzes(Betrug gegenüber dem Dieb oder Hehler?)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K täuscht den D über seine Zahlungswilligkeit und -fähigkeit.

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Ja, in der Tat!

Täuschung ist das Einwirken auf einen anderen mit dem Ziel der Erregung eines Irrtums. Der K hat dem D vorgespielt, dass er zahlungswillig und -fähig sei.

2. D hat über sein Vermögen verfügt.

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Ja!

Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. Voraussetzung hierfür ist stets auch ein Verfügungsbewusststein, welches sich auf die verfügten Gegenstände bezieht. Neben einem Handeln oder Dulden ist auch in Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt, eine Vermögensverfügung. D hat dem K den Besitz an der HiFi-Anlage übertragen.

3. Nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff (hL) ist der faktische (unrechtmäßige) Besitz des D ein von § 263 StGB geschütztes Vermögen.

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Genau, so ist das!

Nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff, besteht das Vermögen in der Gesamtheit aller wirtschaftlich relevanten Positionen, soweit diese nicht von der Rechtsordnung missbilligt werden.Es ist dabei umstritten, ob der unrechtmäßige Besitz von der Rechtsordnung anerkannt wird. Überwiegend wird dieser in den Schutzbereich des § 263 StGB einbezogen. Begründet wird dies, indem darauf abgestellt wird, dass die §§ 858ff. BGB selbst den unrechtmäßigen Besitz unter den Schutz der Rechtsordnung stellen, selbst wenn die Art und Weise der Besitzerlangung missbilligt wird. Auch der unrechtmäßige Besitz des D wird von der Rechtsordnung geschützt.

4. Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff ist der faktische (unrechtmäßige) Besitz des D ein von § 263 StGB geschütztes Vermögen.

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Ja, in der Tat!

Nach dem rein ökonomischen Vermögensbegriff besteht das Vermögen in allen geldwerten Gütern, über die eine Person faktisch verfügen kann. Die rechtliche Anerkennung des Guts spielt dabei keine Rolle, sodass auch der rein faktische (unrechtmäßige) Besitz erfasst wird. Für die Einbeziehung in den Schutz des § 263 StGB spricht ferner, dass auch ein Diebstahl (§ 242 StGB) des Diebesgutes von D strafbar wäre. Es soll zudem kein straffreier Raum im Ganovenmillieu entstehen. Auch dem unrechtmäßigen, faktischem Besitz kommt ein Vermögenswert zugute.

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juramen

juramen

28.12.2022, 03:11:00

Ist das wertungsmäßig nicht sehr widersprüchlich, wenn man einerseits sagt, von der Rechtsordnung missbilligtes Vermögen wird nicht geschützt und dann tut man es dennoch?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

2.1.2023, 12:16:04

Hallo juramen, danke für die Frage. Hier ist entscheiden welcher Ansicht man folgt. Nach dem wirtschaftlichem Vermögensbegriff spielt die Unrechtmäßgkeit des Besitzes keine Rolle. Innerhalb des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs ist umstritten, ob es sich um missbilligtes Vermögen handelt. Verneint man das, ist auch nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff ein Vermögensverlust eingetreten. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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