Öffentliches Recht

Grundrechte

Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 GG)

Äußere Religions- und Weltanschauungsfreiheit 1: Bekenntnisfreiheit

Äußere Religions- und Weltanschauungsfreiheit 1: Bekenntnisfreiheit

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Studentin S ist überzeugte Katholikin. S stellt sich auf dem Campus der lutherischen Universität in Leipzig ihren Kommilitonen als Katholikin vor. Dekan D, seinerseits glühender Lutheraner, hält den Katholizismus für einen Irrweg und exmatrikuliert S deshalb.

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Einordnung des Falls

Äußere Religions- und Weltanschauungsfreiheit 1: Bekenntnisfreiheit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das einheitliche Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG schützt die innere und die äußere Seite der Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit.

Ja, in der Tat!

Art. 4 Abs. 1 und 2 GG beinhaltet ein einheitliches und umfassend zu verstehendes Grundrecht der Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit. Dieses einheitliche Grundrecht schützt eine innere und eine äußere Seite: Als innere Seite der Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit schützt es die Freiheit, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen zu bilden oder sich diesen anzuschließen (forum internum). Als äußere Seite der Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit schützt es die Freiheit, den Glauben bzw. die Weltanschauung nach außen kund zu tun und danach zu handeln (forum externum).
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2. Vorliegend unterfällt das Verhalten der S der Bekenntnisfreiheit. Der Schutzbereich von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG ist eröffnet.

Ja!

Die Bekenntnisfreiheit umfasst die Freiheit des Einzelnen, seinen Glauben bzw. seine Weltanschauung im Wege religiös oder weltanschaulich geprägter Meinungsäußerung nach außen zu tragen. Indem S sich auf dem Campus als Katholikin vorstellt und somit ihren Glauben nach außen kundtut, macht sie von ihrer Bekenntnisfreiheit Gebrauch. Diese ist als Teil des forum externum von Art. 4 Abs. 1 und 2 GG geschützt. Ob ein Verhalten dem forum externum oder dem forum internum zuzuordnen ist, kann sich auf der Ebene der Rechtfertigung auswirken. Dazu später mehr. Mach Dir die Mühe, verschiedene Verhaltensweisen im Rahmen der Religions- und Weltanschauungsfreiheit bereits im Schutzbereich sauber dem forum internum oder externum zuzuordnen. Damit beweist Du Übersicht.

3. Fällt das Verhalten der S in die innere Seite der Glaubensfreiheit?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die innere Seite der Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit schützt die Freiheit, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen zu bilden oder sich diesen anzuschließen (forum internum). Die äußere Seite der Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit schützt die Freiheit, den Glauben bzw. die Weltanschauung nach außen kund zu tun und danach zu handeln (forum externum). Indem S sich auf dem Campus ihren Kommilitonen als Katholikin vorstellt, tut sie ihren Glauben nach außen kund. Die äußere Seite (forum externum) der Glaubensfreiheit ist hier betroffen.

4. Das forum externum als äußere Seite der Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) enthält eine Bekenntnis- und Betätigungsfreiheit.

Ja, in der Tat!

Die Bekenntnisfreiheit umfasst die Freiheit des Einzelnen, seinen Glauben bzw. seine Weltanschauung im Wege religiös oder weltanschaulich geprägter Meinungsäußerung nach außen kundzutun. Die Betätigungsfreiheit stellt die ungestörte Ausübung von Religion bzw. Weltanschauung in Form von Gebräuchen, Handlungen oder Riten sicher. Geschützt ist also das Recht des Einzelnen, sein Verhalten gänzlich im Sinne seines Glaubens bzw. der eigenen Weltanschauung auszurichten. Entsprechendes gilt für die Weltanschauungsfreiheit.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IPJA

iPhone von Jannik

26.6.2022, 10:55:29

In der Aufgabe steht, dass S überzeugte Katholikin ist. Ist somit nicht auch das forum internum betroffen?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

1.7.2022, 12:30:44

Hallo iPhone von Jannik, du hast Recht, dass die Überzeugung im Rahmen des forum internum zu verorten ist. Das konkrete Verhalten - das Kundtun der religiösen Überzeugung gegenüber anderen - ist aber dem forum externum zuzuordnen. Darauf gilt es auch in der Klausur immer zu achten - das konkret betroffene Verhalten ist dem richtigen Bereich zuzuordnen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

IPJA

iPhone von Jannik

1.7.2022, 13:02:58

Hey Nora, danke für deine Antwort. Wäre es durch die Exmatrikulation aufgrund ihres katholischen Glaubens nicht aber denkbar, dass sie auch in ihrem forum internum beeinträchtigt wird? Das forum externum ist natürlich vorrangig betroffen, aber eine Exmatrikulation wegen eines Glaubensbekenntnisses könnte doch auch Auswirkungen auf die innere Überzeugung haben. Liebe Grüße, Jannik

DAN

Daniel

4.7.2022, 13:14:19

Da das Bekenntnis zum Glauben dem forum externum zuzuordnen ist, stellt sich mir die Frage, inwiefern das forum internum Praxis- und Klausurrelevanz hat. Wie kann man sich denn einen Eingriff in einen nicht-bekannten Glauben vorstellen? Durch Hypnose-Gehirnwäsche oder dergleichen...?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.7.2022, 14:08:17

Hallo Daniel, ein Eingriff in das forum internum könnte zum Beispiel durch das Festlegen einer Staatsreligion erfolgen, an die alle glauben müssen oder durch das Verbot einen Glauben zu haben. Sofern die Hypnose/Gehirnwäsche den Glauben betreffen soll wäre dies auch denkbar, wenn es auch hypothetisch erscheint. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DAN

Daniel

19.7.2022, 16:44:35

Danke für die Antwort. Ein staatlich vorgegebener Glauben ebenso wie ein Glaubensverbot betrifft nach meinem Verständnis gar nicht das Forum internum, sondern das BEKENNTNIS zu einem Glauben oder Nicht-Glauben - und das Bekenntnis soll ja zum forum externum gehören! Ich habe zwischenzeitlich in einem Kommentar tatsächlich auch Gehirnwäsche als möglichen Eingriff in das forum internum gefunden.

DAN

Daniel

4.7.2022, 13:21:58

Die Bekenntnisfreiheit ist ja in mit der Glaubensfreiheit in Art. 4 Absatz 1 GG normiert, während die Religionsausübungsfreiheit in Abs. 2 normiert ist. Ist die nicht dieser Systematik folgende Einteilung in forum internum und forum externum und die Zuordnung der Bekenntnisfreiheit zum forum externum ein Grund für die Annahme eines "einheitlichen Grundrechts der Glaubensfreiheit"?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.7.2022, 14:16:14

Hallo Daniel, der Schutzbereich hat unterschiedliche Auslegungen erfahren. Allgemein kann man sagen, dass durch die Religionsausübungsfreiheit nicht nur kultische Handlungen als solche sondern als Träger des Grundrechts auch eine Gemeinschaften erfasst sein können. Dies ist in Bezug zu setzen mit der Bekenntnisfreiheit die das Leben nach dem Glauben, also bekenntnishaftes Leben und Handeln nach dem Glauben schützt. Daher wird - wie von dir beschrieben - ein einheitliches Grundrecht der Glaubensfreiheit angenommen. Nach dem Bundesverfassungsgericht gewährleistet Art. 4 Abs. 1, 2 GG als einheitliches Grundrecht die Freiheit, einen Glauben oder eine Weltanschauung zu bilden, zu haben, zu äußern und entsprechend zu handeln. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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