Zivilrechtliche Nebengebiete

Erbrecht

Gewillkürte Erbfolge

Erbvertrag - vetragsmäßige Verfügung (Fall)

Erbvertrag - vetragsmäßige Verfügung (Fall)

4. Juli 2025

11 Kommentare

4,6(10.113 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E hat seinen Lebensgefährten L in einem formgültigen Erbvertrag als Erben eingesetzt. Daneben hat er in dem Vertrag noch den T zum Testamentsvollstrecker ernannt und der Nichte N ein Vermächtnis an seiner teuren Münzsammlung eingeräumt. In letzter Zeit kriselt es jedoch in der Beziehung und auch der Kontakt zu T und N hat sich verlaufen.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Erbvertrag - vetragsmäßige Verfügung (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kann E die Erbeinsetzung des L einseitig durch Testament widerrufen?

Nein, das trifft nicht zu!

Alle Verfügungen von Todes wegen, die in einem Testament zulässig sind, können auch in einem Erbvertrag getroffen werden (§ 2278 Abs. 1 BGB). Die vertragsmäßigen Verfügungen entfalten dabei eine Bindungswirkung. Nach § 2278 Abs. 2 BGB können nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und das anzuwendende Erbrecht vertragsmäßig angeordnet werden. Ob eine vertragsmäßige Verfügung oder vielmehr eine einseitige Verfügung (§ 2299 Abs. 1 BGB) gewollt ist, ist im Zweifel durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Verfügungen zugunsten des Vertragspartners sind nach der Rspr. regelmäßig vertragsmäßiger Natur. Der Vertragspartner habe ein konkretes Interesse daran, dass die Verfügung aufrecht erhalten und der Erblasser daran gebunden bleibt. Dieses Interesse wird dem Erblasser üblicherweise sogar bekannt sein, weshalb er sich daran festhalten lassen muss. Die Erbeinsetzung des L stellt daher eine vertragsmäßige Verfügung dar und kann durch E nicht einseitig widerrufen werden. Die vertragsmäßigen Verfügungen des Erbvertrags können nur eingeschränkt und unter bestimmten Voraussetzungen noch aufgehoben werden, z.B. durch einen Aufhebungsvertrag (§ 2290 Abs. 1 S. 1 BGB).
Rechtsgebiet-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Rechtsgebiet-Wissen in nur 5 Minuten.

2. Kann E die Ernennung des T zum Testamentsvollstrecker einseitig durch Testament widerrufen?

Ja!

Von der Bindungswirkung des Erbvertrags sind nur die vertragsmäßigen Verfügungen umfasst. Nach § 2278 Abs. 2 BGB können daher nur Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und das anzuwendende Erbrecht vertragsmäßig angeordnet werden. Für alle anderen Verfügungen gilt nach § 2299 Abs. 2 BGB das gleiche, wie wenn sie durch Testament getroffen worden wären. Sie sind daher frei widerruflich. Die Einsetzung des T als Testamentsvollstrecker stellt keine vertragsmäßige Verfügung dar. T kann sie daher durch ein Testament einseitig widerrufen.

3. Kann E das Vermächtnis der N einseitig durch Testament widerrufen?

Genau, so ist das!

Nach § 2299 Abs. 1 BGB darf jede Verfügung, die durch Testament erfolgen kann, auch einseitig im Erbvertrag getroffen werden. Die im Erbvertrag enthaltenen Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen können dabei vertragsmäßige Verfügungen sein, sie müssen es aber nicht. Sofern es sich im Einzelfall durch Auslegung um eine einseitige Verfügung handelt, besteht keine Bindungswirkung. Mit N wird eine aus Sicht des L dritte Person bedacht, die keine Verwandtschaft oder sonstige nahe Verbindung zu L hat. Er hat daher grds. kein Interesse an einer Bindung des E an diese Verfügung, wird als eingesetzter Erbe durch das Vermächtnis an N ja sogar beschwert. Die Auslegung der Parteiinteressen ergibt daher, dass E keine Bindungswirkung gegenüber L beabsichtigt hat und es sich somit um eine einseitige, testamentarische Verfügung handelt (§ 2299 Abs. 1 BGB).
Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Martin

Martin

6.8.2023, 23:05:02

Liebe Jurafüchse, Wie erkennt man, ob die Verfügung einseitig vertragsmäßig oder nicht-vertragsmäßig ist. Ist das anhand des

Rechtsbindungswille

s zu erkennen? LG

QUAR

Quarklo

15.7.2024, 21:47:41

Die Unterscheidung erfolgt anhand der Interessen des Vertragspartners. Entscheidend ist die Frage, ob der Vertragspartner ein Interesse an der Bindungswirkung der Verfügung hat. Wenn, wie hier, ein Dritter begünstigt ist, zu dem der Vertragspartner keinerlei Beziehung hat, ist nicht davon auszugehen

DIAA

Diaa

16.10.2023, 12:10:50

Ich glaube, in der letzten Antwort der letzten Frage habt ihr euch verschrieben. Da ste 2 mal "L". Eigentlich sollte es einmal "N" und einmal "E" heißen.

BL

Blotgrim

2.2.2025, 09:16:35

Wäre super wenn das angepasst werden könnte

BECCA

Becca_la

11.6.2025, 11:04:11

@[Jurafuchs](137809) stimmt müsste es nicht "keine Bindungswirkung ggü. N" heißen?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

17.6.2025, 15:43:04

Hallo @[Diaa](211889), ich verstehe Dich so, dass Dich unsere Subsumtion der Antwort auf unsere letzte/3. Frage stört. Wir schreiben dort (bzw schrieben früher, s unten): "Mit N wird eine Dritte Person bedacht wird, die keine Verwandtschaft oder sonstige nahe Verbindung zu L hat. Daher ist davon auszugehen, dass E keine Bindungswirkung gegenüber L beabsichtigt hat und es sich somit um eine einseitige, testamentarische Verfügung handelt." Einen Fehler sehe ich hier aktuell nicht, @[Blotgrim](167544), @[Becca_la](209771). N ist die Nichte des E und daher ggü L "Dritte", hat zu ihm keine nähere verwandtschaftliche oder sonstige starke Nähebeziehung. Der Erbvertrag wird zwischen E und L geschlossen. Es kann daher nur darauf ankommen, ob die Verfügung zugunsten der N zwischen E und L Bindungswirkung haben soll. Nach (wohl ganz) hM soll das bei Dritten nur dann der Fall sein, wenn es sich um nahe Verwandte des Vertragspartners (hier: des L!) handelt (MüKoBGB/Musielak, 9. Aufl 2022, § 2278 Rn 5 mwN). L ist hier als eingesetzter Erbe durch das Vermächtnis an N aber ja sogar

beschwer

t. Also müssen wir grds und ohne weitere Anhaltspunkte davon ausgehen, dass L gar kein Interesse daran hat, den Erblasser E an diese Verfügung zu binden, mit der Folge, dass E sie nachträglich nur erschwert wieder aufheben könnte (vgl Staudinger/Raff, BGB, Neubearb 2022, § 2278 Rn 17). Und zu unserem letzten Satz: Wegen des fehlenden Interesses des L an einer Bindungswirkung ergibt die Auslegung nach §§ 133,

157 BGB

eine lediglich einseitige Verfügung zugunsten von N (§ 2299 I BGB), keine vertragsmäßige (§ 2278 I BGB). Ich verstehe aber, dass das bisher möglicherweise missverständlich war. Wir haben die Antwort auf die letzte Frage daher sprachlich etwas angepasst, damit das Ganze hoffentlich klarer wird. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

BECCA

Becca_la

22.6.2025, 11:51:20

@[Sebastian Schmitt](263562) aah danke dir für die Erläuterung. Ich dachte es ginge darum, ob E eine Bindungswirkung des Vermächtnisses ggü. N wollte. Aber weil L der Vertragspartner ist kommt es daauf an, ob für ihn als Erbe die Bindungswirkung ggü N gewollt war. Ich dachte es kommt grds. Nur auf den Willen des E an. Daher der Gedanke, dass er die Bindungswirkung ggü N gewollt haben müsste.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen