Zivilrecht

Mietrecht

Beendigung

Wegfall des Eigenbedarfs

Wegfall des Eigenbedarfs

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V hat M eine Wohnung in Bonn auf unbestimmte Zeit vermietet. Als sich Vs Tochter T für das Jurastudium an der Uni Bonn einschreibt, kündigt V dem M unter Berufung auf den Eigenbedarf hinsichtlich T. Nach Ablauf der Kündigungsfrist entscheidet sich T anders und studiert stattdessen in Hamburg. V erzählt M davon nichts; sie will die Wohnung jetzt lieber neu vermieten. Der Umzug kostet den M, der gerne in seiner Wohnung geblieben wäre, €2.000.

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Einordnung des Falls

Wegfall des Eigenbedarfs

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung ist ursprünglich wirksam erklärt worden.

Genau, so ist das!

Der Vermieter kann bei Wohnraum nur dann ordentlich kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat (§ 573 Abs. 1 S. 1 BGB). Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, Eigenbedarf). V benötigte die Wohnung für ihre Tochter, sodass sie Eigenbedarf hatte.
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2. Die Kündigung ist unwirksam geworden, als der Eigenbedarf der V nachträglich weggefallen ist.

Nein, das trifft nicht zu!

Beim nachträglichen Wegfall des Eigenbedarfs müssen zwei Konstellationen unterschieden werden: (1) Wegfall des Eigenbedarfs vor Ende der Kündigungsfrist (2) Wegfall des Eigenbedarfs nach Ende der Kündigungsfrist. Der nachträgliche Wegfall des Eigenbedarfs vorAblauf der Kündigungsfrist führt nach der Rechtsprechung des BGH dazu, dass die wirksam erklärte Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) nachträglich unwirksam wird. Entfällt der Eigenbedarf nach Ablauf der Kündigungsfrist, entsteht für den Vermieter eine Hinweispflicht. Behält der Vermieter den Wegfall für sich, kann dies demzufolge eine Pflichtverletzung darstellen. Diese spätere Pflichtverletzung beseitigt jedoch nicht das wirksam ausgeübte Gestaltungsrecht – die Kündigung –. Im vorliegenden Fall ist der Eigenbedarf nach Ablauf der Kündigungsfrist entfallen. Daher ist das Festhalten an der Kündigung nicht rechtsmissbräuchlich, § 242 BGB und daher auch nicht unwirksam.

3. Weil V den M nicht vom Wegfall des Eigenbedarfs unterrichtet hat, ist sie dem M zum Schadensersatz verpflichtet.

Ja!

Wenn der Eigenbedarf nach der Kündigung, aber vor Ablauf der Kündigungsfrist entfällt, dann muss der Vermieter den Mieter hierüber informieren und ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses anbieten. Das Gleiche gilt, wenn dem Vermieter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist im selben Haus oder in derselben Wohnanlage eine andere, vergleichbare Wohnung zur Verfügung steht, die vermietet werden soll. Verletzt der Vermieter seine Anbietpflicht, steht dem Mieter ein Anspruch auf Schadensersatz zu (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB). V hat den M nicht über den Wegfall des Eigenbedarfs informiert und damit seine Anbietpflicht verletzt. Hätte sie dem M die Fortsetzung angeboten, wäre M kein Schaden iHv €2.000 entstanden. Diesen Schaden hat V nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB zu ersetzen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Skywalker

Skywalker

24.7.2022, 15:42:34

Eine Frage, die nur indirekt was mit dem Thema zu tun hat: Bei der ordentlichen Kündigung (z.B wegen Eigenbedarf) muss der Vermieter ja gem. 573c I eine Kündigungsfrist einhalten, die sich nach der Mietdauer bestimmt. Endet diese "Mietdauer" mit Zugang der Kündigung oder erst nach Ablauf der Frist? Beispiel: Mietvertrag auf unbestimmte Zeit wurde am 31.1.2000 geschlossen und wird am 30.1.2005 gekündigt. Muss der Vermieter hier eine Kündigungsfrist von 3 oder 6 Monaten einhalten? Und was bedeutet gem 573c I "seit dem Überlassen des Wohnraums" z.B wenn sich der Vermieter in der Zwischenzeit gewechselt hat - das Überlassen durch den ersten Vermieter oder durch den letzten Vermieter?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

3.8.2022, 13:07:51

Hallo Skywalker, maßgeblich für die Verlängerung sind a) der Tag der Überlassung und b) der Tag des Kündigungszugangs. Zu a): In der Regel werden Mietverträge vor dem Tag der Übergabe der

Mietsache

geschlossen. Hier wird klarsgestellt, dass das Überlassungsdatum relevant ist. Auch der Zeitpunkt des vereinbarten Mietbeginns ist irrelevant. Überlässt der Vermieter die Wohnung früher, so ist auf diesen Zeitpunkt abzustellen. b) Maßgeblich ist der Kündigungszugang, nicht der Ablauf der Kündigungsfrist. In Deinem Beispiel würde also am 30.1.2005 noch die normale 3-monatige Frist gelten (in Deinem Beispiel ist der Überlassungszeitpunkt nicht klar. Selbst wenn am 31.1.2000 direkt die Wohnung überlassen wurde, wäre die 5-Jahresfrist noch nicht erreicht (erst mit Ablauf des 31.1.2005). Der Wechsel des Vermieters hat keine Auswirkung auf die Verlängerung der Frist (vgl. § 566 BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

VALA

Vanilla Latte

3.10.2023, 23:26:09

Eine Frage: die Mehrkosten für die neue Miete kann er verlangen. Gilt das nur für die erstmalige Miete oder wie lange geht der Anspruch? Ich bin mir sicher, dass ich dazu mal etwas gelesen hatte, dass dieser für m

ehre

re Mieten gilt, jedoch finde ich es leider nicht mehr wieder.

PET

petruvia

1.9.2024, 19:16:40

Wo nimmst du es her, dass er das Delta zur alten Miete vom alten Vermieter verlangen kann?

VALA

Vanilla Latte

21.2.2024, 17:03:01

Ihr lieben Füchse, kann bitte jemand die Fragen darüber beantworten (hinsichtlich der Wirksamkeit)? Ich glaube, als Antwort kann man euch nicht markieren. Daher versuche ich es so einmal.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

1.3.2024, 14:26:00

Hallo Vanilla Latte, danke für deine Beharrlichkeit :) Wir haben die Frage beantwortet und die Aufgabe entsprechend überarbeitet. Tatsächlich wird die Kündigung unwirksam wenn der Eigenbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist entfällt. Entfällt er hingegen nach Ablauf der Kündigungsfrist besteht lediglich eine schadensersatzbewehrte Hinweispflicht des Vermieters. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DerChristoph

DerChristoph

12.3.2024, 09:00:33

Hallo zusammen, meiner Meinung nach stimmt hier immer noch etwas nicht – oder ich stehe auf dem Schlauch. In der Antwort auf die letzte Frage wird die "Anbietepflicht" nur für den Zeitraum Kündigung bis Ende Kündigungsfrist bejaht. In den übrigen Antworten und dem Kommentar von Nora wird die "Anbietepflicht" aber gerade für die Zeit NACH Ende der Kündigungsfrist dargestellt, oder?

Burumar🐸

Burumar🐸

8.7.2024, 16:38:36

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PH

Phil

29.4.2024, 14:48:09

Die letzte Frage und Antwort scheint nicht so ganz mit der Darstellung der Ja/Nein-Antwort zu passen. Könnt ihr das nochmal prüfen? Hier haben wir doch einen Fall von Hinweispflichtverletzung NACH Ablauf der Kündigungsfrist. Die letzte Antwort stellt es aber so dar, als wäre diese noch während der Kündigungsfrist erfolgt. lg

PH

Phil

30.4.2024, 08:45:07

Okay ich korrigiere meine Frage: in der Erklärung zur letzten Frage wird behauptet, dass bei Wegfall des Kündigungsgrundes VOR der Kündigungsfrist eine Informationspflicht seitens des Vermieters besteht. In der Frage zuvor wird diese Pflicht jedoch nur NACH Wegfall des KüGr. angenommen. Könnte das nochmal jemand erklären?

Burumar🐸

Burumar🐸

8.7.2024, 16:39:17

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PET

petruvia

1.9.2024, 19:14:16

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0815jurafuchs

0815jurafuchs

24.9.2024, 08:54:07

@[Phil](125811) die Antwort auf die letzte Frage ist m.E. korrekt, die Begründung dafür eher nicht. Vorher wird erläutert dass eine Pflichtverletzung des Vermieters vorliegt wenn der Eigenbedarf nach Ablauf der Kündigungsfrist entfällt (2. Konstellation). Entsprechend besteht eine Hinweisspflicht des Vermieters. Verletzt der Vermieter diese, macht er sich schadensersatzpflichtig. In der letzten Frage geht es beim Maßstab aber überwiegend um den Fall dass der Eigenbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist entfällt und der Vermieter daher seine Anbietpflicht verletzt hätte, was hier aber gar nicht der Fall ist. Korrekterweise liegt hier eine Verletzung der Hinweispflicht vor, die Schadensersatzansprüche auslöst.

AME

Amelie7

6.11.2024, 16:29:25

Ich finde das hier auch widersprüchlich formuliert! Sollte bitte angepasst werden

MIC

Michael

11.11.2024, 17:20:47

@[0815jurafuchs](237790) aber der Eigenbedarfsgrund ist doch erst nach Ablauf der Kündigungsfrist entfallen. Die Informationspflicht besteht nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (MüKoBGB/Häublein, 9. Aufl. 2023, BGB § 573 Rn. 110), danach entfällt diese und es kann kein Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden. Im Fall steht doch, dass die T sich erst nach Ablauf der Kündigungsfrist anders entschieden hat, d.h. er hatte keine Informationspflicht. Entweder stehe ich auf dem Schlauch oder die Aufgabe ist falsch.


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