Streitstand: Mittelbarer Täter hat seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen


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Klassisches Klausurproblem
Streitstand

T plant mit D, wie diese gemeinsam den O erschrecken können. Dazu soll D auf den O mit einer Spielzeugwaffe schießen. T überreicht dem D jedoch eine echte Waffe, was D nicht erkennt. Auf dem Weg zu O erkennt D jedoch, dass es sich um eine echte Waffe handelt und lässt von dem Vorhaben ab.

Einordnung des Falls

Streitstand: Mittelbarer Täter hat seine Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist der Versuch eines Totschlages (§ 212 Abs. 1 StGB) strafbar?

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Genau, so ist das!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Totschlag ist ein Verbrechen und daher bereits im Versuch strafbar (§§ 212 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).

2. Hat T „Tatentschluss“ bezüglich eines Totschlages?

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Ja, in der Tat!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T ist entschlossen den O zu töten beziehungsweise töten zu lassen.

3. Hat T „Tatentschluss“, die Tat durch D zu begehen?

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Ja!

Tatentschluss liegt vor, wenn der TäterVorsatz in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale hat. Daher ist im Tatentschluss die Vorstellung des Täters mit den Theorien über die Täterschafts und Teilnahmetheorien zu prüfen. Nach herrschender Ansicht ist daher auf die Tatherrschaft abzustellen und ob sich der Täter eine Situation vorstellt, die, würde sie zutreffen, eine Tatherrschaft begründen würde. T stellt sich vor, den D als doloses Werkzeug zu nutzen und verschweigt die Wahrheit. Tatentschluss in Bezug auf die mittelbare Täterschaft liegt daher vor.

4. Hat T nach der Einzellösung „unmittelbar angesetzt“?

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Ja, in der Tat!

Ein unmittelbares Ansetzen des mittelbaren Täters liegt nach der Einzellösung bereits dann vor, wenn der Täter begonnen hat, auf den Tatmittler einzuwirken. Bereits durch die Übergabe der Waffe hat T erstmalig auf D eingewirkt und damit nach der Einzellösung unmittelbar angesetzt.

5. Hat T nach der Entlassungstheorie „unmittelbar angesetzt“?

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Ja!

Ein unmittelbares Ansetzen des mittelbaren Täters liegt nach der Entlassungsheorie vor, wenn er den Tatmittler aus seiner Einflusssphäre entlässt und er den Eintritt der Tathandlung für sicher hält. Indem T den D aus seiner Einflusssphäre entlassen hat, in dem Wissen, dass dieser mit der geladenen Waffe auf O schießen werde, hat T nach der Entlassungstheorie unmittelbar angesetzt.

6. Hat T nach der Gesamtlösung „unmittelbar angesetzt“?

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Nein, das ist nicht der Fall!

Ein unmittelbares Ansetzen des mittelbaren Täters liegt nach der Gesamtlösung dann vor, wenn der Tatmittler selbst unmittelbar zur Tat ansetzt. D als Tatmittler hat subjektiv nicht die Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“ überschritten und objektiv fehlten noch wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung durch ihn. Somit hat D nicht unmittelbar zur Tat angesetzt und somit nach der Gesamtlösung auch T nicht.

7. Bedarf es vorliegend eines Streitentscheides?

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Ja, in der Tat!

Ein Streitentscheid erfolgt, wenn die Lösungsansätze zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Da die Entlassungs- und Einzellösung zu dem selben Ergebnis kommen, bedarf es eines Entscheides nur gegenüber der Gesamtlösung. Die Gesamtlösung verkennt, dass die Gefährdung des Opfers bereits durch Entlassung des Tatmittlers eintritt. Schon dann wird aus Sicht des Täters ein nicht mehr zu stoppender Kausalverlauf ausgelöst. Aus diesem Grund ist die Gesamtlösung abzulehnen. Spätestens zum Zeitpunkt als T den D entlassen hat, hat er somit unmittelbar zur Tat angesetzt.

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